1.05.2003

Krieg gegen die Urwälder

Raubbau an Urwäldern in Kanada, am Regenwald im Amazonasgebiet, in Indonesien, in Malaysia und in Tasmanien mit zunehmender Geschwindigkeit

Wie wir zuletzt in unserem Artikel 'Gesetze schützen die Urwälder nicht' v. 12.04. aufgezeigt haben, werden kanadische Urwälder mit maßgeblicher Beteiligung der deutschen Papierindustrie vernichtet. Aber nicht allein, daß die "rot-grüne" Bundesregierung nichts hiergegen unternimmt - sie mischt selbst kräftig mit beim weltweiten Krieg gegen die letzten Urwälder.

"Rot-Grün" vergab beispielsweise staatliche Bürgschaften für den Ausbau der Papier- und Zellstoffindustrie in Indonesien. Allein der Papierkonzern Asia Pulp and Paper (APP) erhielt Bürgschaften in Höhe von 370 Mio. Euro. APP baute daraufhin seine Produktionskapazitäten innerhalb kurzer Zeit enorm aus und bediente sich zur Deckung seines Holzbedarfs im indonesischen Regenwald. Die Folgen für diese sensiblen Ökosysteme und ihre Bewohner waren ökologisch und sozial katastrophal.

Trotz des kostenlosen Zugriffs auf den Regenwald geriet APP in finanzielle Schwierigkeiten und meldete im April 2001 Zahlungsunfähigkeit an. APP sitzt seitdem auf einem Schuldenberg von etwa 7 Milliarden US-Dollar. Derzeit laufen Umschuldungsverhandlungen, bei denen es darum geht, die Konditionen für die Rückzahlung der noch ausstehenden 240 Mio. Euro an gewährten staatlichen Bürgschaften von deutscher Seite festzulegen.

Von Seiten der Gläubigerländern wird Druck auf die indonesische Regierung ausgeübt. Unter Androhung ökonomischer Sanktionen wird die indonesische Regierung gezwungen, sich aktiv in die Umschuldungs-Verhandlungen einzubringen, um eine für die Gläubiger zufriedenstellende Lösung zu erzielen. Das bedeutet nichts anderes, als daß Indonesien weiterhin seine Regenwälder plündern wird, um Schulden bezahlen zu können.

Aber auch deutsche Konsumentinnen und Konsumenten tragen einen Teil der Verantwortung für den weltweiten Vernichtungsfeldzug gegen die letzten Urwälder. Exquisites Tropenholz, wie Merbau, Meranti, Bankirai für Terrassen, Fenster und Parkett werden in deutschen Baumärkten angeboten. Die meisten Kunden wissen jedoch nicht, daß Tropenhölzer weit überwiegend illegal geschlagen werden. Der Wust an Zertifikaten und Siegeln stiftet nur Unheil und Verwirrung (siehe hierzu unser Artikel v. 14.04.: 'Zertifizierte Tropenhölzer - ein gefährlicher Irrweg').

Auf Sumatra (Indonesien) sind die Abholz-Konzessionen längst erschöpft, und so holen sich die Holzunternehmen das Tropenholz unbekümmert aus den Nationalparks, denn nur dort gibt es noch intakten Regenwald. Der Lebensraum der letzten Sumatra-Tiger, Elefanten und anderer wild lebenden Tiere ist von der Kettensäge bedroht. Die Ausplünderung der Wälder geht weiter, denn das hochverschuldete Indonesien braucht Devisen. Ohne Wirtschaftswachstum gibt es keine Kredite von der Weltbank mehr und dafür müssen die letzten Ressourcen herhalten. Aber die Weltbank wäscht ihre Hände in Unschuld.

Auch das Gütesiegel für nachhaltige Holzwirtschaft FSC kann diese Entwicklung nicht stoppen. Die Entwicklung einer nachhaltigen Holzwirtschaft in Regenwäldern ist eine gefährliche Illusion, es wird weiterhin die Begehrlichkeit nach Tropenhölzern gefördert und trotz Verboten werden die seltensten Holzarten wie beispielsweise Ramin gefällt und nach Malaysia geschmuggelt.

