5.06.2004

Dokumentation

MONITOR:
Rot-Grüne Klimapolitik?

MONITOR Nr. 519 am 3. Juni 2004
Rot-Grüne Klimapolitik:
Wie vorbildlich ist Deutschland wirklich?

Bericht: Volker Happe, Kim Otto

Sonia Mikich: "Das Erdöl wird knapp, Benzinpreise steigen, die Wirtschaft stagniert, Horrorszenarien. Aber auch willkommene Vorlage für alle, die auf alternative Energien setzen. Bei einem Literpreis von 1,20 Euro entdeckt man halt wieder das Grüne. Das Thema Energiewende beschäftigte heute in Bonn 3000 Delegierte aus 150 Ländern. Auf der Konferenz sind Kanzler Schröder und Umweltminister Trittin gerne Musterknaben in Sachen Wind-, Wasser- und Sonnenenergie. Rot-Grüner Ehrgeiz ist ja auch prima fürs Klima. Was hat der Ökominister tatsächlich gegen den Klimakiller Kohlendioxid, CO2, erreicht? Volker Happe und Kim Otto ziehen Bilanz. Zum Selbstlob hat Deutschland wahrlich keinen Anlass."

"Was wäre ..." - "das Wasser kommt. Fast wie jedes Jahr. Doch diesmal ist es anders."

"... wenn eines Tages ..." - "Selbst wenn es irgendwann einmal wieder regnen sollte, der staubige Boden könnte das Wasser nicht aufnehmen."

"... etwas passiert, ..." - "Und hoch oben in den Bergen schmelzen die Gletscher."

"... was deine ganze Welt verändert - "

Klimakatastrophen nicht nur als Leinwandapokalypse.

Prof. Mojib Latif, Universität Kiel: "Wir beobachten in den letzten 100 Jahren eine beträchtliche Erderwärmung. Und der Großteil dieser Erderwärmung ist auf den Menschen zurückzuführen. Das geht einher mit einer weltweiten Zunahme der extremen Wetterereignisse wie lang anhaltende Dürreperioden und sintflutartige Niederschläge. Und insbesondere in den letzten Jahren haben wir auch hier in Deutschland schon diese Symptome gesehen. In den 90ern an Rhein und Mosel, 1997 die Oderflut und 2002 die Elbeflut."

Diese Woche in Bonn. Umweltminister Jürgen Trittin präsentiert sich und seine Klimapolitik auf der internationalen Konferenz für erneuerbare Energien. Kaum ein Land werde den CO2-Ausstoß - den Hauptverursacher für die Global-Erwärmung und damit für die Klimaveränderung - dermaßen reduzieren wie Deutschland.

Jürgen Trittin, Bundesumweltminister: "Insofern sehen uns all diejenigen, die in Europa Klimaschutz machen, nach wie vor als das an, als das wir bisher immer schon angesehen wurden, nämlich als der Spitzenreiter im Klimaschutz. Und insofern bin ich mit diesem Ergebnis überaus zufrieden."

1998 im Koalitionsvertrag - Ehrgeizige Ziele: Die CO2-Emissionen sollen bis 2005 um 25 Prozent reduziert werden.

Tatsache aber ist: Zwischen 1999 und 2003 stieg der Kohlendioxid-Ausstoß in Deutschland sogar an, um geschätzte 8 Millionen Tonnen.

Prof. Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe, Potsdamer Institut für Klimaforschung: "Also man kann definitiv sagen, dass das Ziel der Bundesregierung bis 2005, die Emissionen bis 25 Prozent zu reduzieren nicht erreicht wird. Die Klimaschutzmaßnahmen, die die Bundesregierung geplant hat, sind nicht so umgesetzt worden, wie es eigentlich vorgesehen war. Und das ist die Hauptursache dafür, dass das Ziel nicht erreicht wird."

Beispiel Industrie und Energiewirtschaft: Sie sollten nach den Plänen des Bundesumweltministerium bis 2012 25 Millionen Tonnen CO2 weniger ausstoßen.

Denn Industrie- und Energiewirtschaft sind die Hauptverursacher von CO2, aber sie haben auch eine mächtige Lobby.

Prof. Claudia Kemfert, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: "Es war zumindest geplant, dass 25 Millionen Tonnen CO2 reduziert werden sollten. Letztendlich wurde ausgehandelt, dass nur 10 Millionen Tonnen CO2 reduziert werden von der Industrie. Damit haben sich eindeutig die Wirtschaftsinteressen vor den Klimaschutzinteressen durchgesetzt. Und in Deutschland wird es damit kaum zu CO2-Reduktionen kommen."

1998 im Koalitionsvertrag: Rot-Grün wollte sich für die Besteuerung von Flugbenzin einsetzen.

Doch daraus wurde nichts. Stattdessen sind die Flugzeugstarts in Deutschland zwischen 1999 und 2002 um 75.000 angestiegen. Dabei wurden 1,8 Millionen Tonnen des Klimagifts CO2 zusätzlich aus- gestoßen.

Prof. Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe: "Also dass Kerosin nicht besteuert wird, ist natürlich eine unsinnige Sache. Kerosin muss wie alle anderen Treibstoffe besteuert werden. Sonst haben wir den Effekt, dass wir einen zunehmenden Flugverkehr haben durch die Billigflüge und das ist natürlich schädlich für alle klimapolitischen Maßnahmen."

1998 im Koalitionsvertrag: Die Forschung für zukunftsfähige Energieversorgung sollte gefördert werden.

Doch auch in diesem Bereich nur magere Ergebnisse: Andere Länder stecken Milliarden Dollar in die Forschung im Energiesektor. In Deutschland waren es im Jahre 2002 gerade mal 249 Millionen.

Prof. Claudia Kemfert: "Im internationalen Vergleich können wir beobachten, dass Deutschland weit hinter solchen Ländern wie USA und Japan zurückliegt - in den Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Energiebereich. Diese werden derzeit auch noch reduziert. Das ist höchst bedauerlich, denn es wäre wünschenswert zur Erreichung der Klimaschutzziele, dass neue Technologien erforscht werden, entwickelt werden. Gerade auch auf erneuerbare Energienbasis, die diese Klimaschutzziele auch erreichen können."

1998 im Koalitionsvertrag: Der Verkehr sollte von der Straße auf Schiene und Bahn verlagert werden.

Doch von einer solchen Verlagerung kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Zwischen 1998 und 2004 stieg der Kraftfahrzeugverkehr in Deutschland um 5 Millionen Fahrzeuge an.

Prof. Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe: "Die Bundesregierung steuert im Verkehrswegeplan, leider Gottes, klimapolitisch noch nicht um. Es ist sogar so, dass die Pläne für den Ausbau der Straßen, für den Kraftverkehr ausgeweitet werden. Im Gegensatz zu dem, was sie sich eigentlich auch 1998 und 2002 vorgenommen haben. Nämlich zum Beispiel den Bahnverkehr weiter auszubauen oder mehr Gewicht auf die Schifffahrt zu legen, damit die kostengünstig und umweltschonend fahren können."

Ein Vergleich: Mit fast 20 Tonnen CO2-Ausstoß pro Kopf ist Amerika der größte Klimaverschmutzer weltweit. Deutschland hat nur halb soviel Ausstoß. Kein Grund sich zurückzulehnen. Denn alle anderen größeren, europäischen Länder stoßen sehr viel weniger CO2 aus, als Deutschland, der selbsternannte grüne Spitzenreiter.

 

 

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