15.12.2003

Kommentar

Saddam Hussein gefangen
Grund zur Freude?

Es wäre kurzsichtig, anzunehmen, die Welt würde ein Stückchen besser, wenn der eine Verbrecher durch den anderen beseitigt wird. Dabei scheint es doch so offensichtlich zu sein: Ein Schurke weniger, der frei herumläuft. Denken wir an die Machtkämpfe zwischen Mafia-Bossen in den USA der 30er Jahre, wird schnell klar, daß bei diesem Konzentrationsprozeß die Macht der wenigen verbleibenden Verbrecher nur um so größer wurde.

Ist es eine Übertreibung, die US-Regierung mit der Mafia zu vergleichen? Sie maßt sich an, überall auf der Welt - versteckt hinter dem Begriff "Sicherheitsinteressen" - billigen Zugang zu allen Rohstoffen zu erhalten. Sie versucht im Interesse der globalen Konzerne die Märkte aller anderen Länder zu öffnen, während sie den US-Markt im Bedarfsfall durch Schutz-Zölle gegen Importe verschließt. Sie verweigert die Unterschrift unter das eh völlig unzureichende Klima-Protokoll von Kyoto und ruiniert mit einem CO2-Ausstoß, der den aller anderen Industrienationen weit hinter sich läßt, die Überlebens-Chance unseres Planeten. Und sie maßt sich skrupellos und mit seit Jahren wachsender Mißachtung der UNO die Rolle des Weltpolizisten und zugleich der Weltenrichters an.

Die US-Regierung hatte und hat es bisher nicht einmal nötig, Auskunft darüber zu geben, wohin Saddam Hussein gebracht wird, ob und von wem ihm der Prozeß gemacht wird und welche Legitimation ein solches Gericht hätte. Bei der heutigen Machtfülle der US-Regierung wäre es durchaus denkbar, daß Saddam Hussein auf Guantánamo interniert und niemals vor ein Gericht gestellt wird. Allzu peinlich könnten dessen - belegbare - Aussagen über seine Zusammenarbeit mit den US-Geheimdienst CIA werden. Doch auch das Sondergericht in Den Haag hat keinerlei internationale Legitimation. Die US-Regierung sperrt sich weiterhin gegen einem internationalen Strafgerichtshof, der auch dem alten Rechtsgrundsatz des 'nulla poena sine lege' (nicht: 'nullum crimen sine lege')1 genügen müßte, und vor dem Bürger der USA keine Sonderrechte hätten.

Diesmal hat es tatsächlich einen Schurken getroffen. Doch unumschränkte Macht führt auf geradem Wege in die Willkürherrschaft.

Der Glaube, daß mit dem weiteren Machtzuwachs der US-Regierung 'freedom and democracy' oder auch nur das Recht ein wenig gestärkt würde, ist eine gefährliche Illusion.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkung:
1 'nulla poena sine lege' = keine Strafe ohne Gesetz
    'nullum crimen sine lege' = kein Verbrechen ohne Gesetz

'nulla poena sine lege' schob historisch betrachtet der Willkür einen Riegel vor. Dieser Rechtsgrundsatz schließt aus, daß erst nach den in Frage stehenden Handlungen ein Gesetz zurecht gezimmert wird, das diese - im Interesse des Stärkeren - nachträglich kriminalisiert.

 

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