20.11.2000

Leserbrief
veröffentlicht in der Norddeutschen Rundschau
 
Karsten Hinrichsen
25576 Brokdorf

Gegen ein NPD-Verbot

zum Artikel "Der frühere Chefankläger sorgt sich nicht" von E. Maletzke in der NR vom 20.Nov.2000.

Ex-Generalbundesanwalt A. von Stahl ist ein beredtes Beispiel dafür, daß viele Juristen und Polizisten auf dem rechten Auge blind sind, so daß rechtsextremistisch motivierte Straftaten nur all zu oft ungesühnt bleiben.

  1. Doch die NPD zu verbieten, ist wegen verfassungs- rechtlicher Bedenken abzulehnen.

    1. Im Artikel 20 des Grundgesetzes heißt es: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." Dazu dienen die Parteien. Der Verfassungsrechtler Ingo von Münch hält ein Parteienverbot in einer freiheitlichen Demokratie für einen Fremdkörper. Ich stimme ihm zu. Die Richter am Bundesverfassungsgericht werden nicht von der Bevölkerung gewählt. Sie verfügen – streng genommen – über keine demokratische Legitimation, weil sie von den (großen) Parteien benannt werden. Auch wenn es nach Art. 21 GG möglich ist, bedeutet ein Parteienverbot einen schwerwiegender Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Selbst- bestimmung der Bevölkerung.

    2. Andere Parteien verbieten zu lassen, bedeutet für die verbleibenden Parteien einen Machtzuwachs (das Verbot der KPD in 1956 nützte der SPD, der CDU/CSU wird ein NPD-Verbot nützen). Nur noch ca. 60 % der Wahlberechtigten gehen zur Wahl. Das Demonstrationsrecht wird immer mehr einge- schränkt, so daß auch außerparlamentarische Minderheiten ihre Meinung immer schlechter zum Ausdruck bringen können. Deshalb befürchte ich, daß immer weniger Menschen über die Geschicke dieser Republik entscheiden (der bedenkliche Einfluß der Wirtschaftslobby kommt noch dazu) und daß Parteienverbote dazu mißbraucht werden können, die Macht von immer weniger Personen weiter abzusichern.

  2. Ein NPD-Verbot wird ausländerfeindlich motivierte Straftaten nicht verhindern

    1. Rechte Gewalt wird ja keineswegs nur von NPD-Anhängern verübt. Deren ausländerfeindliche Schläger werden sich eine neue politische Heimat suchen, z. B. in der DVU oder bei den Reps, oder neu gründen.

    2. Zur Ahndung von Gewalttaten mit rechts- extremistischem Hintergrund reicht das Strafgesetzbuch aus. Es muß nur konsequent angewendet werden. Nebenbei: Wenn Partei- mitglieder der CDU Straftaten begehen (Geld- wäsche, Spenden nicht offenlegen), wird ja auch nicht gleich die CDU verboten.

  3. Die Verschärfung der sozialen Krise und das Fehlen einer tragfähigen Zukunfstperspektive sind die eigentlichen Ursachen für Ausländerfeindlichkeit und rechtsradikale Parteien. Bei der Ursachenbekämpfung dieser Probleme sollten sich die im Bundestag vertretenen Parteien stärker engagieren statt mit einem Verbot der NDP nur deren Folgen zu bekämpfen.

 

Karsten Hinrichsen, Brokdorf

Geistes-Blitz-Werk