9.02.2004

Klaus Uwe Benneter

Das Auftauchen eines realexistierenden Linken in der SPD

In den Massenmedien wird der neue ("designierte") SPD-General- sekretär Klaus Uwe Benneter als "SPD-Linker" propagiert. Gibt es nun plötzlich wieder Linke in der SPD-Bundestagsfraktion? Otmar Schreiner, Kopf und zugleich Emblem der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Fragen nach dem unbekannten Arbeitnehmer, war uns Anfang letzten Jahres schon einmal zusammen mit einer kleinen Gruppe von SPD-Bundestagsabgeordneten als "SPD-Linke" verkauft worden, die angeblich den Aufstand gegen die Agenda 2010 probten. Damals war Benneter nicht darunter. Vor Jahren sorgte sogar Gerhard Schröder im 'spiegel' einmal als einer der "drei äußersten Linken in der SPD" für Furore.

Um sich die Links-Qualität des Klaus Uwe Benneter einmal so richtig auf der Zunge zergehen zu lassen, genügt ein Blick in öffentlich zugängliche Archive:

Benneter wurde 1947 geboren und studierte an der FH Berlin Jura. Von 1972 bis 1977 war er Dozent an der Fachhochschule für Wirtschaft Berlin, 1975 erlangte er die Zulassung zum Rechtsanwalt.

Und mit 30 Jahren wurde er Nachfolger der "roten" Heidemarie Wiezcorek-Zeul als Juso-(dh. JUNGsozialisten)-Vorsitzender. Der gegen ihn unterlegene "gemäßigte" Kandidat war: Otmar Schreiner. Selbst ein Gerhard Schröder bezeichnete sich damals als "Marxist". Benneter und eine Fraktion innerhalb der Jusos vertraten eine krude Theorie mit dem Titel StaMoKap. Die war aber nicht mal ihre eigene Erfindung, sondern stammte aus Frankreich. Damals gab es in der bürgerlichen Medienöffentlichkeit immerhin noch politische Diskussionen und die StaMoKap-Theorie war zeitweise ein breit erörtertes Thema. Im Gegensatz zu Schröder und Schreiner, die heute damit kokettieren, sich nie ernsthaft für Theorie interessiert zu haben, brachte die StaMoKap-Fraktion immerhin ein gemeinsames Buch zustande: "Herforder Thesen. Zur Arbeit von Marxisten in der SPD" (1980).

Sie beschrieben in einer Art politischer Science Fiction die Herausbildung großer Konzern-Monopole im Zeitraffertempo. Diese seien dabei, den bürgerlichen Staat zu ihrem Instrument zu machen (eine seltsame Verballhornung der Theorie von Johannes Agnoli, der das gesamte parlamentarische System als eine von Anbeginn angelegte und immer mehr optimierten Interessenvertretung der wirtschaftlichen Macht beschrieb). Ganz "dialektisch" interpretierten sie diesen Staat zugleich als idealen Bündnispartner für "sozialistische Kräfte", um gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen einen Kampf gegen Monopolbildungen zu führen ("antimonopolistische Bündnisse"). In der zunehmenden Einbindung des Staates in die Wirtschaftslenkung durch keynesianische Konjunkturpolitik sahen sie eine immer stärkere Instrumentalisierung des Staates und zugleich die Chance, die kapitalistische Ökonomie dem politischen Zugriff zu unterwerfen. Dies könne die Möglichkeit für reformpolitische Veränderungen eröffnen, noch bevor die "Systemschwelle", ein Baustein marxistischer Theorie, den sie nicht in Frage stellen wollten, überwunden werden könnte. Und diese Systemschwelle könnte wegen der offensichtlichen Schwäche der Arbeiterklasse erst in ferner Zukunft überwunden werden.

