Nur wenige kleine Bio-Läden blieben konsequent und konnten der Verlockung des schnellen Geldes widerstehen.
Der Boom mit dem angeblichen Wunderheilmittel "Himalaya-Salz" versprach ihnen enorme Gewinnspannen. Doch
so richtig knackige Spannen von 600 Prozent* waren auch hier dem Zwischenhandel vorbehalten. Schwer machte
es den Bio-Läden zudem die eigene Kundschaft; war doch der Druck esoterisch angehauchter Klientel recht groß.
Dabei lag es auf der Hand, daß Salz, das um den halben Globus transportiert werden muß, mit Umweltschutz
nichts mehr zu tun hat. Doch leider ist bei vielen, die sich heute in der Bio-Szene tummeln, längst vergessen, daß
neben Gesundheitsvorsorge auch Umweltschutz eines der beiden ursprünglichen Motive war. Und gerade unter
EsoterikerInnen scheint Umweltschutz überhaupt nicht zu interessieren.
Doch was den lukrativen Handel mit dem "Himalaya-Salz" nun zum Stoppen brachte, ist nicht etwa das
Umwelt-Argument und die Sorge um das globale Klima: Das Salz stammt nicht einmal aus dem Himalaya,
sondern aus industriell ausgebeuteten Minen in Pakistan. Doch wo es um Wunder geht, spielen einige hundert
Kilometer offenbar keine Rolle.
Wie inzwischen publik wurde, stammt das "Himalaya-Salz" größtenteils aus Khewra, aus der zweitgrößten
Salzmine weltweit. Überraschender Weise - für denkende Menschen - wurden von keinem der Anbieter von
"Himalaya-Salz" je nachvollziehbare oder überprüfbare Herkunftsnachweise vorgelegt. Glaube versetzt ja
bekanntlich Berge - warum also nicht auch den Himalaya um einige hundert Kilometer?
Erschreckend ist allerdings, daß in diesem Fall die Mechanismen der Selbstkontrolle versagten. Besonders, nach
all den Umweltskandalen, bei denen die Naturkost-Branche bislang glimpflich davon kam, weil die Belastungen
meist aus konventionellem Anbau stammten oder Alarm gerade noch rechtzeitig gegeben werden konnte, um per
Rückruf-Aktion die Kundschaft zu schützen.
Dabei wäre die Information, daß das Salz nicht vom Himalaya stammen kann, leicht zu erhalten gewesen. "Es gibt
kein Salz im Himalaya", stellte Ludmilla Tüting, Redakteurin des vom 'Evangelischen Entwicklungsdienst' (EED)
herausgegebenen Infodienstes 'TourismWatch' bereits vor einiger Zeit klar: "Jahrhundertelang versorgten Karawanen
von den Salzseen der tibetischen Hochebene die Himalaya-Region mit Salz". Es gibt keine Salzvorkommen oder gar
Salzbergbau im Himalaya. Und von Hand - wie es so schön romantisch hieß - wird erst recht keines abgebaut.
Ebenso unglaublich sind die vielfach gepriesenen und vom Gewinn angeblich prozentual abgezweigten Spenden an
Kinderheime oder karitative Einrichtungen. Belege mit Spendenquittungen können nicht vorgelegt werden oder es
werden Fotos gezeigt, auf denen nichts zu erkennen ist. Dabei wäre in Pakistan für den Preis, der in Deutschland
für ein Kilogramm "Himalaya-Salz" bezahlt wird, jede nur denkbare Urkunde käuflich.
Eine besondere Rolle beim Esoterik-Boom um das angebliche "Himalaya-Salz" spielte das Buch von Peter Fereira
"Wasser und Salz", bei dem jedoch ebenso jede nachprüfbare Information fehlt. Begonnen hatte alles vor drei bis
vier Jahren mit Vorträgen von Fereira, der sich selbst als Direktor eines 'Institute of Biophysical Research' bezeichnet.
Kassetten der Vorträge fanden in der Esoterik-Szene wilde Verbreitung bis dann im Oktober 2001 das Buch erschien.
Geld gescheffelt wurde vom Umfeld Fereiras nicht allein mit dem Buch, sondern auch mit einer Zeitschrift gleichen
Titels und mit "Gütesiegeln", für die sich allerdings Fereira nicht verantwortlich fühlt.
Fereira selbst redet inzwischen von "Geschäftemacherei" - allerdings wohl nur, weil er sich mit der Mitherausgeberin
seiner Buches, der Ärztin Barbara Hendel, zerstritten hat. Ludmilla Tüting vom EED bezeichnet das Ganze als
"Esoterik-Abzocke". Der Schaden an Glaubwürdigkeit, den die Naturkost-Brache insgesamt erleidet, wenn sie sich
auf unglaubliche esoterische Heilsversprechungen einläßt, dürfte größer sein als die paar Millionen Euro, die einige
wenige dabei einsacken konnten.
Adriana Ascoli
Anmerkung
* Im Bioladen oder über den Versand bezogen kostete das "Himalaya-Salz" zwischen 10 und 25 Euro pro Kilogramm.
Beim Großhandel lag der Kilopreis zwischen 5,88 und 9,71. Branchenkundige wissen, daß Salz dieser Qualität (es muß
schließlich rosa sein) in größeren Mengen für weniger als 1 Euro pro Kilogramm frei Haus zu bekommen ist. Bekannt
geworden ist inzwischen auch, daß rosa farbenes Salz aus Polen zu noch weit günstigeren Einkaufspreisen als
"Himalaya-Salz" in Deutschland vermarktet wurde. Bessere Gewinnspannen mit mehr als dem 12-fachen der Investition
bleiben allerdings Staaten vorbehalten wie unser gestriger Artikel über die Tabaksteuer zeigt.