In Deutschland ist die öffentliche Diskussion über atomare Endlager medienbedingt auf Gorleben fixiert. Die Ortsnamen Bure (Frankreich) oder Benken
(Schweiz) kennt fast niemand. Das kann sich sehr schnell ändern.
"Europa brauche nur ein oder zwei Endlager...", so Hans Issler, Chef der Schweizer Nagra (Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle).
Am 5.03. entschied der Züricher Kantonalrat, eine Volksabstimmung über das geplante Schweizer Endlager nicht zuzulassen. Er hatte über die Initiative
"Für die Mitsprache bei Atomendlagern" zu befinden, die 1998 von der lokalen Schweizer Bürgerinitiative 'BeDEnken' eingereicht worden war. Dabei ging
es noch gar nicht um das 'Ja' oder 'Nein' zum atomaren Endlager, sondern um die Frage der Mitbestimmung der Bevölkerung des Kantons Zürich, zu dem
Benken gehört.
Mit dieser Entscheidung steht dem Endlager für hochradioaktiven Müll bei Benken keine gesetzliche Hürde mehr im Wege. Doch die Bürgerinitiative will
nicht aufgeben. Sie kündigte eine Volksinitiative für demokratische Mitsprache bei atomaren Endlagern an. Ihr Sprecher, Jean-Jaques Fastnacht stellte
das Demokratieverständnis derer in Frage, die "in einer solch wichtigen Frage das Volk entmündigen."
Wie fast alle Atomanlagen der Schweiz liegt auch der Standort für das geplante Endlager, Benken, an der Grenze zu Deutschland. (Siehe die Karte im
Artikel 'Hier strahlt die Schweiz'.)
Es eine bei allen ach so mutigen Atomnationen durchgängige Praxis, ihre AKWs, Uran-Anreicherungsanlagen u.s.w. bevorzugt an den Grenzen zu den
Nachbarländern anzusiedeln. Am Hochrhein ballen sich bereits mehrere AKWs, ein Zwischenlager und eine atomare Forschungsanstalt.
Argumentiert wurde im Züricher Kontonsrat insbesondere damit, daß es sich um ein rein "nationales Schweizer Projekt" handele. Dies wird vom BUND
scharf kritisiert: "Von den Gefahren eines atomaren Endlagers am Rheinfall bei Schaffhausen
sind nicht nur die Menschen in der Schweiz und im Kanton Zürich betroffen", so Axel Mayer vom BUND.
Spätestens Tschernobyl habe "gezeigt, dass die atomaren Gefahren an Nationalstaatsgrenzen
nicht haltmachen. Was ist mit den direkt betroffenen Menschen auf der
badischen Rheinseite und mit den Menschen, die ihr Trinkwasser von
Schaffhausen bis Rotterdam aus dem Rhein beziehen? Sie wären von einem
undichten Endlager eher stärker betroffen als die Kantonsräte in Zürich."
Auch Alfons Brohammer, Bürgermeister der deutschen Nachbargemeinde Jestetten, die nur rund einen Kilometer entfernt liegt, kritisiert: "Die Schweiz
versucht den Weg des
geringsten Widerstands, man platziert die Hälfte der Emissionen beim
deutschen Nachbarn, um vielleicht weniger Widerstand oder Probleme im
eigenen Land zu haben." Bürgermeister Brohammer hofft jetzt auf den Gerichtsweg und führt die
Entscheidung des höchsten Schweizer Gerichts gegen den Züricher
Flughafen an: "Das Bundesgericht in Lausanne hat dabei festgestellt, dass die
Belange der betroffenen deutschen Gemeinden zu berücksichtigen sind. Wir gehen
davon aus, dass dies analog auch wohl für ein Atommüllendlager gelten würde".
Die Problematik der Endlagerung radioaktiver Abfälle überschreitet nicht nur im Hinblick auf die Gefahren nationale Grenzen, sondern auch im Hinblick
auf den Weiterbetrieb der europäischen AKWs, die von AKW-Gegnern schon mit fliegenden Jumbojets verglichen wurden, für die noch keine Landebahn
gebaut ist. Auf die eingangs zitierte Äußerung des Nagra-Chefs Issler hin, meinte die Kantons-Rätin Käthi Furrer: "Ich glaube persönlich, dass sich die
Nagra das ernsthaft überlegt, weil es allein für die
Schweizerischen Atommüll- mengen eigentlich sich nicht lohnen würde ein solches
Lager zu bauen." Je größer die Nachfrage der europäischen AKW-Betreiber, desto lukrativer könnte ein gesamt- europäisches Endlager werden. Und je
mehr Geld im Spiel ist, desto leichter werden bekanntlich Bedenken beseite gewischt.
Doch schon einmal war es gelungen, Atompolitik per Abstimmung zu Fall zu bringen. In Nidwalden wurde so ein geplantes Lager für mittelradioaktive Abfälle verhindert.
Dabei ist längst offensichtlich, daß die gesamte Schweizer Geologie nicht für Endlagerung hochradioaktiver Abfälle geeignet ist. Nur weil alle Probebohrungen
in härterem Gestein wie z.B. Granit, negativ ausfielen, wich die Nagra auf den anfänglich als ungeeignet eingestuften Opalinuston aus. Seismische
Untersuchungen und Probebohrungen seien nunmehr abgeschlossen und der Endbericht über die Ergebnisse werde demnächst dem Parlament übergeben.
Geforscht wurde ebenfalls beim Autobahnbau.
Im Jura wurde bei Tunnelarbeiten eine Opalinustonschicht entdeckt, die wegen Schieflage nach oben kommt. Ein Labor wurde eingerichtet und der Ton
auf seine Eignung untersucht. So wird der angebliche Schweizer Vorsprung bei der Endlagersuche begründet. Die Argumente der Kritiker gegen eine
Einlagerung in Sediment, denn darum handelt es sich bei Opalinuston, sind zumindest durch die bisherigen Veröffentlichungen der NAGRA nicht erschüttert.
Klaus Schramm