7.11.2007

Ein 900-Milliarden-Dollar-Loch?

Kein Ende der Banken-Krise in Sicht

Die größte US-Bank Citigroup mußte am Montag den Rekordbetrag von 17 Milliarden US-Dollar abschreiben. Doch auch nach diesem Finanz-Debakel ist nach Ansicht von ExpertInnen das tatsächliche Ausmaße der Banken-Krise noch längst nicht absehbar.

Der frühere Chef der Fed, Alan Greenspan, nannte bei einer Veranstaltung in Tokio eine Summe von rund 900 Milliarden US-Dollar schlecht gesicherter Hypotheken, die auf den internationalen Kapitalmärkten verbrieft worden seien. Der Chef des weltgrößten Rentenfonds PIMCO, Bill Gross, sprach von einem "Eine-Billion-Dollar-Problem". Auch renommierte Finanzexperten wie der Milliardär George Soros und der Chef der britischen Zentralbank, Mervyn King, stimmen darin überein, daß bislang nur die Spitze des Eisbergs sichtbar geworden sei. Soros erklärte zudem dieser Tage in New York, die Fed unterschätze die Folgen der Krise für die US-Konjunktur. Die USA stünden vor einem größeren Abschwung als dies Fed-Chef Ben Bernanke erwarte.

Bereits am 6. September war allerdings zu erkennen, daß sich ein Kreditstau von über 300 Milliarden US-Dollar gebildet hatte. Es handelt sich dabei um Kredite, die vor dem Zusammenbruch des Markts in Form von Schuldverschreibungen an Investoren weitergereicht werden konnten. Der größte Kredit-Stau hat sich nun bei der US-Investmentbank JP Morgan mit 65 Milliarden US-Dollar angesammelt. Es folgen die Deutsche Bank mit 32 Milliarden und die Citigroup mit 25 Milliarden US-Dollar. Daß die von den verschiedenen Banken nach und nach genannten Abschreibungen kaum die Realität abbilden, liegt nicht allein an der branchenüblichen Diskretion, sondern auch daran, daß der Markt für hypothekenbesicherte Papiere zusammengebrochen ist und der Wert der zumindest derzeit unverkäuflichen Ware nach den unterschiedlichsten Pi-mal-Dauen-Regeln geschätzt werden darf.

Mit der sogenannten Level-3 Methode können die Banken das wahre Ausmaß der Verluste verschleiern: So bewertet etwa JP Morgan Chase möglicherweise komplett wertlose Papiere mit 60 Milliarden, Bear Stearns mit 30 Milliarden und Lehmann Bros. mit 20 Milliarden US-Dollar. Völlig unübersichtlich - auch für die FinanzexpertInnen der Banken selbst - hatte sich der mehrstufige Weiterverkauf der in die unterschiedlichsten Wertpapier-Formen verpackten Kreditrisiken entwickelt.

Im Jahr 2006 erreichten Neuemissionen derartiger Papiere ein Volumen von 2,64 Billionen US-Dollar, im ersten Halbjahr 2007 waren es noch einmal 1,39 Billionen. Aufgrund der allmählich unübersehbar gewordenen Ausfallrisiken brach der Markt anschließend zusammen. Bei Merrill Lynch sank der Umsatz im dritten Quartal 2007 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 94 Prozent. Kreditverbriefungen im Nominalwert von mehreren Billionen US-Dollar sind zur Zeit nicht handelbar, es ist kein Marktpreis abrufbar.

Doch der Zusammenbruch des Marks für hypothekenbesicherte Papiere kann weitere Kreise ziehen. Mit weitaus größeren Risiken ist der Handel mit Derivaten behaftet. Dabei handelt es sich um Finanzprodukte, deren Preise sich nach den Kursschwankungen oder den Preiserwartungen anderer Investments richten. Derivate sind so konstruiert, daß sie die Schwankungen der Preise dieser Anlageobjekte überproportional nachvollziehen. Daher lassen sie sich sowohl zur Absicherung gegen Wertverluste als auch zur Spekulation auf Kursgewinne in bestimmten Zeiträumen verwenden.

Bei diesen Papieren ist die Citigroup nach JP Morgan Chase der weltweit zweitgrößte Akteur auf dem Markt. Das Derivate-Volumen der Citigroup beträgt gigantische 34,8 Billionen US-Dollar - das zweieinhalbfache des nominalen Bruttoinlandsprodukts der USA. Allein 2,93 Billionen US-Dollar beträgt die Summe der besonders risikoreichen Kreditderivate, denn dort sind Totalausfälle stets im Bereich des Möglichen.

Angesichts solcher Risiken nimmt es sich geradezu bescheiden aus, wenn JP Morgan Chase laut eigener Auskunkt damit rechnet, daß die Abschreibungen von an Hypotheken gekoppelten Wertpapieren bis zu 200 Milliarden US-Dollar erreichen können. Die Finanzwirtschaft habe mindestens 60 Milliarden US-Dollar Verluste noch nicht bekanntgegeben, sagte Analyst Christopher Flanagan am Montag. Er verwies auf ABX-Indizes, die auf Hypotheken für Wohnimmobilien basieren. Nur 30 bis 40 Milliarden US-Dollar Verluste im Zusammenhang mit Zahlungsausfällen von Schuldnern seien bisher in den Firmen-Berichten enthalten. Mindestens 100 Milliarden kämen wohl noch von Banken, Hypothekenversicherern und Wertpapierhandelshäusern. 60 bis 70 Milliarden US-Dollar seien bisher nicht zuzuordnen.

Und eine weitere Steigerung der Banken-Krise zeichnet sich bereits ab. Während seit Wochen über das Platzen der britischen Immobilien-Blase geredet wird, ist dies in Spanien offenbar gerade eingetreten: Die Preise für Häuser und Wohnungen beginnen zu purzeln. Und zugleich ist die Inflationsrate in Spanien in nur einem Monat um fast einen Prozentpunkt auf 3,6 hochgeschnellt.

In den USA hat sich die Zahl der Zwangsversteigerungen von Häusern wegen der Zahlungsunfähigkeit ihrer BesutzerInnen im dritten Quartal bereits auf 446.700 gegenüber dem Vorjahresquartal verdoppelt.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

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