Anlässlich des "Internationalen Tag des Waldes" warnte ROBIN WOOD VerbraucherInnen vor Gartenmöbeln, deren Holz aus dem Raubbau an den Urwäldern stammt. Wer gar die vielerorts angebotenen Teak-Produkte aus Burma kauft, unterstützt damit obendrein ein menschenverachtendes Militär-Regime. Die einzige Alternative: Produkte aus heimischem Holz ("Holz der kurzen Wege").

Pünktlich zum Frühlingsanfang quollen die Briefkästen über mit Werbung für Gartenmöbel. Recherchen von ROBIN-WOOD zeigen: Es werden überwiegend Tropenholzprodukte angeboten. Nur ein geringer Teil davon trägt überhaupt das FSC-Siegel. Auf der jüngsten Kölner Gartenmöbelmesse stellte ROBIN WOOD fest, daß verstärkt Teakholzprodukte aus Burma - von der Militärregierung in Myanmar umbenannt - angeboten werden. Die Waldfläche Burmas nimmt rapide ab: Zu Beginn der Militärdiktatur 1988 war noch etwa die Hälfte des südostasiatischen Landes bewaldet, heute ist es nur noch etwa ein Drittel. Um den Profit zu steigern, plündern die Militärs die Waldreserven. Die Einnahmen dienen überwiegend dazu, die eigene Bevölkerung zu unterdrücken. So setzen die Machthaber Burmas Sklavenkommandos ein. Kein anderes Land hat mehr Kindersoldaten als Burma - nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen mindestens 70.000. Daher unterstützt auch die Anführerin der Opposition und Friedensnobelpreisträgerin, Daw Aung San Suu Kyi, den Boykott von Produkten aus Burma, die den Profit der Militärs steigern.

Auf dem zu Australien gehörigen Tasmanien werden ganze Ökosysteme vernichtet. Einer der letzten unberührten Regenwälder lag im Tal des Styx-Flusses. Der dichte Regenwald war seit Urzeiten Heimat einer bunten Palette von Fauna und Flora. Viele der Tiere und Pflanzen sind gesetzlich geschützt - doch auch in Tasmanien nützt dies nichts. Über den Baumwipfeln spähen Keilschwanzadler mit einer Flügelspannweite von zwei Metern nach Beute. In den Asthöhlen leben Opossums und Sittiche. Moos bedeckt den feuchten Boden. Zwischen drei Meter hohen Farnen grasen Wallaby-Kängurus. Nachts streiten sich Fleisch fressende Beuteltiere wie die Quolls und die bissigen "Tasmanischen Teufel" um Beute.

Ungekrönter König des Styx-Tals ist der Sumpfeukalyptus, ein Baum von überwältigenden Ausmaßen. Mit bis zu 95 Metern Höhe und einem Umfang von 15 Metern ist der Eucalyptus Regnans der höchste Hartholzbaum der Welt und die größte blühende Pflanze. Bis zu 400 Jahre alt sind die Urwaldriesen im "Tal der Giganten", wie Naturschützer das Gebiet am Styx nennen, einen der letzten Orte Australiens, wo es noch größere Bestände dieser Art gibt. Nur etwa 13 Prozent aller tasmanischen Sumpfeukalypten haben die vergangenen 200 Jahre überlebt, seitdem bei der Besiedlung des fünften Kontinents durch britische Sträflinge die ersten Weißen nach Tasmanien kamen und die Abholzung der Wälder begann.

Es geht um Geld. Der Wert des so "erntefähigen" Holzes im Styx-Tal wird auf rund 250 Millionen australische Dollar geschätzt. So sagt es jedenfalls Evan Rolley, der Chef der staatlichen tasmanischen Forstbehörde. 1,5 Millionen Hektar Wald unterstehen der Kontrolle seines Amtes. Es erteilt Privatfirmen Lizenzen zur Rodung nicht nur in Forstplantagen, sondern auch in bislang unberührten Urwäldern - 700 Hektar sind laut offiziellen Angaben in diesem Jahr zur Ernte frei gegeben. Die Urwaldriesen sterben nicht etwa, um als edle Wandschränke oder teurer Bodenbelag zu enden, 90 Prozent des Holzes wird vielmehr zu Holzschnitzeln verarbeitet, woodchips. Die zentimeterlangen Faserstücke dienen vor allem Firmen in Japan als Rohstoff für die Herstellung von Papiertüten und Zeitungen..

