1.02.2009

Aktionismus
gegen Kinderpornographie
zielt auf Zensur des Internets

Im Visier ist das letzte Kommunikationsfeld für
freie linke Nachrichten

"Familienministerin" Ursula von der Leyen versucht aktuell ihre bisherige Untätigkeit gegen Pornographie mit populistischem Aktionismus zu überspielen: Ab März 2009 sollen Internet-Seiten mit Kinderpornographie blockiert werden.

Schon bisher ist nicht nur der Mißbrauch von Kindern strafbar, sondern auch die Verbreitung und der Besitz von Kinderpornographie. Wer also von im Ausland gespeisten Internet-Seiten kinderpornographische Fotos oder Filme auf seinen Computer lädt, macht sich strafbar. Ministerin von der Leyen hat nun die deutschen Internet-Provider unter Druck gesetzt, damit diese ihr zu einer nicht allein auf die Bundestagswahl im Herbst 2009 zielenden Aktion verhelfen. Anhand der Erfahrungen in skandinavischen Staaten ist jedoch schon heute erkennbar, daß eine Blockade von Internet-Seiten bei der Bekämpfung der Pornographie ebenso nutzlos ist wie das Montieren von Kameras an öffentlichen Plätzen bei der Bekämpfung von Kriminalität oder Terrorismus.

Beim Vorhaben von der Leyens geht es darum, ausländische Web-Angebote aus Staaten, wo Kinderpornographie entweder nicht verboten ist oder solche Verbote nicht wirksam durchgesetzt werden, zu blockieren. Künftig sollen deutsche Internet-NutzerInnen solche Seiten nicht mehr aufrufen können. Wer entsprechende Internet-Adressen eingibt, bekäme nur ein Stoppschild und eine kurze Begründung für die Sperrung zu sehen. Weil solche Anbieter häufig ihre Standorte wechseln, müßte das Bundeskriminalamt (BKA) täglich eine aktuelle Liste der zu sperrenden Seiten zusammenstellen.

Als erster Schritt ist nun geplant, die sieben größten Internet-Provider vertraglich zu verpflichten, den Zugang zu den Seiten der künftigen BKA-Kinderporno-Liste zu blockieren. Eine solche Maßnahme würde selbst bei einem gut geplanten Start lediglich 95 Prozent des deutschen Kinderporno-"Marktes" erfassen. Als zweiter Schritt müßte dann in den folgenden Monaten das Telemediengesetz geändert werden, um auch alle anderen deutschen Internet-Anbieter zur Sperrung der vom BKA gelisteten Seiten zu zwingen.

Erste Pläne hierzu hatte Ministerin von der Leyen schon im November verkündet. Mitte Januar traf sie sich mit den Verbänden der Internet-Wirtschaft, die ihre Bereitschaft zur Mitarbeit erklärten. Seither beraten die Internet-Provider und in einer Arbeitsgruppe mit RegierungsvertreterInnen über den genauen Inhalt der Regelung. Die TeilnehmerInnen wurden zu Stillschweigen verpflichtet. Bis Ende Februar soll die Vereinbarung mit den Providern stehen und wirksam werden. Und noch vor der Bundestagswahl im September soll das Telemediengesetz geändert werden.

Für die Internet-Firmen ist wichtig, daß es für die Sperrungen eine eindeutige Rechtsgrundlage gibt. Sie fürchten, sich ansonsten selbst strafbar zu machen, etwa wegen Verletzung des Fernmeldegeheimnisses. Außerdem wollen sie vor Schadensersatzforderungen sicher sein, falls Seiten geblockt werden, die gar keine strafbaren Inhalte aufweisen. Betroffene sollen sich, so die Forderung der Firmen, direkt ans BKA wenden können. Der Staat soll auch für Schadenersatz bei Fehlsperrungen aufkommen.

Von der Leyen verspricht zwar, daß sich die geplante Regelung nur mit kinderpornographischen Seiten befassen wird. Allerdings forderte BKA-Präsident Jörg Ziercke schon im Vorjahr, auch "fremdenfeindliche und antisemitische Inhalte" einzubeziehen - auch sie stünden auf unterster moralischer Stufe. Außerdem haben die Innenminister von Bund und Ländern angeregt, den Zugang zu illegalen Sportwetten und Lotterien zu sperren.

Alle diese Internet-Angebote würden keinem vernünftigen Menschen fehlen - doch die historische Erfahrung und die Praxis in totalitären Staaten wie beispielsweise China weisen darauf hin, daß eine schrittweise Einführung der Zensur im Internet auf eine Blockade der Verbreitung unabhängiger Nachrichten zielt.

Denn seit Langem ist bekannt, daß - ebenso wie Pornohefte im Zeitschriften-Kiosk unter der Ladentheke verkauft werden können - die Geschäftemacher der Kinderpornographie nicht auf KundInnen angewiesen sind, die zufällig auf solche Seiten stoßen. Sie verdienen an Süchtigen, die dem Porno-Angebot auch in zugangsgeschützte und teure Winkel des Internets folgen werden.

Auch in China sind für alle, die mit der Funktionsweise des Internet vertraut sind, sämtlich international verfügbaren politischen Inhalte erreichbar. Die breite Masse aber ist davon abgeschnitten.

Von der Leyen wird es mit ihrer Zensur-Initiative also keineswegs gelingen, das Geschäft mit der Kinderpornographie in Deutschland auch nur behindern. Nicht zufällig werden nun gleichzeitig Forderungen laut, den Zugang zu "politisch radikalen" Internet-Seiten zu sperren. Schon bald kann das Internet in Deutschland ebenso stark zensiert sein wie es bereits in China der Fall ist.

Und welche Absicht hinter dem Aktionismus Ursula von der Leyens steckt, läßt sich daran ablesen, daß sie bisher nicht damit aufgefallen ist, sich wirksam gegen Pornographie einzusetzen. Eine Bekämpfung der Ursachen oder präventive Maßnahmen scheinen ihr völlig fremd zu sein. So muß beispielsweise die Frage erlaubt sein, warum gerade so viele Priester mit Kinderpornographie erwischt werden.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Kinderarmut in Deutschland
      Verwirrspiel mit statistischen Zahlen (22.06.08)

      Kinderarmut in Deutschland mittelmäßig?
      Stärkere Umweltbelastung von Kindern der Unterschicht (27.05.08)

      Krebsstation Deutschland (31.03.2008)

      Jugendalkoholismus,
      Existenzangst und Klimakatastrophe (26.10.07)

      2,7 Millionen Kinder in Deutschland
      mit ALG II nicht ausreichend versorgt (13.08.07)

      Skandal: Hormon-Chemie in Baby-Nahrung und Kinder-T-Shirts
      (30.07.2007)

      Kinderarmut, Kinderbetreuungsplätze
      und die Unternehmenssteuerreform (4.06.07)

      UN-Studie: Deutschland Spitze in Kinderfeindlichkeit
      Stärkster Anstieg bei Kinderarmut (2.03.05)

      Chemie im Blut von Kindern (30.10.04)

      Nach wie vor werden in Deutschland
      Kinderrechte mit Füßen getreten (16.01.04)

 

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