25.05.2005

ai: "deutsche Asylpolitik
verantwortungslos"

Bei der heutigen Vorstellung des Jahresberichts der Menschenrechts- organisation Amnesty International (ai) fand die Generalsekretärin der deutschen ai-Sektion, Barbara Lochbihler, wieder einmal deutliche Worte zur deutschen Asylpolitik.1 Bund und Länder träfen immer wieder "gefährliche und verantwortungslose Entscheidungen." Lochbihler kritisierte zudem das Vorhaben des Bundesinnenministeriums, Angehörige gefährdeter Minderheiten wie der Roma, Ashkali und Ägypter in den Kosovo abzuschieben.

ai warnt aktuell auch vor Abschiebungen nach Afghanistan und Togo. In Afghanistan dauerten die Kämpfe zwischen Warlords und verschiedenen politischen und ethnischen Fraktionen an. In Togo verhafteten Sicherheitskräfte Oppositionelle, folterten und töteten sie. Die Zivilbevölkerung sei dort schutzlos. Lochbihler sprach sich gegen die Pläne von Bundesinnenminister Schily aus, Flüchtlinge außerhalb der EU in Lagern zu internieren. Schily verfolgt damit zwei Ziele: Mit Internierungslagern im Norden Afrikas könnten die aufrüttelnden Bilder Tausender im Mittelmeer ertrinkender Flüchtlinge vermieden werden, zum anderen verspräche diese "Lösung" eine Reduzierung der Zahl an Illegalen in der EU.

Einem Land wie Libyen, das die Genfer Flüchtlinskonvention nicht unterzeichnet habe und über kein funktionierendes Asylsystem verfüge, könne nicht die Erstbetreuung von Flüchtlingen anvertraut werden, erklärte Lochbihler gegenüber den MedienvertreterInnen in Berlin. Die Frage, ob es irgend eine moralische Rechtfertigung dafür gibt, Menschen aus Afrika die Einreise nach Europa zu verweigern, blieb ausgeblendet. Dabei beriefen sich beispielsweise kürzlich europäische ParlamentarierInnen, die aus Kuba ausgewiesen wurden, auf ein "Recht zu reisen".2

Lochbihler forderte erneut, daß das Zusatzprotokoll zur UN-Anti-Folter-Konvention3 "endlich" in Kraft tritt. "Einige letzte Bundesländer müssen ihre Blockadehaltung aufgeben, damit Regierung und Parlament zügig unterzeichnen und ratifizieren können", sagte die ai-Generalsekretärin.

"Viele Regierungen verfolgen heute eine menschenrechtsfeindliche Politik, obwohl sie sich formal zu Demokratie und Menschenrechten bekennen", urteilt Amnesty International, ohne dabei einzelne Regierungen zu benennen. "Sie brechen damit ihre Verpflichtung zu einer auf den Menschenrechten basierenden Weltordnung. Sie verhöhnen die Menschenrechte", so Lochbihler.

Nach wie vor mißbrauchten Staaten den "Krieg gegen den Terror" als Rechtfertigung, um Menschen "verschwinden" zu lassen, ohne ordentliches Verfahren zu inhaftieren, zu mißhandeln und zu foltern. Der Folter-Skandal im Abu-Ghraib-Gefängnis4 sei nicht unabhängig und umfassend untersucht worden. Verantwortliche auf höherer Ebene werden entweder nicht oder nur geringfügig belangt. Und auch in Rechtsstaaten wie Deutschland sei in den letzten Jahren mehrmals eine Diskussion über die Zulässigkeit von Folter aufgebrochen.5

 

Adriana Ascoli

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu auch unsere Beiträge

      'Festung Europa fordert Tote'
      Mehr Leichen als Krabben in den Netzen (26.03.05)

      'Tag des Flüchtlings 2004: Europa macht dicht!' (30.09.04)

      'Menschenverachtender Umgang
      mit Flüchtlingen beim FdAaF-Bundesamt' (3.06.04)

      'Nach wie vor werden in Deutschland
      Kinderrechte mit Füßen getreten' (16.01.04)

      '60 Tote infolge europäischer Unchristlichkeit' (22.12.03)

      'Sind Sie darauf stolz, Herr Schily?' (13.01.03)

      'Europa hat eine Verantwortung' (11.10.00)

2 Siehe hierzu auch unseren Beitrag

      'Kuba: Echte und falsche DissidentInnen' (23.05.05)

3 Siehe hierzu auch unseren Beitrag

      'Folter in Deutschland' (5.01.05)

4 Siehe hierzu auch unsere Beiträge

      'Abu-Ghraib-Verfahren geplatzt' (5.05.05)

      'Irak: Folter as usual
      - US-Menschenrechtsorganisation klagt an' (26.03.05)

5 Siehe hierzu auch unsere Beiträge

      'Folter-Vorwurf bestätigt
      - Dennoch extrem mildes Urteil im Fall Daschner' (21.12.04)

      'Folter? "Unmittelbarer Zwang" klingt viel besser!' (20.11.04)

      'Und Toilettenpapier färbt doch ab
      - Zu Lafonaines Pro-Folter-Kolumne vom 3. März' (8.03.03)

      'Inquisition
      - Zur neuen Diskussion über Folter'(23.02.03)

 

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