20.05.2011

Polizei versenkt Piratenpartei
Server beschlagnahmt

Piratenschiff versenkt Server der 'Piratenpartei' wurden von der Polizei beschlagnahmt. Die gesamte Kommunikation der Partei kam zum Erliegen. Die PiratInnen bezeichnen die Aktion, die dem Vernehmen nach auf ein französisches Amtshilfe-Ersuchen zurückgeht, als überzogen. Der völlige Blackout ist für die PiratInnen, die einen Ruf als IT-ExpertInnen zu verteidigen haben, äußerst peinlich.

Laut 'Piratenpartei' hatte die Staatsanwaltschaft Darmstadt der Polizei den Auftrag erteilt, "eine Vielzahl" von Servern zu beschlagnahmen. Der Blackout der Piraten-Internetseiten und der internen eMail-Kommunikation zeigt zugleich, daß sich die Partei entgegen den in der Hackerszene verbreiteten Usancen und auch trotz der Erfahrungen, die Wikileaks in den vergangenen Monaten hatte machen müssen, allein auf Server in Deutschland stützte. Offenbar richtete sich die Polizei-Aktion gegen eine Kommunikationsplattform der PiratInnen, auf der ein sogenannter SSH-Key veröffentlicht sein soll, der zu einem Angriff auf einen Server des französischen Strom-Konzerns EdF gedient habe. Durch die Polizei-Aktion sollten angeblich Informationen über die UrheberInnen der Angriffs auf die EdF gewonnen werden. Die EdF betreibt in Frankreich 19 Atomkraftwerke mit insgesamt 58 Reaktoren.

Der Polizei-Aktion ist jedoch vermutlich zwecklos, da die Kommunikation bei der 'Piratenpartei' automatisch anonymisiert wird. Dies deutet darauf hin, daß das Versenken der 'Piratenpartei' - kurz für der für das Überleben der Partei in der BRD entscheidenden Wahl in Bremen - politische Hintergründe hat. In Internet-Foren wurde die rhetorische Frage gestellt, wann zuletzt die "BILD-Zeitung" von einer Razzia betroffen war oder wann zuletzt Konten der "Schwarzen" wegen Schwarzgeld-Verdacht von der Polizei durchforstet wurden. Offenbar kam es bereits innerhalb weniger Stunden zu Rache-Aktionen symphatisierender Hacker: So mußten Internet-Seite des Bundeskriminalamtes und der Polizei am Nachmittag unter DDoS-Attacken einen Blackout verzeichnen.

Die 'Piratenpartei Deutschland', die bislang im Gegensatz zu ihrer Schwesterpartei in Luxemburg auch nicht zu einem Boykott der Volkszählung aufgerufen hat, distanzierte sich umgehend von den Gegen-Angriffen. Der Partei-Vorstand gab bekannt, er werde im "Rahmen seiner gesetzlichen Verpflichtungen zur Aufklärung der durch die französischen Ermittlungsbehörden erhobenen Vorwürfe beitragen." Die Zugänge zur technischen Infrastruktur der Piratenpartei seien daher – so weit es den Ermittlungszielen dient – zur Verfügung gestellt worden: "Damit soll die zielgerichtete Suche nach einzelnen Daten ermöglicht werden."

Zwei Tage vor der "Bürgerschaftswahl" (Landtagswahl) in Bremen trifft der Zusammenbruch ihrer Infrastruktur die 'Piratenpartei' hart: "Das ist für uns ein sehr schwerer Schlag," erklärte der erst am vergangenen Wochenende neugewählte Parteichef Sebastian Nerz. Es sei nun sehr schwierig, Wahlkampf-Veranstaltungen im Bremen, an denen Mitglieder aus dem ganzen Bundesgebiet teilnehmen wollten, zu koordinieren. Nerz kritisierte die Polizei-Aktion als "überzogen", es sei "politisch ein massiver Schaden angerichtet" worden. "Es wäre möglich gewesen, die Daten sicherzustellen, ohne die gesamte IT vom Netz zu nehmen," sagte er. Nerz sieht seine Partei als "Opfer der Unfähigkeit von Behörden."

 

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