9.05.2007

Artikel

20.000
Milchbäuerinnen und -bauern
demonstrieren für faire Preise

In ganz Deutschland haben am heutigen Mittwoch über 20.000 Milchbäuerinnen und -bauern vor rund 110 Molkereien für höhere Erzeugerpreise demonstriert. Mit dem gegenwärtigen Preis von 27 Cent pro Kilogramm konventionell erzeugter Milch (Bio-Milch erbringt 35 Cent) werden nicht einmal die Unkosten gedeckt. Die LandwirtInnen folgten einem Aufruf des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), der angesichts der unhaltbaren Zustände bereits an einen Lieferboykott denkt. Viele LandwirtInnen können das Futter schon nicht mehr bezahlen. Der BDM fordert einen Milchpreis von wenigstens 40 Cent pro Kilogramm - also rund einem Liter - Milch.

Mit den öffentlichen Protesten wollen die LandwirtInnen Druck auf die aktuellen Preisverhandlungen zwischen Molkereien und Lebensmitteleinzelhandel ausüben. Seit Jahren hat ein Verdrängungswettkampf im Lebensmitteleinzelhandel dazu geführt, daß insbesondere die Milchpreise nicht der allgemeinen Preissteigerung folgten, sondern statt dessen in den letzten 10 Jahren um 8 Cent sanken. Gleichzeitig stiegen für die LandwirtInnen die Betriebskosten.

Die Preisverhandlungen gingen nun nach Angaben des Landesbauernverbands Baden-Württemberg erstmals mit der Vereinbarung zu Ende, die Verkaufspreise für Milch und Milchprodukte um acht Cent und mehr zu erhöhen. "Es kommt jetzt darauf an, daß unsere Molkereien die durchgesetzten Preiserhöhungen zügig und in entsprechend gleicher Höhe an unsere Milcherzeuger weitergeben", verlangte der Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbands, Peter Kolb, in Stuttgart.

In Freiburg demonstrierten rund 400 LandwirtInnen vor dem Sitz der Molkerei Breisgau-Milch. Einige von ihnen waren mit Traktoren gekommen. Auch Kühe waren zu sehen. Bei der Molkerei OMIRA in Ravensburg versammelten sich nach Polizeiangaben etwa 250 LandwirtInnen. Zu Aktionen hatte der BDM unter anderem auch in Mannheim, Tübingen, Heilbronn, Schwäbisch Hall, Ulm und Rottweil aufgerufen.

Etwa 1.200 Bäuerinnen und Bauern demonstrierten bei heftigem Dauerregen vor drei Molkereien in der Region Chiemsee. "Wir wollen auch ein Stück vom Kuchen", stand auf einem der zahlreichen Transparente, "nicht nur die Brösel." Sepp Hubert, BDM-Kreisvorsitzender, rief bei der Molkerei Bergader in Waging unter dem Beifall der anwesenden BäuerInnen dazu auf, sich jetzt nicht mehr einschüchtern zu lassen: "Wir haben einen gerechten Lohn für unsere Arbeit verdient."

Unterstützt wurde Hubert von seinem österreichischen Kollegen Leo Steinbichler, dem stellvertretenden Vorsitzenden der IG Milch. Eigentlich müßten wir 45 oder 50 Cent fordern, sagte dieser. Die heutige Veranstaltung sei keine Gaudi, sondern ein ehrlicher Hilferuf. Die Schere zwischen Ertrag und Gestehungskosten klaffe immer mehr auseinander. Mit dem aktuellen Milchpreis gebe es keine Perspektive mehr für die junge Generation, und es dürfe nicht sein, daß die Alten gerade noch so ihr Dasein fristeten - nach dem Motto "Nach uns die Sintflut". Projekte in Österreich zeigten, daß die VerbraucherInnen durchaus bereit seien, zehn Cent mehr für die Milch zu bezahlen, wenn diese auch tatsächlich am Anfang der Vermarktungskette ankommen.

Ein Erzeugerpreis von 40 Cent je Kilogramm ermögliche den Höfen eine kostendeckende Milch-Erzeugung und sichere damit die dezentrale Versorgung, hieß es beim Milchbauernverband. Für VerbraucherInnen bedeute eine solche Anhebung lediglich einen Preisanstieg bei den großen Einzelhandel-Discountern auf etwa 65 Cent je Liter. Dem BDM gehören nach eigenen Angaben bundesweit 25000 MilchviehhalterInnen an, die 40 Prozent der deutschen Milch erzeugen.

Leider wurde nicht bekannt, ab welchem Milchviehbestand die Milcherzeugung für 27 Cent pro Kilogramm noch rentabel ist. Verdeckt wird durch die Verbandspolitik nach wie vor die Tatsache, daß bei industrieller Viehhaltung mit tausenden Kühen im Stall durchaus Profit erwirtschaftet werden kann. Eine solche Milchviehhaltung ist jedoch in einer kleinteiligen und naturnahen Landwirtschaft wie in großen Teilen Baden-Württembergs und Bayerns nicht möglich. Dennoch schreitet die Konzentration voran und jährlich müssen 15.000 bis 16.000 Bauernhöfe aufgeben. In der Weimarer Zeit waren noch noch 23 Prozent der Beschäftigten in Landwirtschaft und Fischerei tätig, während es heute noch 2,7 Prozent sind. Außerdem ist die industrielle Landwirtschaft mit Tierschutz nicht vereinbar und trägt erheblich zu Wald-AIDS und zur Klimakatastrophe bei. Die kleinen MilcherzeugerInnen sollten sich dringend in einem eigenen Verband organisieren.

 

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Anmerkung

    Siehe auch unsere Artikel:

    Bio-Lebensmittel
    - gebremst und bekämpft (9.03.07)

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      Nur Lippenbekenntnisse (25.01.04)

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