RWE im saarländischen Ensdorf gestoppt
Eine Mehrzahl der BürgerInnen nimmt offenbar den Klimaschutz ernster als PolitikerInnen. Am Sonntag votierten bei einem Referendum im saarländischen Ensdorf rund 2.800 BürgerInnen gegen den Neubau eines Steinkohlekraftwerks mit 1.600 Megawatt Leistung und einem geschätzten Kohlendioxid-Ausstoß von jährlich 9 Millionen Tonnen. Damit haben 70 Prozent der TeilnehmerInnen die Pläne des Energie-Konzerns RWE durchkreuzt. Die Beteiligung lag ebenfalls bei 70 Prozent.
Doch nach wie vor erhält RWE von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundes-"Umwelt"-Minister Sigmar Gabriel volle Unterstützung für den Bau neuer Kohlekraftwerke. Insgesamt haben die Großen Vier - E.on, RWE, EnBW und Vattenfall, den Bau von 26 Kohlekraftwerken bis zum Jahr 2012 geplant, die jährlich rund 200 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen würden. Dies war bereits im August bekannt, als das "schwarz-rote" Kabinett auf Schloß Meseberg sich einen grünen Anstrich mit allerlei Klimaversprechungen zu geben versuchte. Die Unterstützung der Kraftwerkspläne wurde dort insgeheim bekräftiht - in der öffentlichen Darstellung aber kein Wort davon. Nach sieben Jahren "Rot-Grün" dürfte klar sein, ob das Unausgesprochene oder ob die Versprechungen realisiert werden.1
Bereits Anfang Juli war offensichtlich, daß beim Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland weiterhin de facto die Bremsen angezogen bleiben. Die Energie-Politik wird weiterhin von den vier marktbeherrschenden Konzernen E.on, RWE, EnBW und Vattenfall bestimmt und so muß damit gerechnet werden, daß weitaus größere Summen in neue Steinkohlekraftwerke oder gar Braunkohlekraftwerke investiert werden als in erneuerbare Energien.2
Und so ist nicht weiter verwunderlich, daß sowohl CDU als auch SPD im Saarland dem Bau eines Kohlekrkraftwerks in Ensdorf zustimmten. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller, der sich ansonsten gerne als besonders grün zu verkaufen sucht, hatte sich vehement für dieses Projekt eingesetzt. Und SPD-Oppositionsführer und Lafontaine-Zögling Heiko Maas, der das Großkraftwerk zunächst ebenfalls unterstützt hatte, führte angesichts des wachsenden Widerstands als politisches Chamäleon merkwürdige Farbwechsel vor.
Doch heute, Montag, mußte der Energiegigant RWE in Ensdorf eine Niederlage eingestehen. Der Bau des neuen Großkraftwerks wurde abgesagt. Der RWE-Vorstandsvorsitzende Jürgen Großmann reagierte "enttäuscht" über das Votum der Bevölkerung und Vorstand Ulrich Jobs meinte, daß es RWE nicht gelungen sei, die Menschen in der Region von den "Vorteilen" des mit zwei Milliarden Euro veranschlagten Projekts zu überzeugen.
RWE will dennoch nach eigenen Angaben bis 2012 allein in Deutschland über 7 Milliarden Euro in neue Kraftwerke investieren. Weitere 5 Milliarden sind für neue Erzeugungskapazitäten des Konzerns in Großbritannien und den Niederlanden vorgesehen. In Deutschland sollen in den kommenden zwei Jahrzehnten viele Großkraftwerke altersbedingt ersetzt werden.
Auf nichts anderes als Profitmaximierung geeicht, setzt RWE nach wie vor in erster Linie auf zentral leicht zu steuernde Mega-Blöcke wie Kohle- oder Atomkraftwerke. Am Ausbau der erneuerbaren Energien mit dezentralen Kleinanlagen hat der Konzern - wie die Praxis zeigt - kein Interesse. Noch 1993 hatte RWE erklärt, erneuerbare Energien könnten auch langfristig nicht mehr als 4 Prozent zur Stromerzeugung beitragen. Inzwischen haben sie trotz vielfältiger Behinderungen einen Anteil von rund 15 Prozent an der Stromerzeugung erlangt. Dabei handelt es sich überwiegend um Kleinanlagen in der Hand von Betreibergesellschaften, kleinen Unternehmen, Kommunen und BürgerInnen.
Welche Richtung die Politik trotz aller Klima-Rhetorik de facto beizubehalten gedenkt, zeigt die Novellierung des KWK-Gesetzes.3 Die umweltschonende Kraft-Wärme-Kopplung soll weiterhin per Gesetz ausgebremst werden. Dabei könnte Kraft-Wärme-Kopplung in dezentralen Anlagen eine Türöffnerfunktion für die erneuerbaren Energien erfüllen. Die beherrschende Marktstellung der Großen Vier wäre bei einem Anteil von KWK-Anlagen von über 50 Prozent an der Stromerzeugung wie es Dänemark bereits erreicht hat und von rund 40 Prozent wie in den Niederlanden leicht zu brechen - und kommunale Energie-Eigenbetriebe beispielsweise sind weitaus eher bereit, den erneuerbaren Energien eine Chance zu geben. Bei der nun anstehenden Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes durch "Schwarz-Rot" muß damit gerechnet werden, daß die bislang im Vergleich zur Subventionierung der Atomenergie mickrige Förderung der erneuerbaren Energien eher noch beschnitten wird.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
1 Siehe auch unsere Artikel:
Kabinettsklausur in Schloß Meseberg
Ein Gipfel an Klima-Heuchelei (25.08.07)
2 Siehe auch unsere Artikel:
Erneuerbare Energien
mit gebremstem Wachstum (8.07.07)
3 Siehe auch unsere Artikel:
Bundesregierung blockiert beim Klimaschutz
Kraft-Wärme-Kopplung per Gesetz ausgebremst (14.11.07)
Anstieg beim Kohlendioxidausstoß
Seit Jahren nur leere Versprechen (2.04.07)