23.03.2004

Artikel

Gas in der "freien"
Marktwirtschaft

Obwohl immer mehr Gas auf den europäischen Markt drängt, sinken weder die Preise für Gas noch kann es den Markt-Anteil von Heizöl schmälern - wie dies nach der Ideologie von der "freien" Marktwirtschaft der Fall sein müßte. Die Gaspreise sind nach dem Muster einer Planwirtschaft seit Jahrzehnten an die Heizöl-Preise gekoppelt. Was sind die Hintergründe?

Entgegen aller grün-gelb-schwarz-roten Propaganda gab es auf dem Gebiet der Energiewirtschaft keine Privatisierung. Sowohl im Elektrizitätsbereich als auch auf dem damit eng verflochtenen Mineralöl-Markt existieren nach wie vor monopolartige Strukturen. Der Strommarkt wird von vier großen Konzernen, E.on, RWE, EnBW und Vattenfall, beherrscht, die als Netzbetreiber das deutsche Stromnetz untereinander in vier Zonen aufgeteilt haben. Ökostromanbieter konnten in all den Jahren seit der "Privatisierung" gerade mal ein Prozent der bundesdeutschen Haushalte als Kunden gewinnen. Und von diesen 400.000 Haushalten wird gut die Hälfte von 'NaturEnergie' für dumm verkauft1. Nicht nur, daß dieses Schwindelunternehmen eine Tochterfirma von EnBW und damit mit dem Atomgeschäft verflochten ist - der in zwei großen Laufwasserkraftwerken am Rhein produzierte Strom wurde zuvor von EnBW und nunmehr mit "Dummenaufschlag" als Ökostrom vermarktet, ohne daß damit irgendein Zubau von erneuerbaren Energien oder sonstiger Umwelteffekt verbunden wäre. Die einzigen beiden bundesweit agierenden und vertrauenswürdigen Ökostromanbieter, die EWS Schönau und Grennpeace energy, versorgen dagegen gerade mal zusammen 50.000 Haushalte.

Und wie "frei" Kapitalismus funktioniert, ließ sich aktuell beim Prozeß um Ruhrgas vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht bewundern: E.on konnte ein Verbot der Fusionierung mit Ruhrgas mit Hilfe einer Weisung der "rot-grünen" Bundesregierung verhindern. Neun Beschwerden gegen die Fusionierung wurden zurückgezogen. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte mit dem Werkzeug einer "Ministererlaubnis" die Fusion abgesegnet. Damit ist die Monopolstruktur auf dem Gasmarkt weiter gefestigt. E.on und Ruhrgas können ihren Einfluß beim russischen Konzern Gazprom ausbauen, bei sinkenden Einkaufspreisen und gleichbleibenden Verkaufspreisen ihre Profite steigern und die Gaslieferungen aus Sibirien und vom Kaspischen Meer (neben dem Öl der zweite Grund für den Afghanistan-Krieg) durch ihre Rohre leiten.

E.on war selbst erst im Juni 2000 aus Veba und Viag durch eine Fusionierung entstanden - die bisher größte der deutschen Industriegeschichte. Und kurz darauf folgte eine weitere "Elefantenhochzeit": die Fusionierung des Berliner Stomkonzerns Bewag mit dem schwedischen Konzern Vattenfall, der den schwedischen Atom-Ausstieg (einmal per Volksabstimmung 1980, einmal vom schwedischen Reichtag 1997 beschlossen) hatte aushebeln können. Vattenfall ist inzwischen der drittgrößte der deutschen Stromkonzerne, beherrscht über eine Tochterfirma den Braunkohlebergbau in Brandenburg und zerstört dort eines der letzten Refugien der vom aussterben bedrohten Rotbauchunke.2

Die angeblich von der EU befohlene "Liberalisierung" des Energiemarktes ist nichts als Augenauswischerei. Die mittelständischen Heizölliefer-Firmen sind völlig in der Hand der großen Konzerne und müssen sich mit jedem Kauf eines neuen Tanklastzuges tiefer verschulden und in die Abhängigkeit treiben lassen. Längst sind diese Firmen Musterbeispiele von Scheinselbständigkeit. Würde der Gaspreis sinken, käme auch der Heizölpreis ins Rutschen und den jetzt schon ruinöse Konkurrenzkampf würden nur noch wenige wirtschaftlich überleben. Auf diese Weise sind sie ins Schweigekartell eingebunden.

 

Adriana Ascoli

 

Anmerkungen:
1 Siehe auch unseren Artikel
    'Ökostromanbieter im Vergleichstest' v.7.03.04

2 Siehe auch unseren Artikel
    'Hungerstreik für Lacoma' v. 19.03.04

 

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