28.10.2003

Artikel

Generalstreik
in Italien

Zehn Millionen gegen Rentenkürzungen

Von einer solchen Solidaritätswelle kann Deutschlands Linke (vorerst) nur träumen. Doch während ein großer Teil der Linken hierzulande in "Rot-Grün" immer noch eine linke Regierung wähnt, ist das "Feindbild" in Italien leicht auszumachen. Beim Generalstreik am 24. Oktober, an dem sich rund zehn Millionen ArbeiterInnen und Angestellte beteiligten, ging es der Sache nach gegen die Rentenpläne - die gesamte Linke jedoch hat sich in Italien gegen die Regierung Berlusconi vereint.

Hundertausende nahmen an den Kundgebungen in Rom, Mailand (200.000), Neapel (80.000), Bologna, Turin, Florenz, Genua (60.000) und vielen anderen Städten teil. Geradezu als Provokation wurden die am 3. Oktober vom italienischen Ministerrat verabschiedeten Rentengesetze aufgenommen: Von 2008 an sollen ArbeiterInnen und Angestellte mindestens 40 Beitragsjahre nachweisen können oder ein Mindestalter von 60 Jahren bei Frauen, 65 Jahren bei Männern erreicht haben, um Rente zu bekommen. Die bisherigen Grenzen lagen bei Männern zum Vergleich bei 57 Jahren bei 35 Mindestbeitragsjahren oder weniger als 57 Jahren bei mindestens 37 Beitragsjahren. Zudem soll ab 2008 all jenen, die weniger als 40 Jahre eingezahlt haben, die Rente erheblich gekürzt werden.

Da auch in Italien die Arbeitslosigkeit weiterhin zunimmt und der Anteil schlecht bezahlter und befristeter Jobs wächst, wird es für immer mehr Menschen immer schwieriger die 40-Jahre-Beitragsgrenze überhaupt zu erreichen. Bereits heute sind im Durchschnitt über 30 Prozent der unter 24-jährigen arbeitslos und in Süditalien sind es gar rund 50 Prozent.

Am 24. legte der Streik den gesamten Verkehr für vier Stunden lahm und auch 'Alitalia' mußte 155 Flüge streichen. Viele Schulen und Hochschulen, Büchereien, Museen, Postämter, ja auch Banken, Gerichte und öffentlichen Ämter waren den ganzen Tag über geschlossen, die städtische Reinigung streikte und in den Krankenhäusern wurde nur eine Notversorgung aufrecht erhalten. In der Industrie war die Streikbeteiligung unterschiedlich: Auf Sizilien wurden Fiat Termini Imerese, die Ölraffinerie von Gela und die Schiffswerft von Palermo erfolgreich bestreikt, während sich in den Industriezentren im Norden etwa die Hälfte bis 70 Prozent der Beschäftigten am Streik beteiligten.

In Mailand, der Stadt in der Berlusconi groß wurde, beteiligten sich rund 200.000 Menschen. Hierher kamen auch die von Entlassung bedrohten AutoarbeiterInnen der Alfa-Romeo-Fabrik in Arese. Diese gehört ebenso wie das Fiat-Werk auf Sizilien, das auch von Schließung bedroht ist, zum Fiat-Konzern. Führende Gewerkschaftsfunktionäre ließen sich in Mailand nicht blicken. Ein Großteil der Demonstration setzte sich aus sogenannten Prekären zusammen: RentnerInnen, Arbeitslose, Arme, die ihre Wut auf berlusconi lebhaft zum Ausdruck brachten, für die aber die italienischen Gewerkschaften ebensowenig eine Perspektive bieten.

Wie auch in Deutschland, wo die Gewerkschaftsbonzen zwar die Backen blähen, aber das Pfeifen vergessen und nicht mal Streiks oder wenigstens Aktionen gegen den Sozialabbau unterstützt werden, ist auch die Gewerkschaftsführung in Italien fest ins System eingebunden. Sowohl die UIL als auch die CISL hatten noch letztes Jahr mit Berlusconi einen Pakt zur "Flexibilisierung" des Arbeitsrechts geschlossen. Sie alle unterstützen als Alternative das Parteienbündnis "Olivenbaum", das vor Berlusconi an der Macht war. Diese sozialdemokratischen und bürgerlichen Parteien jedoch hatten ähnlich "Rot-Grün" in Deutschland bereits vor der Ära Berlusconi den Sozialabbau ins Rollen gebracht. Unter ihrer Ägide hatten in Italien die Privatisierungen und Kürzungen staatlicher Sozialleistungen begonnen, um damit angeblich die Maastricht-Kriterien zur Stabilität zu erfüllen.

 

Adriana Ascoli

 

 

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