6.04.2004

Artikel

"Baby-Patent"
beim Europäischen Patentamt
in München

Durch eine Aktion von Greenpeace wurde gestern bekannt, daß das Europäische Patentamt in München bereits im November 2003 in einer bisher einzigartigen Entscheidung werdendes menschliches Leben patentiert hat. Mit Eisblöcken mauerten Greenpeace-AktivistInnen die Türen des Europäischen Patentamtes in München zu. In jeden der Eisblöcke war eine Babypuppe eingefroren.

Das erteilte Patent (EP 1121015) umfaßt menschliche Eizellen, Sperma und Embryonen, die nach einem bestimmten Verfahren tiefgekühlt und im Rahmen der künstlichen Befruchtung verwendet werden. Auch Embryonen, die in die Gebärmutter eingepflanzt werden sollen, unterliegen dem damit realisierten Patentschutz.

Das Europäische Patentamt hat so einen bisher einzigartigen Präzedenzfall geschaffen. Werdendes menschliches Leben wurde erstmals patentiert. Nach Ansicht von Greenpeace wird damit der Weg hin zur Industrieproduktion von Menschen beschritten. "Dieser Skandal übertrifft alle bisherigen Fälle. Werdendes menschliches Leben wird zu einem industriellen Produkt", kommentierte Christoph Then, Patentexperte von Greenpeace. Das Patent umfaßt Embryonen jeglicher Spezies unter ausdrücklicher Nennung des Menschen.

Experimente unter anderem mit Embryonen von Hamstern, Rindern, Mäusen und Menschen liegen den patentierten Verfahren zu Grunde. Patentiert wurden nicht nur die technischen Verfahren, sondern die Embryonen selbst. Menschliche Embryonen werden im Text des Patentes ausdrücklich mit denen von Rindern und Nagetieren gleichgesetzt. "Unfaßbar, wie das Patentamt hier die Grauzonen der Patentgesetze und die Untätigkeit der Politik gezielt ausnutzt. Auch die letzten Tabus werden jetzt gebrochen", so Christoph Then. Gegen das Patent könne zwar noch Einspruch erhoben werden. Das eigentliche Problem liege allerdings in den vielen Gesetzeslücken, die ähnliche Patente auch in Zukunft möglich machen.

Die EU-Richtlinie 98/44, auf die sich das Patentamt bei der Vergabe derartiger Patent beruft, enthält zwar zahlreiche Verbote, die Patente auf Pflanzen und Tiere sowie den Menschen betreffen. Die vielen Patentskandale1, die Greenpeace in den letzten Jahren aufgedeckt hat, zeigen aber, daß diese Verbote rechtlich nicht ausreichend wirksam sind. Ein deutliches Signal, daß sogar Patente auf menschliches Leben kein Problem sind, bekam das Patentamt von Bundesjustizministerin Zypries, die bereits mehrfach klar gestellt hat, daß sie gegen derartige Fälle nicht vorzugehen gedenkt.

Greenpeace fordert, Patente auf Gene und Lebewesen komplett zu verbieten. Die Justizministerin will dagegen die äußerst mangelhafte und umstrittene EU-Richtlinie ohne wesentliche Änderungen in deutsches Recht umsetzen. Noch vor der Sommerpause 2004 will "Rot-Grün" das entsprechende Gesetz durch den Bundestag schleusen.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkung:
1 Siehe auch unseren Artikel
    'Biopiraterie in Komplizenschaft
    mit Europäischem Patentamt' v. 11.03.04

 

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