26.02.2004

Stehen Alleebäume
dem Autoverkehr im Weg ?

Unbeirrbar und zugleich nahezu unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit hält Verkehrsminister Stolpe an Plänen zur schleichenden Zerstörung der deutschen Alleen fest1. Trotz vehementer Proteste verschiedener Umweltorganisationen ist die behördeninterne Richtlinie ESAB ("Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall an Bäumen") immer noch nicht zurückgezogen worden.

Was anscheinend harmlos als "Empfehlung" daherkommt, bedeutet nichts anderes als das Aus für die Alleen und zudem auch für alle übrigen Staßenbäume außerhalb geschlossener Ortschaften. "Zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall an Bäumen" sollen diese bei einem Abstand von weniger als sieben Metern vom Fahrbahnrand gefällt werden, in Kurvenbereichen auch bei noch größerem Abstand. Gleichzeitig wird empfohlen, "Allee"-Bäume im Normabstand neu zu pflanzen. Allein, diese Kann-Bestimmung wird an den Kosten scheitern. In aller Regel handelt es sich im Abstand von mehr als zwei Meter um privaten Grund und Boden...

Nachdem ein Entwurf dieser Regelung bereits vor über drei Jahren durchsickerte, kämpfen UmweltschutzerInnen mit aller Kraft, aber wenig Medienresonanz dagegen an. Umso publicityträchtiger war dagegen die Kampagne einer "Alleenschutzgemeinschaft", deren Schirmherr Bundesminister Trittin ist. Ziel dieser Kampagne sollte sein, "die deutsche Öffentlichkeit zu sensibilisieren". Doch diese ist und war bereits vor Jahren mit großer Mehrheit für den Erhalt der Alleen. Dies bewies besonders der enorme Widerstand, den groß angelegte Fäll-Aktionen in den neuen Bundesländern hervorriefen. Neben PR-Veranstaltungen wie symbolischer Pflanz-Aktionen gehen die Bürokraten in Auto- und Atom-Ministerium inzwischen auch cleverer bei der Vernichtung der Alleen vor. In verteilten Rollen spielt Trittin den Retter, während Stolpe die Alleen in einer Art Salamitaktik zerstören läßt. Baum um Baum wird mit meist korrekten Begründungen (Krankheit, Standfestigkeit) gefällt aber nicht ersetzt, so daß die Alleen schleichend verschwinden. Und bis auf einige Pflanz-Aktionen, die den weit verstreuten Gesamtverlust bei weitem nicht wett machen können, hat die Kampagne der "Alleenschutzgemeinschaft" keinerlei praktische Konsequenzen. Anzunehmen, daß Minister Trittin etwas gegen die ESAB-Richtlinie unternehmen würde, wäre grün- oder blauäugig.

Die ESAB-Richtlinie verschwand zwar zwischenzeitlich in den Schubladen und wurde bisher nicht förmlich in Kraft gesetzt. Dies hindert jedoch die zuständigen Straßenbauämter auf Kreisebene keineswegs, bereits im Vorgriff entsprechend dieser Richtlinie zu verfahren. Argumentiert wird häufig damit, daß es doch sinnlos sei, entlang einer Straße heute Bäume zu pflanzen, die morgen gefällt würden. Dennoch gibt es auch positive Ausnahmen und in einigen Kreisen wurden in den letzten Jahren beispielsweise auf Initiative aus dem Straßenbauamt ganze Alleen neu angelegt.

Inzwischen drangen Informationen nach außen, daß im Auftrag von Minister Stolpe weiter an der ESAB-Richtlinie gefeilt wird. Im zuständigen Gremium, der 'Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen' in Köln, sind bezeichnender Weise ausschließlich Ingenieure aus dem Verkehrs- und dem Versicherungsbereich zu Gange. Rudolf Ferner, Experte von 'Robin Wood', kommentiert: "Über die Zukunft der Alleen in Deutschland verhandelt zur Zeit ein Kreis von Technokraten, die Straßenbäume allein als Unfallverursacher und Kostenfaktor sehen". Zwar wurden anscheinend inzwischen konkrete Meter-Angaben für den "nötigen" Abstand der Bäume vom Fahrbandrand aus dem Entwurf gestrichen - gewonnen ist damit aber nichts, denn statt dessen wird nun auf entsprechende Angaben in einem anderen Regelwerk verwiesen. Dabei handelt es sich um die RPS-Richtlinie ("Richtlinien für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeuge-Rückhaltesysteme"). Dieses wiederum sei zur Zeit in der Überarbeitung, heißt es wie um das Versteckspiel mit den Umweltverbänden zu komplettieren. Und es darf kaum verwundern, daß "die Verbände des Natur- und Landschaftsschutzes" - wie es im Behörden Jargon heißt - nicht daran beteiligt werden.

Wie auch 'Robin Wood' betont, muß von Seiten der UmweltschützerInnen verstärkt darauf geachtet werden, sich nicht in eine rein defensive Diskussion verstricken zu lassen. Einerseits ist es sicherlich unabdingbar, weiterhin laut und deutlich zu sagen, daß nicht die Bäume schuld an Unfällen haben. Es darf nicht zugelassen werden, daß von den wahren Unfallursachen wie überhöhte Geschwindigkeit, Unaufmerksamkeit, Übermüdung und Alkohol abgelenkt wird. Andererseits sollte das argumentative Hauptgewicht darauf gelegt werden, daß angesichts der nahenden Klimakatastrophe, die inzwischen auch vom Pentagon Ernst genommen wird2, um den Erhalt jedes einzelnen Baums gekämpft werden muß.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkungen:

1 Siehe auch unsere Artikel

    'Tag des BaumFÄLLeNs' v. 25.04.03

    'Baumfrevel an der Bundesstraße' v. 8.03.01
    und
    'Bald keine Bäume mehr an Deutschlands Straßen?' v. 28.07.2000

2 Siehe hierzu unseren Artikel

    'Der legale Terror
    - Pentagon-Studie zur Klimakatastrohe' v. 24.02.04

 

neuronales Netzwerk