22.03.2003

Wucher mit Wasser

Die Folgen der Privatisierung der Wasserversorgung

In Frankreich und England können wir sie bereits heute besichtigen: die Folgen der Privatisierung der öffentlichen Trinkwasserversorgung. Sobald die Wasserrechte von den Kommunen auf große Konzerne übergegangen waren, stiegen die Wasserpreise kartellartig an. In Frankreich beispielsweise um das Zweieinhalbfache, in England zwischen 1989 und 1995 um mehr als das Doppelte. Im gleichen Zeitraum stiegen die Gewinne der Wasserkonzerne um 692 Prozent.1

Ein Nutzen für die Verbraucher war damit nicht verbunden. Im Gegenteil: Die Zahl der Haushalte in England, denen die Wasserzufuhr gestoppt wurde, weil sie es nicht mehr bezahlen können, hat seit der Privatisierung um 50 Prozent zugenommen. Globale Konzerne wie Vivendi, Suez, Pepsi und Coca-Cola haben mit Unterstützung des IWF (Internationaler Währungs Fond) und der WTO (World Trading Organisation), beides scheinbar unabhängige Institutionen, die allein dazu dienen, die Vorherrschaft globaler Konzerne zu stärken und zu sichern, ganze Volkswirtschaften zur Privatisierung des Wassers gezwungen. Überall war es das gleiche Spiel: Die Opfer werden in die Schuldenfalle getrieben, es werden neoliberale Zwangsmaßnahmen verordnet und die Konzerne können sich große regionale Wassermärkte untereinander aufteilen.1

Am heutigen 22. März 2003, dem "Tag des Wassers" ist darüber in den meisten deutschen Medien nichts zu erfahren. Dabei ist die Situation in Deutschland dramatisch. Viele deutsche Kommunen stehen finanziell vor dem Kollaps. Zugleich werden ihnen von US-Konzernen verlockende Verträge angeboten. Die kommunale Wasserversorgung soll für 99 Jahre an den US-Konzern verleast und für 29 Jahre (mit Rückkauf-Option) zurückgeleast werden. Steuervorteile, die das US-amerikanische Recht durch sogenannte Schlupflöcher bietet, könnten den deutschen Kommunen zunächst viel Geld in die leeren Schatullen spülen. Da kommt sich mancher kommunale Kämmerer recht clever vor.

Das Geschäft hat gleich einen trendigen Namen bekommen: "Cross-border-leasing". Und obwohl beispielsweise die Kämmerer der Städte Bochum, Recklinghausen, Gelsenkirchen und Wesel (Dr. Scholz, Ch. Tesche, R. Kampmann. Dr. Busch) in einer gemeinsamen Pressmitteilung vom 4. Februar 2003 selbst bemerken: "Die US Cross-Border-Lease Transaktionen liegen im Interesse der US-Wirtschaftspolitik , die (...) das europäische Engagement amerikanischer Unternehmen stärken will.", sind sie die vehementesten Befürworter solcher Geschäfte.

Klar ist, daß die US-Administration bewußt mit steuerpolitischen Maßnahmen diese Cross-border-leasing-Geschäfte fördert, um den wirtschaftspolitischen Einfluß der glabal player in Europa auszubauen. Der 'spiegel' berichtet in einem ansonsten recht kritischen Artikel, in den USA seien schärfere Gesetze gegen Steuerschlupflöcher geplant. Cross-border-leasing-Geschäfte stünden seit 4 Jahren auf der schwarzen Liste der US-Steuerbehörde IRS2. Tatsache ist jedoch, daß gerade In den letzten vier Jahren das Leasinggeschäft boomt.

In Nordrhein-Westfalen gibt es seit einiger Zeit in den Städten, in denen die Kämmerer und Ratsfraktionen Cross-border-leasing-Geschäfte planen, bei den BürgerInnen heftigsten Widerstand. Die Bereitschaft, ein Bürgerbegehren gegen das Cross-Border-Leasing zu unterstützen, ist sehr groß. Viele Menschen glauben den Politikern nicht mehr. Sie glauben deshalb auch nicht, daß die den Gemeinden aus dem Geschäft zufließenden Dollar uneigennützige Geschenke der Konzerne seien.

Der BUND in NRW ist ein strikter Gegner dieser grenzüberschreitenden Geschäfte. Die grundsätzliche Auffassung des BUND ist es, daß gemeindliche Anlagen, mit denen die Kommunen Dienstleistungen für ihre Bürger erbringen und Aufgaben der Daseinsvorsorge erfüllen, nicht der Verfügungsgewalt der Kommunen und damit der Kontrolle der Bürger entzogen werden dürfen.

Am Beispiel der zur Zeit bei den Leasinggeschäften so beliebten Abwasserentsorgungsanlagen wird sehr deutlich, daß den Gemeinden der Verlust der Verfügungsgewalt und der Kontrolle über das verleaste Gemeindeeigentum droht und damit den Bürgern die Einflußmöglichkeit genommen wird.

Die Befürworter der sogenannten Verpachtung von gemeindlichem Eigentum und in letzter Zeit vor allem von Abwasserentsorgungsanlagen an einen US-Investor kontern: Die Vorstellungen der Gegner des US-Lease-Geschäftes seien falsch. Das Kanalnetz bliebe im Eigentum der Stadt und damit der städtischen Verfügungsgewalt und Kontrolle unterworfen. Das würden die Verträge sicherstellen, die zur Durchführung des sogenannten Leasinggeschäftes abgeschlossen werden müssten. Das ganze Geschäft bestünde in einem reinen Hin- und Rückmieten.

