5.06.2004

"renewables 2004"
Nichts als heiße Luft

Horst Haitzinger hat mit seiner heutigen Karikatur mal wieder voll ins Schwarze getroffen: Das einzige Ergebnis nicht nur der "renewables 2004", sondern einer langen Reihe von Klima-Gipfeln und Energie-Konferenzen, ist eine "unbegrenzt erneuerbare Energie - heiße Luft!"

Wer will einem Lügenmaul und Klimaverbrecher wie Gerhard Schröder noch Glauben schenken, wenn er aktuell 500 Millionen Euro für erneuerbare Energien verspricht, nachdem er vor 1998 einen Atom-Ausstieg, während der BSE-Krise im Jahr 2000 eine Agrar-Wende, einen Abbau der Arbeitslosigkeit und was nicht alles sonst schon versprochen hat.

Was jedoch wirklich enttäuscht, ist, daß nach all den erfolglosen Jahren auch auf dieser Konferenz von Seiten der Umweltorganisationen kein Wort über die Machthaber im Hintergrund gefallen ist. E.on, RWE, EnBW und Vattenfall wurden kein einziges mal benannt. Daß ohne eine Entmachtung dieser vier Energie-Konzerne, die den deutschen Strom-Markt beherrschen, erneuerbare Energien auch in Zukunft nur ein Schattendasein führen werden, müßte doch längst jedem halbwegs intelligenten Menschen klar geworden sein. Statt dessen wird diese Konferenz über erneuerbare Energien, die in den letzten Tagen in Bonn stattfand, von mehreren Umweltorganisationen als "Erfolg" gewertet.

Es wurde gar behauptet, es habe "konkrete" Ergebnisse gegeben - eine Deklaration (das ist das, was auf einer Verpackung draufsteht), die ein klares Bekenntnis sei, welches deutlich mache, daß ein Umschalten "machbar" und "erwünscht" sei. Konkreter geht's nimmer. In unfreiwillig komischer Anlehnung an den Ex-Bundepräsidenten Herzog, war die rhetorische Klimax mit der Deklamierung eines "Ruck in Richtung globale Energiewende" erreicht.

Einerseits sprach der WWF davon, er "hätte sich zwar konkretere Zusagen erhofft, aber die politische Vision ist deutlich und das Mandat für einen Nachfolgeprozess wurde erteilt." Wann ist eine Zusage konkret? Wenn Gerhard Schröder auch einen Stempel drunter setzt? Wird sie konkreter, wenn auch Hans Eichel unterschreibt? Vielleicht noch ein Stückchen konkreter, wenn Josef Ackermann von der Deutschen Bank für deren Realisierung bürgt?

Ja, und dann gab es noch eine ganze Reihe konkreter "Perlen": So habe die philippinische Regierung zugesagt, in den nächsten zehn Jahren den Anteil der regenerativen Energien zu verdoppeln. Ähnliche Versprechen gab's hierzulande auch schon - und die Philippinen sind dafür bekannt, daß sie gleichzeitig internationale Abkommen zum Schutz ihrer tropischen Regenwälder unterzeichnet haben und dennoch die illegale Abholzung von Millionen Hektar jährlich zulassen.1 Und China hat auch etwas zugesagt - Demokratisierung war's diesmal nicht schon wieder.

Noch was Konkretes - das scheint überhaupt das neue Modewort zu werden: Nach Ansicht des Deutsche Naturschutzrings (DNR) konnte der "weltweite Ausbau der erneuerbaren Energien konkretisiert" werden. Jetzt wird's spannend - wer raten will, kann ja mal kurz den Monitor ausschalten, dreimal raten und dann weiterlesen: Der weltweite Ausbau der erneuerbaren Energien wurde dadurch konkretisiert - so der DNR - , daß Bundeskanzler Gerhard Schröder den Ausbau des Anteils erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis 2010 auf 20 Prozent, nicht nur in Deutschland, sondern in der Europäischen Union angekündigte. Ist es nicht wunderschön, wenn ein versprechbegabter Bundeskanzler auf einer Konferenz zu Wort kommt?

DNR-Generalsekretär Helmut Röscheisen meinte keck, die Bundesregierung könne in den nächsten Jahren zeigen, daß sie "es ernst meint mit der Energiewende". Aber vielleicht war es gar kein Witz und er wußte nur noch nicht, daß "Rot-Grün" bereits seit 1998 amtiert.

