25.07.2004

Neue Runde im Propagandakrieg
gegen den Sudan

Weltöffentlichkeit soll mit Greuel-Stories mürbe gemacht werden

Die mit Abstand meisten Toten weltweit hat nach wie vor die US-Regierung auf dem Gewissen. Dutzende von kriegerischen und bewaffneten Konflikten in Afrika werden von US-amerikanischen und europäischen Konzernen provoziert und angeheizt. Zugleich verdient die US-amerikanische, europäische und russische Waffen-Industrie an diesen Massakers. Allein in der zentralafrikanischen "Demokratischen Republik Kongo", dem ehemaligen Zaire, wurden innerhalb weniger Jahre mehr als 3 Millionen Menschen getötet - wegen der Gier der Industriestaaten nach Coltan und anderen Rohstoffen1. In Botswana und Namibia wird ein schleichender Genozid an den !Kung verübt, die vermutlich kaum mehr eine Überlebens-Chance haben, nachdem auf ihrem Land große Diamanten-Vorkommen entdeckt wurden.2 Weltweit toben permanent zwischen 20 und 50 Kriege und kriegsähnliche Konflikte, von denen die Weltöffentlichkeit in der Regel keinerlei Notiz nimmt.3

Von diesen Greueln berichten die Massenmedien so gut wie nichts, solange die örtlichen Machthaber und Diktatoren für Geld und Waffen zu jedem Verbrechen im Dienste der "Globalisierung" bereit sind. Die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit wird immer nur dann auf eines dieser Länder gelenkt, wenn der Zugriff auf die Rohstoffen nicht so reibungslos wie gewohnt funktioniert und ein künstlicher Anlaß für ein direktes Eingreifen geschaffen werden soll. So geriet Afghanistan erst dann ins Visier, nachdem die zuvor wohlgelittene Diktatur der Taliban geplante Öl- und Gas-Pipelines von Turkmenistan zum Indischen Ozean nicht dulden wollten. Die drittgrößten Erdgasreserven der Welt liegen nordwestlich von Afghanistan in Turkmenistan.4 Und erst ab dem Zeitpunkt als die Taliban den üblichen "Argumenten" nicht mehr zugänglich waren, interessierten sich die Massenmedien für die Verschleierung der afghanischen Frauen und die Greuel vorgeblich islamischer Rechtsprechung.

Ebenso war es auch die Selbstüberschätzung des Diktators Saddam Hussein, die zum Irak-Krieg führte. Er hatte gemeint, nach dem Ende der UN-Sanktionen souverän Verträge über die Ausbeutung der weltweit zweitgrößten Ölfelder mit europäischen oder russischen Konzernen wagen zu dürfen, statt sie freigiebig den USA zu schenken. Mit Hilfe des Trommelfeuers der Massenmedien über die angeblichen drei Kriegsgründe, versuchten die USA über diesen einzigen Kriegsgrund hinweg zu täuschen. Und tatsächlich scheint die Weltöffentlichkeit inzwischen vor einem Rätsel zu stehen. Nachdem offensichtlich wurde, daß es weder Massenvernichtungswaffen im Irak gab (und dies vom CIA auch öffentlich noch am 9. Oktober 2002 so dargestellt wurde5), noch je eine Verbindung zu Al Quaida, noch ein Interesse der USA an demokratischen Verhältnissen im Irak, wird darüber spekuliert, ob der US-Präsident den Krieg vielleicht auf Grund von Fehlinformationen führte. Darüber, daß nun die gesamte irakische Erdölförderung von 6 bis 7 Millionen Barrel Erdöl (rund zwei Drittel der saudi-arabischen Fördermenge) pro Tag in die USA abtransportiert wird6, erfährt die Weltöffentlichkeit in den Massenmedien nichts.

Statt dessen wird Tag für Tag über drohende Hungersnot, drohenden Völkermord und Schätzungen berichtet, nach denen im Laufe von eineinhalb Jahren in der sudanesischen Region Darfur rund 30.000 Menschen umgebracht worden seien.7 Laut Angaben der UN haben arabische Milizen in den letzten 15 Monaten "Tausende" von Menschen in Darfur getötet, über eine Million Menschen vertrieben und rund 2,2 Millionen von der Lebensmittel- und Medikamentenzufuhr abgeschnitten.

Auseinandersetzungen über die tatsächliche Dimension der Greuel in der Region Darfur führen allerdings in die Irre, solange nicht dreierlei zuvor berücksichtigt wird:
1. Die Berichterstattung über den Sudan dient allein dazu, einen Vorwand für ein militärisches Eingreifen und damit die Verfügungsgewalt über die riesigen Erdölvorkommen in der Region Darfur zu schaffen.
2. Andere Konfliktregionen mit weit größeren Opferzahlen interessieren nicht.
3. Ethnische Konflikte werden als Ursache der Auseinandersetzungen dargestellt, während ausgeblendet wird, woher die Waffen geliefert werden und auf Grund welcher Interessen eine Abspaltung Darfurs vom Sudan gefördert wird.