Der tasmanischer Holzindustrie beschert dies derzeit einen gigantischen Jahresumsatz von 1,3 Milliarden Dollar. Und sie bietet rund 8.000 Arbeitsplätze und weitere 15.000 in der davon abhängigen Industrie - so jedenfalls der Tasmanische Forstverbandes. Das ist ein gewichtiges Argument auf einer Insel mit 400.000 Einwohnern und der mit rund zehn Prozent höchsten Arbeitslosenrate in Australien. Kaum erstaunlich also, daß die sozialdemokratische Labor-Regierung in Tasmanien voll und ganz hinter der Holzindustrie steht. Eine Abkehr von der Forstwirtschaft, der drittwichtigsten Branche nach Landwirtschaft und Bergbau, wäre für Regierungspräsident Jim Bacon politischer Selbstmord.

Den weitaus größten Nutzen hat vor allem die tasmanische Firma Gunns, ein Quasi-Monopolist im Reich der Ketten-Sägen, weltweit einer der führenden Exporteure von Hartholzschnitzeln. Nach einem Bericht der Zeitung 'The Australian' produziert sie jedes Jahr 4,2 Millionen Tonnen woodchips, davon 1,2 Millionen Tonnen aus staatlichem Urwaldholz, und sie meldet Rekordgewinne. An der australischen Börse ist die Gunns-Aktie ein Favorit, ihr Wert stieg zwischen Juli 1999 und Februar 2003 um fast 500 Prozent.

Der Grund für den Erfolg der Urwaldzerstörer liegt klar auf der Hand: Holzschnitzel werden von Gunns zu Dumpingpreisen auf die Weltmärkte geworfen: zwischen sieben und 14 Dollar pro Tonne. Damit ist der durchschnittlicher Urwaldriese gerade mal 220 Dollar wert.

Wie der Schnitt eines unbarmherzig geführten Messers zieht sich eine Straße der Verwüstung durch das Tal des Styx. Zwischen verkohlten Ästen sucht ein Echidna, ein australisches Stacheltier in stummer Verzweiflung nach Futter, mit langer Schnauze wühlt es im Boden. 250 PS starke Bulldozer hatten hier zunächst die Breschen ins dichte Unterholz gewalzt, dabei mannshohe Farne unter Stahlketten zermalmt. Sogenannte Baumverarbeiter, die zweite Welle gigantischer Maschinen, fällten die Eukalyptusbäume, entrindeten sie und luden sie auf LKWs. Zunächst bleibt ein Schlachtfeld, das nach Eukalyptus duftet. Aus Bergen von Holz, entwurzeltem Gebüsch und aufgewühlter Erde ragen gebrochene Äste zerschmetterter Bäume wie die abgerissenen Gliedmaßen gefallener Soldaten.

Als dritte Welle kommen Hubschrauber und werfen Tausende Benzinkugeln ab. Das Rodungsgebiet verwandelt sich in ein Krematorium. Die Hitze ist so intensiv, daß sich ein Rauchpilz entwickelt wie bei einer Atomexplosion.

Doch damit nicht genug. Ist die apokalyptische Prozedur soweit abgeschlossen und die verkohlte Erde wieder kühl, kommen die Männer mit den Karotten. Sie werfen sie zwischen die toten Baumstümpfe, auf die Wege, ins Gebüsch. Aus dem umliegenden Wald, nähern sich Kängurus und Opossums und genießen die Leckerbissen. Zwei Tage lang. Am dritten Tag sind die Karotten vergiftet. Es ist ein grausiger Weg in den Tod. Die Tiere sterben an Krämpfen, Erblindung, Lähmungen und Panik.

