27.11.2003

Dokumentation

Wasserkraft und Gewässerschutz
Eindeutig positioniert

Ist Wasserkraft umweltfreundlich? >>Ja<< sagen die Klimaschützer, >>nein<< die Gewässerschützer.
Der BUND hat nach langem Ringen einen Kompromiss gefunden.

Problem 1: Deutschlands Flüsse und Bäche sind heute stark verbaut - ihr Ausbau ist noch immer nicht zu Ende. Problem 2: Der Mensch hat begonnen, auch das Klima zu verändern, mit absehbaren dramatischen Folgen für Mensch und Natur. Zwei Symptome einer nicht nachhaltigen Wirtschaftsweise, und beides zentrale Anliegen des Umwelt- und Naturschutzes.

Doch wo passionierte Klimaschützer eine Perspektive auch im Ausbau der erneuerbaren Energie Wasserkraft sehen, treten Gewässerschützer einem weiteren Ausbau unserer Gewässer vehement entgegen. Auch und gerade im BUND scheinen diese Positionen mitunter unversöhnlich aufeinanderzuprallen.

Kein Zweifel: Wir müssen regenerative Energien fördern, um uns nachhaltig mit Energie zu versorgen. Unstrittig ist aber auch: Senken wir unseren Energieverbrauch und erhöhen wir die Energieeffizienz, ist dem Klimaschutz viel mehr geholfen. Leider ist dies in der umweltpolitischen Praxis, in der Öffentlichkeit und auch im BUND zuletzt in den Hintergrund getreten.

Worin besteht der Konflikt bei der Wasserkraft? Verfechter neigen verschiedentlich dazu, den Schutz unserer Flüsse und Bäche zu verniedlichen oder die ökologischen Folgen der Wasserkraft gering zu schätzen. Tatsache aber ist, dass sich Wasserkraftanlagen (WKAs) ganz erheblich auf unsere Gewässer auswirken.

WKAs müssen nämlich Flüssen und Bächen für ihren Betrieb viel Wasser entnehmen. Damit berauben sie sie gerade der Eigenschaften, die ein Fließgewässer ausmachen: Wechselnde Wasserstände, ein dynamisch sich veränderndes Flußbett, Grundwasserschwankungen, differenzierte Strömungsverhältnisse, Geschiebetrieb oder Durchgängigkeit speziell für wandernde Fische. WKAs stehen somit den Zielen der neuen Wasserrahmen- und der FFH-Richtlinie sowie vielen allgemeinen Naturschutzzielen entgegen. Schon gar nicht vertragen sie sich mit dem besonderen Biotopschutz, den das Bundesnaturschutzgesetz für Gewässer deutlich ausgedehnt hat. Dass Wasserkraft pauschal umweltfreundlich ist, wie man immer wieder zu hören bekommt, ist in dieser verallgemeinerung einfach falsch.

Naturschutz genießt Vorrang

Es muss beim Ausbau der Wasserkraft darum gehen, WKAs nur noch dort zu errichten, wo die ökologische Beeinträchtigung der Fliessgewässer vertretbar ist. Dabei sind auch geographische Zusammenhänge zu beachten: So leisten neue Windkraftanlagen in der norddeutschen Tiefebene derzeit 2 bis 3 Megawatt. Die allermeisten Kleinwasserkraftanlagen im Tiefland bringen es aber auf nur etwa 10 Kilowatt Leistung. Sprich: Ein einziges modernes Windrad unter Volllast ersetzt dort die Leistung von 200 bis 300 WKAs... Die BUND-Position >>Wasserkraftnutzung unter der Prämisse eines ökologischen Fliessgewässerschutzes<< stellt deshalb klar: >>Die Erhaltung natürlicher und naturnaher Flissgewässer oder die Renaturierung verbauter Gewässer hat Vorrang vor der Wasserkraftnutzung.<<

Dabei dürfen wir die Erweiterung der regenerativen Energiequellen nicht aus den Augen verlieren. Vor dem Hintergrund der Wasserrahmenrichtlinie rückt dabei folgende Frage ins Zentrum: Wo können wir WKAs rekonstruieren oder im Einzelfall gar neu bauen, ohne unsere Flüsse und Bäche weiter ökologisch zu schädigen? Dies wird meist nur dort sein, wo Gewässer bereits irreversibel verbaut wurden. Die Wasserrahmenrichtlinie fordert bis 2009 Bewirtschaftungspläne für Gewässer vorzulegen. Bis dahin müssen wir für jeden Einzelfall - und im Sinne der Richtlinie - entscheiden, wo wir WKAs unter Berücksichtigung des Gewässerschutzes mittragen können. Und nur dort darf sie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (wird derzeit novelliert) auch fördern.

Wir lassen es nicht zu, dass unsere Gewässer auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Energieversorgung weiter Schaden nehmen. Umgekehrt sollten sich Gewässerschützer nicht dazu verleiten lassen, das (wenn auch geringe) Potenzial der Wasserkraft ganz auszublenden.

 

Dr. Ralf Köhler

(stellvertretender Sprecher des BUND-Arbeitskreises Wasser)

 

 

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