Auch vom Bayer-Konzern (nicht mit mir verwandt), war auf der "renewables 2004" keine Rede. Was Chemie mit Energie zu tun hat? Bayer und die anderen deutschen Chemie-Konzerne haben mit der Zuteilung der "Zertifikate" für den Emissionshandel die Lizenz als Klima-Killer bekommen. Sie haben nicht nur die Zusage - sie haben das Recht zum nahezu ungehinderten Ausstoß von Kohlendioxid.

Neun Millionen Tonnen Kohlendioxid stoßen allein die bundesdeutschen Bayer-Werke jährlich aus. Die gesamte Industrie kommt hierzulande auf 505 Millionen Tonnen und nimmt damit in Europa den Spitzenplatz ein. Welche dramatischen Folgen das haben kann, hat eine jüngst veröffentlichte Studie des Pentagon2 dargelegt. Für sie stellt die Erd-Erwärmung den größten globalen Risiko-Faktor dar. In ihrem Gefolge nehmen Stürme und Flut-Katastrophen in bisher unbekannten Dimensionen zu. Ganze Landstriche werden dadurch unbewohnbar und Ressourcen wie Wasser und Energie werden immer knapper. Das wiederum setzt Migrationsströme in Bewegung oder führt sogar zu Krieg um die lebenswichtigen Güter.

In der gesamten Industrie zählen die Chemie-Konzerne zu einer der energie-intensivsten Sparten. Statt sich nun mit Bayer und Co. oder den großen Vier auf dem deutschen Strommarkt anzulegen, verfiel die Politik auf die "geniale Lösung", mit dem Emissionshandel "Ökonomie und Ökologie zu versöhnen". Theoretisch (oder modisch gesagt: "konkret") hört sich das gut an: Die Unternehmen dürfen nur bis zu einer festgelegten Obergrenze Kohlendioxid ausstoßen und müssen für darüber hinaus gehende Mengen "Verschmutzungsrechte" hinzukaufen. Damit sollen Anreize für Investitionen in umweltschonende Technologien geschaffen werden.

In der öffentlichen Diskussion taten Bayer und Co. als fürchteten sie den Emissionshandel wie der Teufel das Weihwasser. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) startete eine Kampagne mit ganzseitigen Anzeigen, Werksleiter des Leverkusener Chemie-Multis gaben bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit kritische Kommentare zum Emissionshandel. Pseudo-Ökos wie der TV-Journalist Franz Alt oder der ehemalige deutsche "Umwelt"-Minister Töpfer, der seit Jahren für die UNO als "Weltumweltminister" um den Globus jettet, bejubelten ihn umgekehrt als Instrument einer "ökologischen Markt- wirtschaft".

Doch wer noch immer an eine Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie geglaubt hat, den belehren die durchsichtigen Schein-Gefechte um die "Implantierung" des Emissions- handels endgültig eines Besseren. Welchen Versprechen Gerhard Schröders ausnahmsweise zu trauen ist, zeigt sich hier deutlich. "Deutschland spricht sich entschieden dagegen aus, weitere Branchen, wie zum Beispiel die Chemie-Industrie, in den Teilnehmer-Kreis mit einzubeziehen", erklärte Schröder im Jahr 2003 auf der Mitgliederversammlung des Europäischen Chemie-Verbandes CEFIC in Hamburg.3

So setzte "Rot-Grün" im Auftrag der Industrie das Jahr 1990 als Berechnungsgrundlage in Brüssel durch. Dies bedeutet, daß der Zusammenbruch der DDR-Industrie nach der Wiedervereinigung4 in die Berechnung mit einfließt. Auf diese Weise "fehlen" an dem in Kyoto vereinbarten Reduktionsziel von 21 Prozent gerade mal noch zwei Prozent. Dennoch wird schon jetzt lautstark verkündet, daß das Kyoto-Ziel als "zu ehrgeizig" nicht mehr zu erreichen sei. Und ebenfalls konnte von der deutschen Bundesregierung als "Vorreiter" bei der EU durchgesetzt werden, daß die Produktionsanlagen der Chemie-Konzerne nicht einberechnet werden. So gehen nur rund 60 Prozent ihrer Emissionen - die der konzerneigenen Kraftwerke - in die Rechnung ein. Für Bayer eine zu vernachlässigende Größe, da der Konzern immer weniger Kraftwerke in Eigenregie betreibt.

