6.06.2011

Vorratsdatenspeicherung
Schünemann bestätigt KritikerInnen

Ich will deine Daten Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann bestätigte, daß die Vorratsdatenspeicherung keine erkennbaren Auswirkungen auf der Aufklärung von Internet-Verbrechen hat. Laut Arbeitskreis Vorratsdaten- speicherung, einem Zusammenschluß von Datenschutz-AktivistInnen, mußte damit "einer der schrillsten Befürworter einer Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungsdaten in Deutschland" erstmals eingestehen, daß die im März 2010 vom Bundesverfassungsgericht verfügte Aufhebung der Vorratsdatenspeicherung ohne negativen Einfluß auf die Verbrechensbekämpfung geblieben ist.

Schünemann hatte sich ebenso wie eine Reihe profilierter "schwarzer" ParteifreundInnen stets vehement für die Wiedereinführung der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung eingesetzt. Nun mußte er die Argumentation der KritikerInnen bestätigen, wonach die Aufhebung der Vorratsdatenspeicherung durch das Bundesverfassungsgericht ohne Einfluß auf die Aufklärung von Internet-Delikten geblieben sei. Der niedersächsische Innenminister sagte am 29. Mai vor dem niedersächsischen Landtag: "Erhebliche Auswirkungen im Hinblick auf die Aufklärungsquote bei Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Tatmittel Internet begangen wurden, sind für das Jahr 2010 nicht festzustellen." Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte die Vorratsdatenspeicherung im März 2010 ausgesetzt, da es die bis dahin gültige deutsche Umsetzung als verfassungswidrig beurteilte.

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung fühlt sich durch die Aussage Schünemanns in seiner schon seit Jahren vertretenen Ansicht bestätigt, daß die Vorratsdatenspeicherung nicht dazu geeignet ist, Internet-Delikte effektiv zu bekämpfen. "Daß Schünemann trotz seines Eingeständnisses weiterhin eine Vorratsdatenspeicherung fordert, zeigt, daß die BefürworterInnen dieses fehlgeschlagenen Experiments nur noch ideologisch argumentieren und nicht mehr in der Lage sind, die abweichende Realität zu akzeptieren," erklärt Armin Schmid vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung.

Nach offizielen Angaben wurde im Bereich der Internet-Kriminalität im Jahr 2008 eine Aufklärungsquote von 79,8 Prozent erzielt. Dies war vor Beginn der sechsmonatigen Vorratsdatenspeicherung im Internet. Nach Inkrafttreten des Internet-Speicherzwangs im Jahr 2009 sank diese Aufklärungsquote auf 75,7 Prozent. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung weist zudem auf eine gängige Falschdarstellung hin: Es treffe nicht zu, daß "wegen fehlender Vorratsdaten" keine Verfahren hätten eingeleitet werden können. Denn auf Telekommunikations-Daten darf stets nur im Rahmen bereits eingeleiteter Verfahren zugegriffen werden. Tasächlich jedoch sind im Jahr 2010 nicht weniger, sondern mehr Ermittlungsverfahren wegen Internet-Delikten eingeleitet worden als im Vorjahr mit Vorratsdatenspeicherung.

Weiter weisen die DatenschützerInnen darauf hin, daß trotz einiger anders lautender Medien-Beichte" das verfassungswidrige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung keinerlei Beitrag zu der Festnahme der mutmaßlichen Mitglieder einer Düsseldorfer Qaida-Zelle geleistet hat." Sie erklären: "Ende April 2010, als die Polizei zur Lokalisierung eines Verdächtigen einen Internetprovider um Auskunft über eine Internetkennung ersuchte, war das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung bereits seit Monaten außer Kraft. Dennoch konnte die Auskunft anhand von Daten, die von dem Telekommunikationsanbieter für Geschäftszwecke ohnehin gespeichert waren, erteilt werden. Im Verdachtsfall kann eine Datenspeicherung schon heute gezielt angeordnet werden, ohne daß dazu die Verbindungsdaten sämtlicher Menschen in Deutschland erfasst werden müssten. Die Beteiligten waren von der Polizei schon monatelang beobachtet worden und mußten früher oder später auffliegen. Daß eine Vorratsdatenspeicherung weiter geführt hätte, ist eine durch nichts belegte Spekulation von BKA-Präsident Ziercke, einem unverbesserlichen Befürworter einer Totalerfassung der gesamtgesellschaftlichen Kommunikation."

Die Vorratsdatenspeicherung habe "mit Terrorismus nichts zu tun", argumentieren die DatenschützerInnen. Es handele sich entgegen der gängigen Darstellung eben nicht um ein "Anti-Terror-Gesetz." Gerade im Bereich des Terrorismus erweise sich die Vorratsdatenspeicherung vielmehr als "nutzlos und leicht zu umgehen."

Dank des aktiven Einsatzes Tausender von BürgerInnen hatte das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 2. März 2010 das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung aufgehoben. Dennoch plant die "schwarz-gelbe" Bundesregierung die Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung in eingeschränkter Form. Die "gelbe" Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wirkte dabei bisher im Sinne des Datenschutzes als Bremserin. Im Internet haben über 50.000 Menschen einen Appell an Bundesinnenminister und Bundesjustizministerin unterzeichnet, demzufolge das "Recht auf ein selbstbestimmtes und privates Leben" aushöhlen würde, "wenn alle telekommunikationsbezogenen Standort- und Verbindungsdaten oder IP-Adressen protokolliert werden".

Für die Diskussion über das Thema sind neben den aktuellen Äußerungen Schünemanns auch wissenschaftliche Studien interessant, die ebenfalls zum Ergebnis kommen, daß die Vorratsdatenspeicherung keine Vorteile bei der Kriminalitätsbekämpfung bietet. Es erhebt sich daher die Frage, welche Interessen dahinter stecken, wenn sich gewisse PolitikerInnen und der Präsident des Bundeskriminalamtes trotz dieser Erkenntnisse weiterhin vehement für die Einführung der Vorratsdatenspeicherung einsetzen.

 

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