Subvention in Deutschland jährlich mehr als 20 Milliarden Euro
Bei seinem Besuch in Frankreich erhielt mit Joseph Ratzinger erstmals ein Papst einen Staatsempfang. Prompt stellte der Pontifex Maximus der katholischen Kirche die in Frankreich seit der bürgerlichen Revolution 1789 gültige Trennung von Kirche und Staat in Frage.
Joseph Ratzinger bemühte als Argument die Globalisierung, sprach von einer Verflechtung der Kulturen und leitete daraus eine Notwendigkeit für ein "neues Nachdenken über Sinn und Bedeutung von Kirche und Staat" ab. Tatsächlich jedoch geht es Ratzinger darum, einem rapiden Bedeutungsverlust der kirchlichen Institutionen, der sich in stetigem Mitgliederverlust und schwindender finanzieller Basis insbesondere in Frankreich bemerkbar macht, entgegenzuwirken. Diese Entwicklung wird seit der professionellen Medienarbeit seines Vorgängers Karol Woityla alias Johannes Paul II durch spektakuläre Staatsbesuche und Kirchentage in den Hintergrund gedrängt, konnte jedoch bislang nicht gestoppt oder umgekehrt werden.
In Deutschland verfügen die "christlichen" Kirchen nach wie vor über eine lukrative staatliche Alimentation, die in der Öffentlichkeit wenig bekannt ist. Im Jahr 2002 beliefen sich die Kirchensteuereinnahmen in Deutschland auf 8,4 Milliarden Euro (aktuelle Zahlen liegen uns leider nicht vor). Davon stammten lediglich 5,05 Milliarden Euro aus der von den Finanzämtern weitergeleiteten Kirchensteuer der Kirchenmitglieder. 3,35 Milliarden Euro (dies entspricht 39,9 Prozent) legt der deutsche Staat aus allgemeinen Steuermitteln drauf. Diese Subvention von rund 3,4 Milliarden Euro wird also von allen SteuerzahlerInnen, ob muslimisch, atheistisch, frei-christlich oder wie auch immer orientiert, bezahlt. Weitere verdeckte Subventionen addieren sich hierzu auf jährlich mehr als 20 Milliarden Euro.
Wenn gelegentlich die staatliche Subvention der "christlichen" Kirchen in
Deutschland zur Sprache kommt, taucht regelmäßig sofort das Argument
auf, das Geld käme schließlich (überwiegend) einem sozialen Zweck zu.
Hierzu hat selbst ein Kirchenvertreter, Dr. Norbert Feldhoff, ehemaliger
Caritasdirektor und Generalvikar des Erzbistums Köln, klar und ehrlich Stellung bezogen:
"Vielfach geht man von falschen Tatsachen aus und operiert mit Scheinargumenten. So wird der Kirche immer wieder unterstellt, sie benötige die Kirchensteuer, um ihre umfangreiche Sozialarbeit zu finanzieren. Die Gegner der Kirchensteuer haben mit diesem Argument leichtes Spiel, weil es in der Tat nicht stimmt und meines Wissens auch noch nie von einem Kenner der Sache so vorgetragen worden ist. Wie wird die Sozialarbeit der Kirche tatsächlich finanziert, und welche Rolle spielt dabei die Kirchensteuer? Die meisten Sozialeinrichtungen 'verdienen' die Mittel, die sie benötigen, als Leistungsentgelte und die Finanzierung ist durch staatliche Kostenträger weithin gesetzlich geregelt."
Auf der Ausgaben-Seite ergibt sich nach kirchlichen Angaben (!) folgendes Bild:
Pfarrer u.a. kirchl. Personal: 60-70 %
(katholische K.: knapp 60%; ev. K.: über 70%)
Sachkosten, Verwaltung: ca. 10 %
Kirchenbauten: ca. 10 %
(katholische K.)
