3.07.2004

Artikel

VZBV fordert
VerbraucherInnenbildung
in der Schule

"Die Schule hat gebildete Verbraucher ins Leben zu entlassen, keine Konsum-Analphabeten", forderte Prof. Dr. Edda Müller bei einer Tagung des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (VZBV) zum Thema VerbraucherInnenbildung in Berlin. VerbraucherInnen-Themen sollen im Schulunterricht besser verankert werden, so VZBV-Vorstand Edda Müller. Das PISA-Debakel betreffe nicht nur Fächer wie Deutsch und Mathematik, sondern in besonderem Maße auch für die VerbraucherInnenbildung und insbesondere die Wissensvermittlung im Bereich gesunder Ernährung.1 Edda Müller stellte klar, daß mündigen VerbraucherInnen auch umfassende Information und - als Grundlage - die Bildungesvoraussetzungen zur Verfügung stehen müssen, um kritisch abwägen und bewußt und souverän entscheiden zu können.

Nach den Vorstellungen des VZBV muß die VerbraucherInnenbildung in den Unterricht aller Schulen, von der Grundschule bis zum Gymnasium, aufgenommen werden. Dabei fordert der VZBV die Weiterentwicklung traditioneller Fächer wie Sachkunde, Hauswirtschaft und Arbeitslehre zu einem eigenständigen Fach "Ernährungs-und VerbraucherInnen-Bildung". Außerdem sollen auch in anderen Fächern VerbraucherInnen-Themen aufgegriffen werden. Neben Lehrplänen, Stundentafeln, Kerncurricula, Lehr- und Lernmaterialien und Schulbüchern hält der VZBV insbesondere die Erarbeitung von Bildungsstandards für notwendig, um zu überprüfen, was SchülerInnen gelernt haben und die Schule tatsächlich gelehrt hat. Der VZBV hat hierzu wesentliche Vorarbeiten geleistet, unter anderem durch die Entwicklung exemplarischer Lernmodule zur VerbraucherInnen- Bildung im Rahmen der Lernplattform www.lernerfolg.vzbv.de.

Sowohl die anwesende "Verbraucher"-Ministerin Renate Künast als auch der brandenburgische "Bildungs"-Minister und Vizepräsident der Kultusministerkonferenz, einem ständigen Gremium nach föderalem Grundprinzip für die Bildung zuständigen Länderminister, Steffen Reiche, ließen es sich nicht nehmen, die von Edda Müller vorgetragenen Thesen nahezu Wort für Wort zu wiederholen. Dennoch wagte es niemand aus dem Auditorium, zu fragen, warum sich trotz dieser beachtlichen "Einsicht" bisher in der Praxis nichts zum Positiven entwickelt.

Wie aktuelle Studien zeigen, wird im Gegenteil die Situation im Bereich Ernährung und bei den Finanzen von Jugendlichen immer kritischer. Als Beispiele nannte Edda Müller Fehlernährung und Übergewicht, Überschuldung und einen nicht nachhaltigen Lebensstil: "Jedes fünfte Kind in Deutschland ist übergewichtig; ernährungsmitbedingte Krankheiten verursachen jährlich Kosten für das Gesundheitswesen in Höhe von rund 75 Milliarden Euro. Rund drei Millionen Menschen sind überschuldet." Insbesondere trifft dies Jugendliche und junge Erwachsene. Mit speziell auf eine jugendliche Zielgruppe "maßgeschneiderten" Ratenkreditangeboten und mit Handys zu Dumpingpreisen werden sie in die Schuldenfalle gelockt.

Weiter zitierte Edda Müller eine jüngst veröffentlichte Umfrage, laut der nur rund 50 Prozent den Unterschied zwischen einer EC- und Kreditkarte kennen. Ähnliche Defizite zur finanziellen Allgemeinbildung habe kürzlich auch eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zu Tage gefördert. "Dies wundert nicht, wenn man sich die Tauglichkeit von Schulbüchern bei Finanzthemen anschaut", so Edda Müller. Der VZBV hatte gemeinsam mit dem Institut für Finanzdienstleistungen in Hamburg 20 Schulbücher analysiert. Das Resultat: Finanzdienstleistungen spielen in Schulbüchern der allgemein bildenden Schulen insgesamt eine untergeordnete Rolle und es ist relativ willkürlich, ob ein Schulbuch überhaupt auf das Thema Finanzdienstleistungen eingeht.

Angesichts der sich zuspitzenden Entwicklung forderte Edda Müller eine "Kehrtwende" ein. Ob diese Worte an die Adresse von Künast und Reiche irgendwelche Hoffnung versprechen, werden sich mündige VerbraucherInnen angesichts schon lange versprochener Agrar-Wende, Energie-Wende oder Verkehrs-Wende allerdings alsbald fragen. Denn zu der von VZBV-Vorstand Edda Müller beschworenen Wende bestand weder im Kapitalismus noch im Staatssozialismus je Bedarf - und in Zeiten der Krise ist nicht einmal mehr Spielraum für Alibiveranstaltungen.

 

Harry Weber

 

Anmerkung:

1 Siehe auch unsere Artikel

    'Künast mißbraucht dicke Kinder' (18.06.04)

    'Deutsche Kinder werden immer fetter' (8.07.03)

 

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