7.11.2007

DR Kongo:
18 Tonnen radioaktives Material
im Mura-Fluß abgekippt

Uran aus der Atombomben-Mine Shinkolobwe

Im Mura-Fluß im Süden der DR ("Demokratische Republik") Kongo haben die Behörden Anfang November 18 Tonnen radioaktives Material entdeckt, das dort von LkWs abgekippt worden war. Ein Minister der Kabila-Regierung erklärte, zur Herkunft des Materials gebe es bislang nur Spekulationen. Es sei eine Untersuchung eingeleitet worden. Doch Maßnahmen gegen die Verseuchung des Flusses sind von der Regierung offenbar nicht zu erwarten.

Die Fundstelle liegt in der Nähe der Stadt Likasi, wo sich auch die ehemalige Uran-Mine Shinkolobwe befindet. Shinkolobwe ist bekannt als der Herkunftsort des Urans, das von den USA für die Ende des Zweiten Weltkriegs auf Hiroshima abgeworfenen Atombombe verwendet wurde.

Die Uran-Mine Shinkolobwe wurde bereits vor Jahren offiziell geschlossen. Allerdings gab es in der Region weitere Uranfunde und trotz des offiziellen Verbots arbeiten immer noch Tausende Bergleute dort. Es ist ein offenes Geheimnis, daß eines der zahlreichen Bergbauunternehmen in der Region in den Atommüllskandal verwickelt ist. Die Gegend ist zudem reich an Kobalt, Kupfer und Uran.

Mittlerweile wurde der mögliche Verlauf des Umwelt-Verbrechens rekontruiert: Anlaß war möglicherweise eine zerstörte Brücke über den Mura-Fluß. Vier LkWs, die mit Uranerz beladen waren, konnten das vorgegebene Ziel nicht erreichen und kippten am 26. Oktober die rund 18 Tonnen radioaktiven Materials kurzerhand in den Fluß. Kurze Zeit zuvor waren die Fahrer vor den Toren Likasis in eine Kontrolle geraten. Zehn Kilometer vom Fundort entfernt waren sie wegen der gefährlichen Fracht von Beamten angehalten worden. Die Aussagen sind wenig plausibel. Zumindest wurde festgestellt, daß das Material falsch deklariert war: als Kupfer- und Kobalterz. Zudem wurde eine erhöhte Radioaktivität festgestellt: Mitarbeiter des Kongolesischen Kontrollamtes OCC maßen eine Radioaktivität von bis zu 15 Microsievert pro Stunde. Dies entspricht ungefähr das Ausmaß der Verstrahlung in der Umgebung des AKW Tschernoby.

Mittlerweile ist der Ort stark verstrahlt - doch die AnwohnerInnen wurden nicht informiert. Offenbar gehen die Behörden davon aus, daß Menschen in der DR Kongo das Thema Radioaktivität kalt läßt. Viele Menschen in armen Regionen Afrikas sind tatsächlich durch die Vielfalt der Gefahren relativ fatalistisch geworden.

Bevor Bergleute heute in Shinkolobwe in die Grube steigen, entledigen sie sich zunächst eines Großteils ihrer Bekleidung. Halbnackt klettern sie 20 bis 30 Meter tief in die engen Tagebauminen, wo sie im Laufe ihrer Arbeit die braune Farbe der Erde annehmen. Mit Hacken und Schaufeln suchen sie grün oder schwarz schimmernde Erdschichten - Zeichen, daß es hier wertvolle Erze gibt. Zuweilen stürzt eine Mine ein und begräbt die Bergleute unter sich. Die Uran-Mine Shinkolobwe ähnelt vielen Bergwerken in der DR Kongo. Die zerstörte Ökonomie des Landes erlaubt vielerlei, was sonst weltweit längst verboten ist.

Allein im südkongolesischen Bergbaurevier von Katanga wird die Zahl der Schürfer in verlassenen industriellen Bergwerken auf rund 600.000 geschätzt. Die Bergleute sind häufig gegen die Gefahren abgestumpft: "Wir sind doch schon Leichen, und eine Leiche muß keine Angst vor Radioaktivität haben", zitiert ein kongolesischer Zeitungsbericht einen Bergmann. Ein anderer sagt: "Jeder sucht sich aus, woran er stirbt. Der eine stirbt an Malaria, der andere an den Kugeln von Rebellen. Ich entscheide mich für die radioaktive Verseuchung."

Das Uran von Shinkolobwe ist ein Mythos. Die Tagebauminen befinden sich auf Abbauhalden alter belgischer Kolonialminen. Denn früher wurden im Kupferbergbau andere Erze achtlos weggeworfen, die heute wertvoll sind - zum Beispiel Uranerze. Die reichhaltigeren Uranvorkommen liegen viel tiefer unter der Erde, und da kommt kein Schürfer heran. Dennoch meinten im November UN-Experten: Das Risiko erzwinge eine endgültige Schließung der Mine, da die Menschen "möglicherweise chronisch der Radioaktivität ausgesetzt" seien.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Atom-Staat statt Atom-Ausstieg
      Auch in Gronau wird weiter aufgestockt (6.04.03)

      Gedanken zu Hiroshima (6.08.03)

      land of the free uranium (13.09.03)

      Die US-"Endlager"-Pläne und die Schoschonen (10.09.03)

      IPPNW: Uranvorräte bestimmen Zeitpunkt für "Atomausstieg"
      (31.01.05)

      21.000 Tonnen Yellow Cake nach Sibirien
      ZDF: 3 Tote bei Atom-Unfällen (12.06.07)

 

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