Bei einem Gespräch mit dem niederländischen Außenminister Ben Bot hat der sudanesische Außenminister Mustafa Osman Ismail gestern, 24. Juli, die Resolutionen des US-Kongresses zurückgewiesen, in der das Vorgehen der arabischen Milizen in Darfur als Völkermord bezeichnet wird. 100 Anführer der arabischstämmigen Milizen seien von den Behörden festgenommen worden und würden vor Gericht gestellt, erklärte der sudanesische Außenminister. Und die beiden großen Rebellengruppen in der westsudanesischen Konfliktregion erklärten sich nach UN-Angaben (wieder einmal) zu neuen Gesprächen mit der Regierung in Khartoum bereit. Vertreter der Aufständischen hätten zugestimmt, zu einer politischen Lösung der Krise an den Verhandlungstisch zurückzukehren, sagte UN-Sprecher Fred Eckhard vorgestern, 23. Juli, in New York. Als nächster Schritt müsse nun ein Datum festgelegt werden. Ein Treffen unter Vermittlung der Afrikanischen Union (AU) in Äthiopien hatten die Rebellenvertreter vor einer Woche mit der Begründung verlassen, die sudanesische Regierung halte sich nicht an die bisherigen Abkommen.

Der niederländischen Außenminister Ben Bot beschrieb die Gespräche mit Ismail als sehr gut und sehr konstruktiv. Bei einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel am Montag wolle er das Thema Wiederaufbauhilfe für Darfur auf die Tagesordnung nehmen lassen. Die Flüchtlinge sollten nach ihrer Rückkehr ihren Lebensunterhalt verdienen und sich sicher fühlen können, sagte der derzeitige EU-Ratspräsident.

Vor einem Gespräch mit dem außenpolitischen EU-Repräsentanten Javier Solana am Freitagabend in Brüssel sprach Ismail von Vorurteilen der US-amerikanischen Kongress-Abgeordneten. Zugleich verwies er auf einen Bericht der AU, wonach die Greueltaten keinen Völkermord darstellten. Unabhängige Ermittler oder Mitglieder von Hilfs- organisationen sollten sich abermals ein Bild von der Lage machen. Er sei sich sicher, daß solche Untersuchungen zu demselben Schluß wie die AU kämen. Javier Solana unterstrich nach dem Treffen mit dem sudanesische Außenminister Mustafa Osman Ismail bei einem Essen in Brüssel die "große Sorge der Gemeinschaft über die Menschenrechts- verletzungen in Darfur". Zugleich äußerte Solana Anerkennung über Verbesserungen bei der Lieferung humanitärer Hilfe in Darfur. Dennoch fordere die EU nach wie vor "vollen und ungehinderten Zugang".

Erneut wurde dieser Tage in den Massenmedien der sudanesischen Regierung die Unterstützung der Milizen vorgeworfen, während diese die Vorwürfe zum wiederholten Mal zurückwies. Beweise für eine solche Verbindung konnten bislang nicht vorgelegt werden. Doch selbst wenn die Regierung in Khartoum tatsächlich in Kriegs- verbrechen verstrickt ist, bliebe ein vorrangiges Mittel zur Lösung des Konflikts davon unberührt: Sämtliche Unterstützung der Konfliktparteien durch auswärtigen Mächte und der gesamte Waffen-Nachschub müßte verhindert werden. Die Kette der Lieferanten, Waffenhändler und Konzerne müßte rigoros ins Licht der Weltöffentlichkeit gerückt werden. Das wäre die eigentliche Aufgabe des Journalismus, statt die ungeprüfte Weitergabe von Greuel-Stories aus dritter Hand.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkungen:

1 Siehe auch unseren Artikel
    Was macht den Kongo plötzlich so interessant? (22.06.03)

2 Siehe auch unseren Artikel
    Die Ethnie der !Kung kämpft ums Überleben (15.07.04)

3 Siehe auch unseren Artikel
    Die vergessenen Kriege (28.03.03)

4 Siehe auch unseren Artikel
    B-T-C Baku-Tbilissi-Ceyhan (7.08.03)

5 Siehe auch unseren Artikel
    Irak-Krieg nach Auskunft des CIA: "unnötig" (14.10.02)

6 Siehe auch unseren Artikel
    US-Besatzung bleibt im Irak (29.06.04)

7 Siehe auch unseren Artikel
    Das "humanitäre" Interesse am Sudan (4.06.04)

 

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