Staatsanwaltschaft bestätigt Vorwürfe Grässlins
und stellt dennoch Verfahren ein
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart bestätigte Vorwürfe des Daimler-Kritikers Jürgen Grässlin und stellte in ihren Ermittlungen "umfangreiche gesteuerte Graumarktgeschäft" bei Daimler fest. Dennoch stellte sie das Verfahren gegen Daimler-Chef Dr. Dieter Zetsche mangels Beweisen für dessen Kenntnis der Graumarktgeschäfte ein.
Bei Graumarktgeschäften wurden Neuwagen an den Vertragshändlern vorbei verkauft. Um in Zeiten schwacher Konjunktur die Überproduktion loszuschlagen, gaben die Auto-Konzerne oft hohe Rabatte und schädigten so die an sie gebundenen Vertragshändler. Graumarktgeschäfte sind nach Angaben aus der Branche bei allen Herstellern üblich - nur zugeben will es niemand. "An den Graumarktgeschäften wird sich nichts ändern - die Auto müssen angesichts der schwachen Konjunktur schließlich irgendwie verkauft werden", sagt ein Experte laut 'Welt' (20. Mai 2005).
2005 hatte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft in Verfahren gegen Zetsche, damals noch im zweiten Glied hinter dem im selben Jahr zurückgetretenen Jürgen Schrempp, überhaupt nicht eröffnen wollen. Zetsche war von 1995 bis 1999 als Mitglied des Konzern-Vorstands für den Vertrieb zuständig. Am 18. Dezember 2006 stellte Jürgen Grässlin, Autor eines kritischen Bestsellers über Schrempp, Strafanzeige gegen Zetsche sowie vier weitere Mercedes-Manager und -Händler. Grässlin wirft darin dem heutigen Konzern-Vorsitzenden Zetsche vor, als Zeuge vor dem Landgericht Stuttgart am 9. Dezember 2002 eine uneidliche Falschaussage getätigt zu haben. Eine aus seiner Sicht "geschlossene Beweiskette" präsentierte Grässlin dem Stuttgarter Staatsanwalt Eckhard Maak in einem umfangreichen Dossier am 6. August 2008.
Laut Mitschrieben von Prozeß-Beteiligten und Presseberichten hatte Zetsche bei seiner Zeugenvernehmung am 9. Dezember 2002 behauptet, in seiner Amtszeit als Vertriebsvorstand von 1995 bis 1999 habe es lediglich "in Einzelfällen" Graumarktgeschäfte gegeben. "Dagegen bestätigen die uns vorliegenden Daimler-Dokumente eindeutig, daß Graumarktgeschäfte damals zu Abertausenden in drei Viertel aller Niederlassungen der Region West erfolgten", so Grässlin-Anwalt Holger Rothbauer. Dies wird nunmehr in der Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 24. Februar 2009 im Wesentlichen als Ermittlungsergebnis bestätigt. Auch Zetsches Behauptung, als verantwortlicher Vertriebsvorstand habe er von alledem nichts gewusst, sei unhaltbar: "Herr Zetsche wurde damals von Jürgen Fahr, dem PKW-Vertriebschef Deutschland, schriftlich über Graumarktgeschäfte unterrichtet. Ein entsprechendes Schreiben liegt uns vor. Herr Fahr hat seine Aussage wiederholt öffentlich geäußert." Zudem habe der "Graumarktbeauftragte" Peter Christ alljährlich den Daimler-Vorstand, darunter Zetsche, mittels "Graumarktberichten" in Kenntnis gesetzt. Zu guter Letzt hatte Zetsche dem Spediteur Gerhard Schweinle, der als Daimler-Graumarkthändler genutzt wurde, persönlich den Zugang zu acht Luxuslimousinen vom Typ CL500 und CL600 aus dem Vorstandskontingent verschafft. "Dieser einmalige Vorgang ermöglichte Schweinle den Verkauf von 'Ladenhütern' im Paket mit den Luxusfahrzeugen ins Ausland", so Rothbauer.
Rothbauer erklärt die Einstellung des Verfahrens gegen Zetsche mit dessen Position als Daimler-Chef: "Hieße der Angezeigte nicht Zetsche und wäre er nicht Vorsitzender der Daimler AG, dann wäre es ihm ergangen wie jedem anderen Bürger." Der Tübinger Rechtsanwalt sieht im Vorgehen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft - nach dem Motto 'Alle wußten es, nur der Chef wußte nichts, deswegen ist er ja Chef" - eine verfehlte juristische Auslegung der Verantwortlichkeit von Zetsche.
Jürgen Grässlin hat seinen Anwalt bereits beauftragt, Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung einzulegen. Er hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß es einmal nicht nach dem Sprichwort läuft "Die Kleinen hängt man und die Großen läßt man laufen!"
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