13.01.2003

Zwischenruf

Sind Sie darauf stolz,
Herr Schily?

zu den kürzlich veröffentlichen Asylbewerber-Zahlen

Wer Ohren hat, zu hören, wußte spätestens 1999 was im Hinblick auf Ausländer- und Flüchtlingspolitik von der neuen, "rot-grünen" Bundesregierung zu halten ist. Noch 3 Wochen vor Beginn des Kosovo-Kriegs wurden Kosovo-Albaner mit der Begründung abgeschoben, "ein staatliches Programm zur Vertreibung aller Albaner aus dem Kosovo (sei) bis heute nirgends belegt" und die bis dahin "über tausend" Todesopfer und 300.000 Flüchtlinge rechtfertigten "nicht die Annahme einer unmittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung". Schily setzte die inhumane Politik Kanthers nicht etwa nahtlos fort - er baute sie aus!

Daß die entscheidenden Leute bei den "Grünen" bereit sein würden, für wenigstens einen Ministerposten jede beliebige programmatische Position zu räumen, war KennerInnen dieser Partei allerdings bereits seit Jahren klar. Ebenfalls ist politisch denkenden Menschen nicht entfallen, warum der deutsche Friedensnobelpreisträger Günter Grass 1993 aus der SPD austrat. Sie hatte ihre Zustimmung zur Abschaffung des Grundrechts auf Asyl gegeben. In einer Rede vor dem Europa-Parlament am 10.10.2000 sprach er in aller gebotenen Klarheit aus, wer die eigentlichen Ausländerfeinde in diesem Land sind: "Der Fisch beginnt vom Kopf her zu stinken." Und: "Politiker sind mitverantwortlich für den Rechtsradikalismus". Und in Hinblick auf Artikel 16 unserer Verfassung sagte Günter Grass: "... will ich mich darauf beschränken, die Demontage des Asylparagraphen in der Verfassung der Bundesrepublik und die Folgen dieser auch von der SPD mitgetragenen Entscheidung als einen der Gründe zu nennen, die zum Anwachsen des Rechtsradikalismus und zum Anschwellen der Gewalttätigkeiten geführt haben. Seitdem ist der inhumane Umgang mit Asylsuchenden zur rechtsstaatlichen Praxis geworden. Mehr noch, in ihrer Alltäglichkeit erregen selbst skandalöse Vorgänge kaum noch die Öffentlichkeit."
Der vollständige Text der Rede von Günter Grass ist zu finden unter: www.netzwerk-regenbogen.de/GrassEuropa.html

In den Medien ist längst nicht mehr die Rede vom abgeschafften Asylrecht - im Gegenteil, es wird weiter eine "Verschärfung" des Asylrechts gefordert. Dieses verräterische Wort von der "Verschärfung" gibt deutlich zu erkennen als was das Asylrecht verstanden wird: Als Waffe gegen Menschen in Not, die davon gejagt werden, weil Deutschland nicht bereit ist, etwas abzugeben.

In einem Kommentar in der Badischen Zeitung schrieb Ulrich Rose am 27.05.1993 auf Seite 1: "Übel aber ist, was im Parlament beschlossen wurde, und zwar aus vielen Gründen. Vor allem die geradezu zynische Rechtskonstruktion von "sicheren Drittstaaten" läßt vom Artikel 16 wenig mehr als eine leere Hülle: Nicht mehr die Flucht-Gründe entscheiden darüber, ob jemand, der ins Land kommt, Asyl für sich beanspruchen kann, sondern nur noch der Flucht-Weg. "

Das Asylrecht wirkt inzwischen tatsächlich wie das Flammen-Schwert des Cherubim - laut neuesten Daten des Bundesamtes für Statistik ist die Zahl der in Deutschland im Jahr 2002 um Asyl bittenden Menschen mit 71.127 auf den tiefsten Stand seit 1887 gesunken:

Quelle: Bundesamt für Statistik

Doch auch diese Statistik gibt wie so viele ohne den korrekten Hintergrund ein falsches Bild und könnte angesichts der stark ansteigenden Zahlen vor 1993 geradezu den Hetzbegriff von der "Asylantenschwemme" bestätigen. Zwei Zusatzinformationen sind zur Einordnung dieser Zahlen unerläßlich: Erstens die sogenannte Anerkennungsquote und zweitens die Entwicklung des Ausländeranteils in Deutschland.