Zudem gelang es den Chemie-Konzernen im Zuge der Verhandlungen noch, einige in die Produktion integrierte energie-erzeugende Feuerungsanlagen aus dem Emissionshandel herauszunehmen. "Wenn jeder kleine Emissionsträger einbezogen würde, triebe das die Verwaltungskosten enorm in die Höhe, brächte aber wenig für den Umweltschutz", meinte ein Bayer-Sprecher dazu. Für solche Ergebenheit erhielt "Rot-Grün" dann auch ein dickes Lob von Bayer und Co.: "Die jetzige Regierung hat uns sehr unterstützt", sagte der VCI-Vorsitzende auf dem Jahres-Treffen des Lobby-Clubs. Nach außen hin aber wird das Bild unversöhnlicher Feindschaft aufrechterhalten und Bundes-Atomminister Trittin durfte mal wieder die bewährte Rolle des Buhmanns spielen. Bayer-Chef Werner Wenning markierte einen Tobsuchts-Anfall: "Ich befürchte, daß Umweltminister Trittin auf dem besten Wege ist, aus Deutschland eine weitgehend industrie-freie Zone zu machen". Und: Bayer prüfe, "ob weitere Aktivitäten hierzulande unter diesen Bedingungen wirtschaftlich noch zu vertreten sind".

Grotesk war das Kasperle-Theater5, das Clement und Trittin dann in verteilten Rollen veranstalteten. Trittin forderte mit großem Impetus ein für den Klimaschutz unbedeutendes Reduktionsziel von 488 Millionen Tonnen bis 2012 - also eine Reduktion von 505 in 2003 auf 488 in 2012, dh. um 17 Millionen Tonnen in 9 Jahren. Dies wäre eine Rate, die UNTER der Reduktionsrate liegt, die von der deutschen Industrie ohne Anstrengungen, allein als eine Folge des im Kapitalismus unvermeidlichen Konkurrenzkampfs, der Effektivitäts- steigerung und der Minimierung der (Energie-)Kosten, in den letzten 10 Jahren realisiert wurde: rund 20 Millionen Tonnen - durchschnittlich 2 Millionen Tonnen pro Jahr. Bildlich gesprochen: Eine Latte, unter der die Industrie, ohne sich zu bücken, hindurch spazieren kann. Clement "kämpfte" dennoch für eine Erhöhung: 499 - also eine Reduktion von 6 Millionen Tonnen in 9 Jahren. Und Schröder gab den "Schlichter" mit einer komplizierten Formel, die auf 495 Millionen Tonnen im Jahr 2012 hinausläuft.

Daß das Kyoto-Ziel trotz dieser Reduktions-Spielchen beim jetzigen Trend dennoch verfehlt werden wird, ja, daß insgesamt in Deutschland die Kohlendioxid-Emission ansteigt, liegt vorrangig am Verkehr. Beim Emissionshandel zählen nur - und wie hier gezeigt wurde auch davon nur ein Teil - die direkten industriellen Emissionen. Mit dem LKW-Verkehr fällt ein wesentlicher - und ansteigender - Teil der indirekten industriell bedingten Emissionen aus der Berechnung heraus.

Ein aktuelles Wahlplakat der Union zeigt ein angeknackstes Kirmes-Herzchen mit dem Spruch "Rot war die Liebe, Grün die Hoffnung" - Zyniker könnten auf die Idee kommen zu ergänzen: "... und die Zukunft ist in jedem Fall schwarz".

 

Frank Bayer

 

Anmerkungen:

1 Siehe hierzu unseren Artikel
    "Rot-Grün" mitverantwortlich
    für Regenwald-Zerstörung auf Sumatra (29.04.04)

2 Siehe hierzu unseren Artikel
    Der legale Terror (24.02.04)

3 Siehe hierzu unseren Artikel
    Greenpeace-Studie: "Chemie außer Kontrolle" v. 2.07.03

4 Die "wallfall profits" sind an den roten Abschnitten
    der Säulen in der Grafik folgenden Artikels
    deutlich zu erkennen:
    Umweltpolitische Geisterfahrer v. 9.01.03

5 Siehe hierzu unseren Artikel
    Das Emissions-Theater der "rot-grünen" Klima-Terroristen
    v. 30.03.04

 

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