2.06.2004

Müller-Milch
verklagt Greenpeace

Motto: Milch stinkt nicht trotz Gen-Futter

Nachdem Greenpeace versuchte, den größten deutschen Milch-Konzern, Müller-Milch, mit einer Kampagne unter Druck zu setzen, antwortet dieser mit dem Gang vors Gericht.

Hintergrund der ganzen Affaire ist das unzureichende Gentechnik- Gesetz aus dem Hause Künast. Nur solche Lebensmittel, die unmittelbar mit genmanipulierten Zutaten hergestellt wurden, müssen in Zukunft gekennzeichnet werden. Ein großer Teil der Gentech- Lebensmittel wird hingegen nicht zu erkennen sein: Fleisch, Käse, Joghurt, Eier und andere Produkte von Tieren, die mit genmanipulierten Futtermitteln gemästet wurden - und eben auch solche Milch. Und dies hat eklatante Folgen: Fällt das EU-weite Gen-Moratorium, können diese Futtermittel in Europa angebaut werden, gleichgültig welche Schokoriegel in die Einkaufskörbe wandern. 80 bis 90 Prozent aller weltweit angebauten Gen-Pflanzen werden als Tierfutter eingesetzt. Entsprechend gering ist der Einfluß der als VerbraucherInnen-Schutz propagierten Gen-Food-Kennzeichnung und somit einer "Abstimmung mit dem Einkaufskorb".

Die Kennzeichnung von Gen-Food soll die VerbraucherInnen in Sicherheit wiegen, während auf den Feldern Gen-Futter angebaut wird und jegliche gentechnik-freie Landwirtschaft in wenigen Jahren vor dem Aus steht. "Koexistenz" hat sich bereits in Argentinien, den USA und Kanada als Chimäre herausgestellt. Genmanipulierte Pflanzen verbreiten sich per Pollenflug, mit unfreiwilliger Hilfe von Bienen und durch Vermischung in landwirtschaftlichen Maschinen. Diese Gen-Kontamination ist - einmal in Gang gesetzt - nicht mehr zu stoppen und nicht mehr rückholbar. Und indem beispielsweise Milch von Kühen, die mit Gen-Soja und Gen-Mais gefüttert werden, in Zukunft frei verkäuflich ist, wird ein riesiger Markt geschaffen, der den Anbau von Gen-Futter in Europa lohnend macht.

Greenpeace hat nun in den letzten Wochen verstärkt Molkereien mit der Frage konfrontiert, wie sie es mit der Fütterung der Kühe halten. Die Ergebnisse werden permanent veröffentlicht und die Transparenz erzeugt Druck: Inzwischen haben laut Greenpeace 31 von 67 befragten deutschen Molkereien verbindlich erklärt, nur noch Milch von Kühen weiterzuverarbeiten, die nicht mit Gen-Pflanzen gefüttert werden. Als positive Beispiele wurden von Greenpeace die Molkereien 'Unser Land' und die drittgrößte Molkerei Österreichs 'Tirol Milch' in München präsentiert. Diese zeigten auf, wie sie die Fütterung umgestellt haben.

Die Umfrage unter Molkereien wurde für die vierte Auflage des Greenpeace-Ratgebers 'Essen ohne Gentechnik' durchgeführt, die am 26. Mai erschien. Darin wird die aktuelle Haltung von 450 Lebensmittelherstellern zu Gentechnik im Essen und in Futtermitteln übersichtlich aufgelistet. Von den ersten drei Auflagen des Ratgebers wurden bereits über eine Million Exemplare verteilt.

Die meisten Lebensmittelproduzenten wollen keine Lebensmittel anbieten, die Gentechnik enthalten. Doch 80 bis 90 Prozent aller Gen-Pflanzen gelangen durch die Mägen von Kühen, Schweinen und Hühnern in die Nahrungskette. "Unsere Umfrage zeigt, daß inzwischen knapp die Hälfte der befragten Molkereien keine Gentechnik mehr an Milchkühe verfüttern will", sagte Greenpeace Gentechnik-Experte Christoph Then in München. "Das ist ein wichtiger Erfolg für Greenpeace und die Verbraucher. Nun müssen endlich auch andere Hersteller von Milchprodukten erklären, keine Gen-Pflanzen mehr zu verfüttern, wenn sie nicht das Vertrauen der Verbraucher verlieren wollen."

Unter anderen weigert sich der größte Milchkonzern in Deutschland, Müller-Milch, auf gentechnik-freies Futter umzustellen. Zwar hat der Branchenführer am 21. April 2004 durch seine Anwälte verlauten lassen, alle "möglichen Maßnahmen" gegen Gen-Pflanzen im Futter eingeleitet zu haben. Doch Stichproben von Greenpeace und Rückfragen bei Landwirten zeigen, daß dies offensichtlich nicht der Wahrheit entspricht. Auch die im Jahr 2000 von Müller-Milch übernommene Molkerei Weihenstephan läßt weiterhin Gen-Pflanzen verfüttern. Metro scheint den alten Spruch der Römer "pecuna non olet" in das Motto umgewandelt zu haben: "Milch stinkt nicht trotz Gen-Futter".

"Weihenstephan setzt sein gutes Image aufs Spiel. Die Traditionsmarke wirbt mit Alpenmilch und weckt Vorstellungen von glücklich grasenden Almkühen - zugleich wird massenhaft Gen-Soja und Gen-Mais verfüttert. Hier werden Verbraucher in dem Glauben getäuscht, ein naturnahes Produkt zu kaufen", erklärt Then. Auf eine Fütterung ohne Gen-Pflanzen kann jederzeit umgestellt werden, es gibt ausreichend Anbieter gentechnik-freier Sojabohnen. Aus einem Gutachten der Universität Kassel im Auftrag von Greenpeace geht zudem hervor, daß die Milchwirtschaft nicht auf Soja angewiesen ist. Zu Gras und Heu kann beispielsweise Rapsschrot verfüttert werden, falls besonders hohe Milchleistungen erzielt werden sollen. Für Landwirte bietet Greenpeace eine aktuelle Liste von geeigneten Futtermittelherstellern im Internet an.

Greenpeace verstärkte den Druck auf Müller-Milch zudem durch eine Internet-Seite: www.muell-milch.de/mitmachen. Auf dieser offenen Seite finden sich inzwischen bereits über 1.500 Online-Beiträge mit frechen Sprüchen, Fotos und Gedichten gegen Müller-Milch. Nachdem Müller-Milch zunächst mit der wachsweichen Erklärung, "möglichen Maßnahmen" ergreifen zu wollen, auszuweichen versuchte, scheint der Konzern nun zum Gegenangriff überzugehen. Dieser Tage bekam Greenpeace eine schriftliche Nachricht von Müller-Milch: Die Kampagne soll per Gericht gestoppt und die Internet-Seite verboten werden.

 

Adriana Ascoli

 

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