Tausende Tiere und Pflanzen verenden, der Boden erodiert, Gewässer verschlammen.

Angeblich ist die Vergiftung der zum Teil gesetzlich geschützten Wildtiere nötig, um sie daran zu hindern, Schaden anzurichten. Wenn nach dem Kahlschlag wiederaufgeforstet und Eukalyptus-Samen ausgestreut würde, kämen ansonsten die Tiere und würden die Sprößlinge auffressen.

Inzwischen haben sich Umweltschützer zum Schutz der tasmanischen Wälder und seiner Bewohner organisiert. Zu einem Aktionstag sandte jüngst auch der deutsche Schriftsteller Günter Grass eine Erklärung, in der es hieß: "Wir sehen, wie kostbarer Lebensraum zerstört wird, wie mehr und mehr verloren geht und der Demokratie nichts bleibt als leere Taschen."

Zu den Aktionären des Holzkonzerns Gunns zählt mit einem Anteil von knapp fünf Prozent auch die Deutsche Bank.

Vielfach wurde argumentiert, wir Menschen brauchten die Wälder als Sauerstoff-Quellen und "CO2-Senken". Genutzt hat dieses Argument gegen die Geldgier bislang nichts. Nun droht auch dieser Appell ans Nützlichkeitsdenken wegzubrechen. Neueste Untersuchungen belegen: Der Regenwald nimmt kein CO2 mehr auf.

Bisher spekulierten vor allem die Regierungen der Industrieländer darauf, daß die Wälder große Teile der bei ihnen produzierten Kohlendioxidmengen schlucken könnten. Ein Emissionshandel - dem mittelalterlichen Ablaß-Handel ähnlich - sollte es den Industrieländern ermöglichen weiterhin ungebremst CO2 zu produzieren und sich durch Zahlungen an arme Länder für "vermiedene" CO2-Produktion freikaufen zu können.

Doch eine Studie der Universität des US-Bundesstaats Missouri in Saint Louis scheint diese Pläne zunichte zu machen. In der jüngsten Ausgabe des Wissenschafts-Magazins 'Proceedings of the National Academy of Sciences' berichten eine Forschergruppe um Deborah Clark, die bereits fortgeschrittene globale Erwärmung habe auf den tropischen Regenwald eine ganz unerwartete Wirkung. Statt CO2 zu schlucken, gibt der Wald selbst CO2 ab.

Die Biologen hatten das jährliche Wachstum von sechs verschiedenen Baumarten im La-Selva-Regenwald in Costa Rica zwischen 1984 und 2000 gemessen. Zusätzlich zogen sie Daten über die CO2-Emissionen in tropischen Ländern heran. Die Wachstumsgeschwindigkeit der Baumriesen und die Menge der CO2-Emissionen hatten sich in den 16 Jahren deutlich verändert. Insbesondere 1997 und 1998, wo es dank einer längeren El-Niño-Periode erheblich wärmer war, wuchsen die Bäume unterdurchschnittlich und produzierten gleichzeitig die größten Mengen von CO2. Die Schlußfolgerung der US-Biologin: "Die Temperaturschwankungen, insbesondere die Erwärmung, schaden dem tropischen Regenwald immens."

Der beobachtete Effekt verspricht eine recht unangenehme Rückkopplung für das Klima: "Wenn durch die globale Erwärmung der tropische Regenwald noch mehr CO2 in die Atmosphäre entläßt, wird es zu einer noch stärkeren globalen Erwärmung kommen", heißt es im Fachblatt.

Desillusioniert, aber um einige Erfahrungen reicher, müssen wir nach jahrzehntelangem erfolglosen Kampf konstatieren, daß Appelle an Moral, an Gefühl oder Nützlichkeitsdenken nichts nützen. Sie bewirken bestenfalls wirkungslose Umwelt-Gipfeltreffen und wirkungslose Umwelt-Gesetze. Das einzige, was noch helfen kann, ist ein sofortiger Ausstieg aus dem Kapitalismus.

 

Ute Daniels

 

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