Das Märchen vom "reinen" Hin- und Rückmieten

Schon auf den ersten Blick ist zu erkennen, daß es mit dem reinen Hin- und Rückmieten nicht stimmt:
1. Die Verpachtung der Anlagen an den US-Investor wird für einen Zeitraum von 99 Jahren abgeschlossen, während die Zurückverpachtung an die Gemeinde nur für höchstens 29 Jahre erfolgt.
2. Der Hin-Pachtvertrag wird, um seine übergeordnete Bedeutung zu betonen, als Hauptmietvertrag bezeichnet. Der Rück-Mietvertrag hingegen wird als Mietvertrag klassifiziert, in englischsprachigen Schriften sogar als Untermietvertrag (sublease).

Das allein spricht schon dafür, daß der US-Investor in dem Lease-Geschäft eine starke Rechtsposition gegenüber den Gemeinden erhält. Außerdem ist es ein allgemeingültiger Fakt, daß Laufzeiten von 99 Jahren dem Pächter eine eigentumsähnliche Position verschaffen.

Dazu kommen noch folgende Indizien für die eigentümerähnliche oder eigentümergleiche Position des US-Investors:

- Der US-Investor erledigt wie bei einem Kauf üblich seine Zahlungsverpflichtung mit der Zahlung des Gesamtbetrages auf einen Schlag, während die Stadt Mietentgelte zu entrichten hat.
- Die Stadt erhält für den Zeitpunkt des Ablaufes des Mietvertrages (nach 25 - 29 Jahren) eine "Kaufoption", mit der sie das Kanalnetz zurückerwerben kann. Die Verwendung des Begriffes "Kaufoption" macht die Eigentümerposition des Investors deutlich, denn wenn die Stadt Eigentümer wäre, brauchte sie die Option zum Kaufen nicht.
- Außerdem ist unbestritten, daß die Steuervergünstigung, die dem Barwertvorteil der Stadt zu Grunde liegt, nur zustande kommt, wenn nach amerikanischem Recht der US- Investor als Eigentümer gilt.

Da die Verträge amerikanischem Recht mit New York als Gerichtsstand- und Unterzeichnungsort unterliegen, hat die Stadt mit Abschluß der Verträge die Eigentümerposition des US-Investors anerkannt.

Die Vermarktung der Anlagen

Die starke, eigentümergleiche Position des US-Investors gegenüber der Kommune hat sich dann auch im Rückmietvertrag vor allem im Recht auf vorzeitige Kündigung des Rückmietverhältnisses im Falle einer Vertragsverletzung niedergeschlagen. Entscheidend ist dabei, daß der Investor dann die Herausgabe der Anlage verlangen kann. Was unter der Herausgabe der Anlage zu verstehen ist, wird beispielsweise auf den Seiten 4 und 5 der Transaktionsbeschreibung (Beschreibung des US-Lease-Geschäftes) für Recklinghausen dargestellt. Dort heißt es, daß der US-Konzern, um die Anlage in Besitz zu nehmen und wirtschaftlich zu nutzen, der Kommune ihr Nutzungs- und Kontrollrecht an der verleasten Anlage bis zum Ablauf des 99jährigen Mietvertrages entzieht.

Zur Klärung wie es dann mit der Abwasserentsorgung weiter gehen soll, gibt die Transaktionsbeschreibung für Recklinghausen die Auskunft, daß der US-Konzern die Anlage durch qualifizierte Dritte oder die Stadt betreiben läßt, oder die Rechte an der Anlage an Dritte verkauft. Die Frankfurter Rechtsanwälte Frank Laudenklos und Dr. Claus Pagatzky haben dazu in der Neuen Verwaltungszeitung Heft 11 folgende Ausführung gemacht: "Der US-Konzern kann den unmittelbaren Besitz für die Laufzeit des Hauptmietvertrages, d. h. für etwa 70 Jahre an sich ziehen, die Anlage beispielsweise durch Vermietung und Verpachtung vermarkten und die hierdurch erzielten Erträge vereinnahmen. Damit kann er die Kommune für die dann noch verbleibende Restnutzungsdauer wirtschaftlich ausschließen und den Ertragswert des Wirtschaftsgutes realisieren".

Aus der öffentlich rechtlichen Dienstleistung Abwasserentsorgung ist damit ein dem Prinzip der Kostenminimierung und Gewinnmaximierung ausgeliefertes Gut geworden, das von einem privaten Monopolisten geliefert wird.

Der Verlust der Verfügungsgewalt ist vorprogrammiert.

Der Kämmerer der Stadt Wesel, Dr. Manfred Busch, einer der vehementesten Befürworter des Cross-border-leasing behauptet, bei Kündigung des Vertrages durch den Investor sei eine Übertragung der Verfügungsgewalt gegen den Willen der Stadt nicht durchsetzbar, sondern es werde vielmehr der status quo vor Abschluß der Verträge wieder hergestellt. Der "status quo" kann allerdings nur dann wieder hergestellt werden, wenn die Stadt in der Lage ist, den erforderlichen Rückkaufpreis zu zahlen, und der Konzern sich freiwillig bereit erklärt, die Zahlung anzunehmen und im Gegenzug die mit dem Hauptmietvertrag an der Anlage erworbenen Rechte herauszugeben. Dabei ist zu beachten, daß der Rückkaufpreis Schadensersatzleistungen enthält, die ein Mehrfaches des Barwertvorteils betragen können.

Von folgendem ist daher auszugehen: Die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses (vor Ablauf der 29 Jahre ) durch Kündigung und damit der Verlust der Verfügungsgewalt und der Kontrolle für die Kommunen sind vorprogrammiert.

 

Adriana Ascoli

 

Anmerkungen:
1 Copray, Norbert, 'Der Ausverkauf des Wassers', Publik-Forum Nr. 5 2003
2 'Geschäfte mit LiLo', Der Spiegel, Hamburg, Nr. 9 / 2003

 

 

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