"Schule und Bildung": ca. 10 %
(katholische K. / ev. K.: für beide Bereiche insgesamt nur ca. 10%)
"Soziales und Caritatives": ca. 10 %
Hier könnte nun der Eindruck entstehen, die beiden Großkirchen würden tatsächlich einen erheblichen Anteil ihrer finanziellen Mittel für soziale Aufgaben einsetzen. Tatsächlich sind es jedoch:
Bei der katholischen Kirche: 8 - 9 %
Bei der evangelischen Kirche: 6 - 7 %
Dies funktioniert so: Bei Sozialeinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft lassen sich die beiden Großkirchen einen Gutteil der entstehenden Kosten durch öffentliche Zuschüsse finanzieren:
Kosten-Anteile bei Kindergärten
Land und Kommune: 75 - 80 %
Elternbeiträge: 15 %
Kirche: 10 %
Kosten-Anteile bei Schulen (in Bayern)
öffentlicher Anteil: 90 % (Grund-, Haupt- und Sonderschulen 100%)
Kirche: 10 %
Kosten-Anteile bei Krankenhäusern
öffentlicher Anteil: 100 %
(durch Kassensätze; Investitionen zu 100% vom Staat)
Kirche: Null %
Kosten-Anteile bei Altenheimen
öffentlicher Anteil: 100 %
Kirche: Null %
Selbst kircheneigene Aufgaben lassen sich die beiden
Großkirchen von der öffentlichen Hand finanzieren. So akzeptieren sie
ungeniert, daß beispielsweise der Religionsunterricht an öffentlichen
Schulen in Deutschland mit jährlich rund 2.400 Millionen Euro auch von
Moslems oder Atheisten mitfinanziert wird. Ebenso die Priester- und
Theologenausbildung an Universitäten sowie den Unterhalt der
kirchlichen Fachhochschulen in Höhe von insgesamt rund 600
Millionen Euro pro Jahr. Zu allem Überfluß kassieren sie zudem jährlich
Staatszuschüsse aufgrund von Konkordaten und Kirchenverträgen in
Höhe von rund 700 Millionen Euro. Ja, sogar die Seelsorge an
öffentlichen Einrichtungen (Militär, Polizei, Gefängnis, Anstalten) lassen
sie sich mit jährlich rund 70 Millionen Euro vergüten. Damit nicht genug
bezahlen Bund und Länder auch den Denkmalschutz für
Kirchenbauten in Höhe von jährlich rund 140 Millionen Euro. Und auch
die Kosten rein kirchlicher Sendungen bei den öffentlichen
Rundfunkanstalten in Höhe von jährlich rund 150 Millionen Euro
bezahlen weder die katholische noch die evangelische Kirche.
Bei all dem ist noch gar nicht einberechnet, was die Kirchen durch
Zuschüsse von Kommunen, Kreisen, Bezirken, der Bundesanstalt für
Arbeit (ABM-Stellen) und vom Bundesamt für den Zivildienst einsacken.
Die kirchlichen Wohfahrtsverbände sparen durch den Einsatz von Zivis,
die überwiegend öffentlich finanziert werden, jedes Jahr Milliarden ein.
Überdies kommen dann noch die versteckten Zuschüsse in den
kommunalen Haushalten hinzu. Allein diese Subventionen durch die
über 15.000 Kommunen werden auf über 5 Milliarden Euro geschätzt.
Die Einnahmen der beiden Großkirchen betragen also in Deutschland insgesamt weit
mehr als das Doppelte der Kirchensteuer. Nach einer Untersuchung
von Carsten Frerk1 beträgt die Gesamtsumme der heimlich-öffentlichen
Kirchen-Subvention über 20 Milliarden Euro pro Jahr. Dem steht weniger als
eine Milliarde gegenüber, die die beiden Großkirchen aus eigenen
Mitteln für soziale Dienste oder Einrichtungen aufbringen.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
1 Siehe: Frerk, Carsten
'Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland',
Aschaffenburg 2002
Siehe auch unsere Artikel:
Ratzinger ohne Kondom
Französische Regierung will Papst schützen (4.09.08)
Antike Esoterik
Der Wunderglaube der katholischen Kirche (16.04.07)
Kardinal von Galen
- Ein Antisemit und Kriegsfreund (7.10.05)
Kontinuität und Dynamik (19.04.05)
Der arme Vater Staat hat außer fürs Militär
auch Milliarden für die Kirchen (29.02.04)
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Gen-Konferenz des Vatikan (19.11.03)
Papst nimmt Geschenk von Rüstungskonzern (6.06.02)