12.01.2011

Statistik widerlegt Sarrazin-Thesen
Lohnt die Auseinandersetzung?

Thilo Sarrazins Stirn Mit Hilfe des früheren "rot-roten" Berliner Finanzsenators und Schaumschlägers Thilo Sarrazin und der massiven Unterstützung von Blättern wie dem 'spiegel' und dem mit vier Buchstaben konnte die öffentliche Debatte in Deutschland ein gutes Stück nach rechts verschoben werden. Sarrazins Buch 'Deutschland schafft sich ab' wurde mittlerweile angeblich 1,2 Millionen mal verkauft. Vernünftig wäre es gewesen, von links nicht auch für Aufmerksamkeit für die pseudo-wissenschaftliche Hetze zu sorgen. Nun kann jedoch vielleicht umgekehrt Sarrazin als Aufhänger genutzt werden, um Fakten zum Thema Integration öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Kaum herumgesprochen hatte sich bislang, daß Thilo Sarrazin selbst das von ihm im seinem Buch verarbeitete Zahlenmaterial nicht allzu ernst nahm. So gab er einmal gegenüber der 'Süddeutschen Zeitung' dreist zu Protokoll, was er mangels geeigneter Statistik für legitim hielt: Dann muß "man eine schöpfen, die in die richtige Richtung weist - und wenn sie keiner widerlegen kann, dann setze ich mich mit meiner Schätzung durch." Daß sich gegen Sarrazins 1,2 Millionen mal verbreitete "Schöpfung", die doch angeblich ach so sehr durch 'political correctness' unterdrückt wird, das Ergebnis einer neuen Studie der Forschungsgruppe 'Hybride europäisch-muslimische Identitätsmodelle' (HEYMAT) durchsetzen wird, kann nur durch eine Diskussion von unten ermöglicht werden. Denn all die, die ebenso mit wortreicher Fürsprache und scheinbar differenziertem "Ja-Aber..." dem Sarrazinschen Sermon zu großer Aufmerksamkeit in den Medien und Talkshows verhalfen, werden diese Studie vermutlich kaum zur Kenntnis nehmen.

Die 70-seitige HEYMAT-Studie mit dem Titel "Sarrazins Thesen auf dem Prüfstand" widerlegt zunächst Sarrazins These, es gäbe keine positive Entwicklung bei der Bildung von Menschen mit muslimischem Migrationshintergrund. Tatsache ist hingegen, daß bei sämtlichen Zuwanderergruppen mit muslimischem Hintergrund ein Anstieg der Bildung auszumachen ist. Bei den von Sarrazin als besonders lernunfähig dargestellten Menschen türkischer Herkunft ist seit der ersten Generation der "Gastarbeiter", von denen lediglich drei Prozent die Hochschulreife erreichten, bis zum Jahr 2008, wo dies bereits 22,5 Prozent waren, ein ausgesprochen deutlicher Bildungsanstieg festzustellen.

Zwar beziehen mit 9,5 Prozent weit mehr türkischstämmige BürgerInnen ihren überwiegenden Lebensunterhalt aus HartzIV als BürgerInnen ohne Migrationshintergrund. Doch diese Zahl liegt weit unter den von Sarrazin behaupteten 40 Prozent. Entgegen Sarrazins Wahrnehmung nimmt auch die Häufigkeit des Kopftuchtragens ab. 70 Prozent der Frauen mit muslimischem Hintergrund tragen kein Kopftuch.

Während Deutsche ohne Migrationshintergrund zu 92 Prozent ebensolche Partner heiraten, suchten sich 33,5 Prozent der muslimischen Männer 2008 eine nicht-muslimische Frau. Insbesondere Sarrazins These, wonach in Berlin 20 Prozent aller Gewalttaten von nur 1000 türkischen und arabischen Jugendlichen begangen würden, wird unter Verweis auf ein Schreiben des Berliner Polizeipräsidenten zurückgewiesen. Lediglich 8,7 Prozent der Gewalttaten werden hier sicher dieser Gruppe zugeordnet.

Die HEYMAT-ForscherInnen unter Leitung der Politologin Naika Foroutan, PolitologInnen, Sozial- und IslamwissenschaftlerInnen an der Berliner Humboldt-Universität, kommen zum Ergebnis, daß es sich bei der unter dem Vorwand der Sarrazin-Thesen entfachten öffentlichen politischen Debatte nicht etwa - wie immer wieder behauptet - um eine "Integrations-Debatte" handelt: "Vielmehr werden unter dem Stichwort Integration Ängste, Ressentiments und rassistische Abwehrreaktionen verhandelt." Sarrazin müsse daher als symptomatisch für jenen Teil der deutschen Gesellschaft angesehen werden, der als "bürgerlich, konservativ und besserverdienend mit starker Tendenz zur Entsolidarisierung" zu charakterisieren sei.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Witz des Jahres
      Der Erfolg des Sarrazin (29.12.10)

      Sarrazin will mit Buch provozieren
      Nichts Neues - keine Konsequenzen (23.08.10)

      "S"PD-Mitglied und Bundesbank-Vorstand
      Thilo Sarrazin rassistisch (11.06.10)

      Nachwuchs ohne Zukunfts-Chance
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      Sind Sie darauf stolz, Herr Schily?
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