23.05.2008

Coca-Cola, Kellog's, Nestlé & Co.

Zucker und Nebel für Profite

Coca-Cola, Kellog's und Nestlé & Co. gaben sich vorbildlich und starteten im Sommer im Sommer 2007 die "Initiative Ausgezeichnet informiert". Statt ihre KundInnen jedoch über den exobitanten Zuckergehalt ihrer Produkte aufzuklären, dient diese PR-Offensive dem alleinigen Zweck, ein bereits in anderen europäischen Ländern eingeführtes Kennzeichnungs-System bei Lebensmitteln zu verhindern.

Ampel oder Nebel

Als Alternative zur eingängigen und informativen "Ampel- Kennzeichnung" wird ein zahlenlastiges und schwer durchschaubares Kennzeichnungssystem der Industrie propagiert. Dessen wichtigste Funktion: Die Nährwertangaben sind so umständlich dargestellt, daß sich die tatsächliche Menge der Inhaltsstoffe Zucker, Salz und Fett gut verschleiern läßt. Ähnlich wie "Umwelt"-Minister Gabriel1 weiß auch sein Kollege Seehofer, auf welche LobbyistInnen und "Leih- beamtInnen" er hören muß - und so lehnt er eine "Ampel- Kennzeichnung" mit den Farben rot, gelb und grün wie in Großbritannien und anderen europäischen Ländern ab.

Die VerbraucherInnen-Organisation 'foodwatch' hat insbesondere Lebensmittel für Kinder genauer unter die Lupe genommen. So fand sie heraus, welches Wissen die "Initiative Ausgezeichnet informiert" zu vernebeln versucht. 80 Prozent der 32 untersuchten Lebensmittel bekämen einen roten Punkt für den überhöhten Zuckergehalt. "Kann das richtig sein für eine gesunde Ernährung von Kindern?" fragt Thilo Bode von 'foodwatch'.

Die Unternehmen wollen hinter unrealistischen Portionsgrößen und unübersichtlichen Zahlenangaben die Kritik von Ernährungs- wissenschaftlerInnen unsichtbar werden lassen. Und 'foodwatch' resümiert, der Industrie gehe es nicht um die Information der VerbraucherInnen, sondern um Marktanteile und Umsätze. Die Ampel hingegen lege offen, was wirklich in den Produkten steckt.

Laut Umfragen befürworten 55 Prozent der Deutschen eine "Ampel-Kennzeichnung" bei Lebensmitteln. Farblich gestaltete Angaben würden ihr Einkaufsverhalten beeinflussen. Zur Zeit gibt sich die "C"SU entgegen ihrem Parteimitglied Seehofer populistisch und forderte die farbliche Kennzeichnung. Bayerns Verbraucherschutz- minister Otmar Bernhard erklärte: "Niemand hat Lust, die Angaben auf der Rückseite mit einer Lupe zu entziffern, die angegebenen Portionsgrößen einzuschätzen oder sich durch einen unverständlichen Zahlenwust durchzuarbeiten." Doch vorhersehbar scheiterte der Vorstoß Bayerns bei einer Abstimmung im Bundesrat an der Unions-Mehrheit.

Das von Coca-Cola, Kellog's und Nestlé & Co. zwecks Vernebelung präferierte Kennzeichnungs-System wird als "Guideline daily amount" bezeichnet. "Mit ihrer Kennzeichnung will die Nahrungsmittelindustrie ihre stark zuckerhaltigen Produkte als wertvollen Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung erscheinen lassen," kritisiert Matthias Wolfschmidt von 'foodwatch'. Und Angelika Michel-Drees, Ernährungsexpertin von VZBV (Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.) erklärt: "Das ist nichts anderes als eine Schönrechnerei der Industrie, die damit Produktgruppen ein 'gesundes Mäntelchen' umhängen will, die sie eigentlich nicht verdienen."

