28.04.2001

Leserbrief

Offenbarungseid
der Castor-Technologie

Betrifft: BLG zum Druck im Castor

Es ist schon abenteuerlich, was die BLG als Erklärung zur Blähung im Castor der Öffentlichkeit zumutet. "Die Schrauben waren zu fest angezogen. Das System war zu dicht." Jeder Lehrling in einer Autowerkstatt weiß, dass bei der Befestigung des Rades die Radmuttern mit dem vorgegebenen Drehmont angezogen werden müssen. Nur in der Atomindustrie, so die BLG ist die Befestigung von Schrauben offenbar dem Zufall erlassen.

"Der Überdruck habe nur 1,3 bar ausgemacht."
Bei diesem Überdruck hat sich allerdings eine Stahlplatte mit 25 mm Dicke sichtbar verformt, laut Pressemeldung. Da lobe ich mir unsere Wasserleitung. Denn die hält ohne sichtbare Verformung 4 bar Überdruck aus. Bei einem Überdruck von 1,3 bar haben Stahlschrauben ruckartig nachgegeben, die zum "pupsenden" Geräusch bei der Freisetzung der unter Druck stehenden Gase führte. Da lobe ich mir die mechanische Stabilität meines Gartenschlauchs. Im Gegensatz zu den Stahlschrauben am Castor ist er mechanisch einem Überdruck von 4 bar gewachsen.

Die Erklärung der BLG ist die Lachnummer des Jahres und zeugt vom geballten technischen Sachverstand. Auch eine zukünftige Lösung hält die BLG bereits bereit: Es wird ein Entlüftungsventil in die Bodenplatte eingebaut. Dieser Schnellschuss ist nicht durchdacht. Er kann möglicherweise zur Umgehung des überwachten Doppelbarrieresystems führen.

Dieser Zwischenfall und die Erklärungen der Atomindustrie sind als Offenbarungseid der Castor-Technologie zu werten. Auch die kürzlich erlassenen Änderungsgenehmigungen für die Zwischenlager Gorleben und Ahaus belegen diese Einschätzung. So wurde die zulässige Wärmeleistung, die der hochradioaktive Müll im Castor durch Strahlung erzeugt, bei der Bauart Castor V/19 um 36 % und bei der Bauart V/52 gar um 70 % reduziert (nach TÜV-Gutachten). Nur beim HAW 20/28-Behälter, dem das gleiche Konstruktionsprinzip zugrunde liegt, wurde keine Reduzierung vorgenommen. Wahrscheinlich ist dieser Umstand auf politische Weisung zurückzuführen. Denn dann hätten die Franzosen veranlassen müssen, die bereits beladenen Behälter wieder zu entladen. Die schwerwiegende Fehleinschätzung der Gutachter (TÜV, BAM, BfS) wurde erst nach der Beladung erkannt. Die fällige, international registrierte Bankrotterklärung deutscher Sicherheitstechnologie konnte und wollte man offensichtlich nicht abgeben.

Die bestehenden Risiken, die von den bereits eingelagerten Castor-Behältern ausgehen, können derzeit nicht beurteilt werden. Der radiologisch unbedeutende Zwischenfall stellt jedoch die Langzeit- und Unfallsicherheit der Behälter grundlegend in Frage. Zu fordern ist, dass kein Castor vor der restlosen Aufklärung des Vorfalls mehr beladen oder transportiert wird. Die Ursachen müssen aufgedeckt und die bestehenden Risiken sicher abgeschätzt werden. Mit dieser Aufgabe sind unabhängige Gutachter zu betrauen, Gutachter, deren Unfähigkeit offenkundig geworden ist, sind davon auszuschließen.

 

Udo Jentzsch
Tießau

 

neuronales Netzwerk