Von den 71.127 im letzten Jahr in Deutschland Asyl Suchenden wurden lediglich 2.379 anerkannt. Das ist eine Quote von 1,8 Prozent. Weitere 4.130 Menschen (3,2 %) werden entsprechend der Genfer Flüchtlingskonvention geduldet. Das UN-Flüchtlingskommissariat konstatiert: Kein anderes EU-Land "legt die Genfer Flüchtlingskonvention so restriktiv aus wie Deutschland. Daran hat sich unter Rot-Grün nichts geändert."

Und daß - zweitens - solch geringe Zahlen angesichts der Zu- und Abwanderung von Ausländern insgesamt nicht zu Buche schlagen:

Quelle: Bundesamt für Statistik

In den Jahren 1997 und 1998 war also unter dem Strich sogar eine Abwanderung von einmal 22.000, einmal 33.000 Ausländern zu verzeichnen. Schauen wir uns dann noch den Anteil von Ausländern an der Gesamtbevölkerung von Deutschland über die entsprechenden Jahre hin an, ergibt sich erst ein vollständiges Bild:

Quelle: Bundesamt für Statistik
(zu finden u.a. im Internet in www.destatis.de: bevoetab7.htm - "Legal in Deutschland wohnende Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, Stand: jeweils 31.12.")

Im Jahr 2001 waren dies 7.318.600 Ausländer bei einer Gesamtbevölkerung von rund 82 Millionen - das entspricht einem Anteil von 8,9 Prozent. Wie die Grafik verdeutlicht, ist dieses Verhältnis (zahlenmäßig) relativ konstant.

Daß die subjektive Wahrnehmung manchmal eine ganz andere ist, liegt nun keineswegs immer an Fremdenhaß. So ist der Ausländeranteil in Städten teilweise extrem viel höher. Während er bei eher (hauptsächlich von den Arbeitsmöglichkeiten her) unattraktiven Städten wie Essen (10 %) oder Dortmund (12 %) kaum über dem Duchschnitt liegt, ist im SPD-regierten München ein Ausländeranteil von 20 Prozent (viele Österreicher darunter) und in den CDU-regierten Städten Stuttgart ein Ausländeranteil von 24 Prozent und Frankfurt ein Ausländeranteil von 28 Prozent zu finden. Der Verdacht, daß solche Konzentrationen unseren Politikern durchaus nützlich erscheinen, um ihr Süppchen darauf zu kochen und sich als "Vaterlands-Bewahrer" statt "Vaterlands-Verräter" zu präsentieren, während sie heuchlerisch zugleich von Ausländerintegration und humanitären Aktionen weltweit daherreden, ist nicht von der Hand zu weisen.

Tatsache ist jedoch, daß die Waffenexporte steigen, die Entwicklungshilfe weit hinter den Versprechungen her hinkt und die Nettotransfer-Rate (also das, was an Waren und Schuldenzahlungen aus den Ländern der Dritten Welt in die Industriestaaten fließt abzüglich der lächerlichen Summen, die in diese Länder fließen) weiter anschwillt.

Von Seiten der "rot-grünen" Bundesregierung sind in den letzten Jahren keine aktuellen Zahlen zu CO2-Emmissionen1, Telefonüberwachung2 oder Waffenexporten vorgelegt worden. Dagegen lag die Zahl der Asylbewerber des Jahres 2002 bereits Anfang Januar vor - Mit Verlaub, sind Sie darauf stolz, Herr Schily?

 

Klaus Schramm

nachträgliche Anmerkungen:
1Zum Thema CO2-Emmissionen siehe Artikel
            'Klimapolitische Geisterfahrer' v. 9.01.03
2Zum Thema Telefonüberwachung siehe Artikel
            '"Rot-Grün" im Überwachungswahn' v. 8.05.03

 

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