Beim "Guideline daily amount" werden Portionsgrößen zugrundegelegt, die fern von jedem ralen Verbraucherverhalten sind. Denn um die Nährwertangaben möglichst gering zu halten, wird dem Verbraucher empfohlen, bei Erdnüssen und Chips nur eine winzige Handvoll von 25 Gramm zu essen, von der Tiefkühlpizza soll die Hälfte liegen gelassen und auch von Cola darf nur 25 Milliliter getrunken werden. "Das sind willkürlich gewählte Portionen, die darüber hinaus jede Vergleichbarkeit schwer machen", sagt Michel-Drees. Eine Einschätzung, die von vielen ErnährungsexpertInnen, etwa von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, geteilt wird. Die Lebensmittelindustrie sieht sich allerdings ungerecht behandelt: "Die Kritik entbehrt jeder Grundlage, dem Verbraucher ist beim Kauf einer Großpackung sehr wohl bewußt, daß diese nicht auf einmal verzehrt werden sollte", heißt es bei der "Initiative Ausgezeichnet informiert"."Die Portionsgröße soll eine Verzehrempfehlung sein - was der Verbraucher dann tatsächlich ißt, muß er selbst entscheiden", meint deren Sprecher Markus Altvater.

Auch Theo Spettmann spricht von "unverhältnismäßigen Forderungen" und einem "Nährwertkennzeichnungsregime". Die Ampelkennzeichnung sei nicht praktikabel, habe keinen belegbaren Nutzen und sei kostspielig. Spettmann ist Chef des Spitzenverbandes 'Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde' (BLL), der Lobby-Organisation der Lebensmittelindustrie. Tatsächlich geht es um gigantische Profite. Zucker ist als Rohstoff billig und zudem können mit ihm andere, teurere Rohstoffe ersetzt werden.

Im Juli 2007 stellte "Schwarz-Rot" ein "Nationaler Aktionsplan für gesunde Ernährung" vor. Er setzt eine von Seehofers Vorgängerin Künast im Sommer 2004 gestartete Kampagne fort, mit der angeblich etwas gegen das sich von Jahr zu Jahr stärker ausbreitende Übergewicht von Kindern und Jugendlichen erreicht werden sollte. Die Organisation 'foodwatch' merkte dazu bereits 2004 kritisch an: "Die Regierung scheut die harte Auseinandersetzung mit der Industrie. Statt Hersteller, Handel und Werbewirtschaft zu echter Produktverantwortung zu zwingen, versetzt das Haus Künast die Industrie in die komfortable Lage, nur unverbindliche Zusagen machen zu müssen." Anstatt eine "Alibi-Politik mit regierungsamtlichem Stempel" zu betreiben, sei es wichtig darüber zu debattieren, "wie gesunde Ernährung aussehen müsse und wie diese verbreitet werden müsse".

Tatsächlich sind heute über 20 Prozent der deutschen Kinder und 30 Prozent der Jugendlichen übergewichtig. Mit steigender Tendenz. Übergewicht führt für die betroffenen Kinder und Jugendlichen oft genug zusätzlich zur körperlichen Behinderung zu großen psychischen Problemen. Sie werden ausgestoßen und gehänselt und können in Mitten der allgegenwärtigen "fit for fun"-Mentalität kaum ein gefestigtes Selbstvertrauen entwickeln. Hinzu kommen gesteigerte Krankheitsrisiken. Bluthochdruck, Herzinfarkt, Diabetes und Überbelasung der Knochen korrelieren in hohem Maß mit Übergewicht. Immer mehr Kinder leiden beispielsweise an Krankheiten, die noch vor Jahren nur bei alten Menschen bekannt waren: Eine Studie der Berliner Charité brachte zu Tage, daß auffallend viele Kinder an Diabetes Typ 2 erkranken.

Schon heute betragen die durch falsche Ernährung bedingten Kosten mehr als 70 Milliarden Euro pro Jahr. 2,5 Milliarden Euro pro Jahr gibt die Ernährungsindustrie für Werbung aus. Davon entfällt laut 'foodwatch' rund ein Viertel allein auf Süßwaren.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unseren Artikel:

      "Umwelt"-Minister Gabriel macht den
      Coca-Cola-Vertreter in der Schule
      Was hat Coca-Cola wirklich mit Wasser zu tun? (24.04.08)

 

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