Die Fixierung auf den Staat und auf mächtige Konzerne, die ihnen selbst als imaginierte "sozialistische Kräfte" ohne reale Basis in die Hände fallen sollte - so die Hoffnung - offenbart die autoritäre Denkungsart dieser StaMoKap-Fraktion. Nicht zufällig orientierten sie sich bei zugleich rein rhetorischer Kritik an mangelnder Demokratie an den Gesellschaften des Ostblocks mit ihrem "realexistierenden Sozialismus". Begriffe wie "Vergesellschaftung der Produktionsmittel" und "demokratische Planung" blieben so notwendiger Weise vage und wurden nicht der Kritik unterzogen. Hier lagen auch die Anknüpfungspunkte zu DKP und SEW, bei denen es nicht zufällig ebenfalls AnhängerInnen diverser StaMoKap-Theorien gab. Der Hauptunterschied lag allerdings darin, daß die StaMoKap-Jusos immerhin so realistisch waren, zu erkennen, daß es in Deutschland keine Arbeiterklasse mehr gab oder eine solche zumindest nicht als revolutionäres Objekt ausgemacht werden konnte. Diese Erkenntnis begründete wiederum - trotz aller anti-kapitalistischen Rhetorik - deren reformistische und gewerkschaftliche Orientierung.

Daß die StaMoKap-Jusos ins Schußfeld der SPD-Führung gerieten und Benneter kurz nach seiner Wahl zum Juso-Vorsitzenden 1977 aus der SPD ausgeschlossen wurde, ist ebenso wie die Berufsverbots-Politik nicht rational zu begründen und stand in keinem Verhältnis zur Bedeutung dieser Gruppierung. Es ist allein aus einem blindwütenden Anti-Kommunismus der SPD-Führung heraus zu erklären. Wolfgang Roth, Vorgänger der "roten Heidi" im Juso-Vorsitz, hatte Benneter bezeichnender Weise - und zugleich bezeichnender Weise erfolglos verteidigt: "Benneter wäre aus der SPD längst herausgeflogen, wenn er wirklich Kommunistenfreund wäre. (...) In den Jahren seiner politischen Tätigkeit hat Benneter sich in überzeugender Weise gegen Kommunisten und deren Strategie und Ziele ausgesprochen."

Für die in dieser Zeit entstehende Anti-AKW-Bewegung und den gewerkschaftlichen Kampf um die 35-Stunden-Woche waren die Auseinandersetzungen zwischen SPD und Jusos völlig belanglos und die StaMoKap-Theorie geriet in kürzester Zeit in Vergessenheit. Dennoch hatte die Zuchtrute der SPD-Führung weitgehende Folgen. Die Jusos waren danach völlig handzahm und bar jeden verbalradikalen Glamours. Und ein Jahr darauf, 1978, wurde der schon damals an nichts anderem als der eigenen Karriere interessierte Gerhard Schröder Vorsitzender der Jusos. Er war also Nachfolger des zunächst gegen Benneter unterlegenen und völlig blassen Otmar Schreiner. Bei eben diesem Juso-Kongress war Klaus Uwe Benneter als Gast zugegen. Geplant war, daß er eine kurze Rede halten sollte. Dies veranlaßte die SPD-Führung, sofort mit der Abtrennung des gesamten Verbandes zu drohen. 1961 hatte die SPD schon einmal entsprechendes exerziert und den SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenverband) geschaßt: Die Mitgliedschaft im SDS wurde als "unvereinbar" mit der SPD-Mitgliedschaft erklärt. Schröder lenkte sofort ein und der Redebeitrag von Benneter entfiel.

1983 wurde Benneter mit Unterstützung von Gerhard Schröder wieder in die SPD aufgenommen. 1985 erreichte Benneter seine Bestellung zum Notar. Und innerhalb der Berliner SPD - dem Extrembeispiel rechten Filzes in der gesamten Bundes-SPD - erklomm Benneter Stufe um Stufe der Karriereleiter. Auch er - wie erst recht Schröder - kein 68-er. Aber dennoch auf dem "Marsch durch die Institutionen": Schatzmeister der berliner SPD, stellvertretender Landesvorsitzender, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses von 1999 bis 2002. Und bei der Bundestagswahl 2002 wußten die Bewohner im Nobelviertel Steglitz-Zehlendorf besser als die bundesdeutsche Öffentlichkeit heute, was von dem ehemaligen "Bürgerschreck" zu halten ist: Sie wählten ihn mit 40,8 Prozent, so daß er mit komfortablem Direktmandat in den Bundestag einziehen konnte.

 

Harry Weber

 

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