Ein Erdbeben im Elsaß und Südbaden hat wieder einmal daran erinnert, welche
Gefahr durch AKWs in erdbebengefährdeten Zonen droht. Am Samstag (22.02.)
abends gegen 21.41 Uhr rüttelte ein schwankender Untergrund bei nicht
wenigen das Wissen um das nahegelegenen AKW Fessenheim wach.
Weder französiche noch deutsche Atomkraftwerke sind gegen Angriffe mit einer
Panzerfaust, Rakete oder Großflugzeug ernsthaft gesichert. Das französische
AKW Fessenheim in der Nähe Freiburgs war bis vor wenigen Jahren nicht einmal
ansatzweise gegen Erdbeben gesichert. Erst nachdem diese Tatsache bekannt
wurde und auf massiven Druck der Öffentlichkeit wurden vom Betreiber, der EdF,
einige nur wenig wirksame Nachbesserungen vorgenommen. Eine stabile
Bodenplatte wie sie bei manchen anderen als "erdbebensicher" propagierten
AKWs vorhanden ist, kann beim Uralt-Reaktor Fessenheim, der bereits 1977
in Betrieb ging, selbstverständlich nicht mehr nachträglich eingezogen
werden. Ein vibrationsbedingter Abriß von primären Kühlleitungen kann zur
Kernschmelze und damit zu einer Katastrophe wie in Tschernobyl führen. Nicht
nur Freiburg wäre dann für tausende Jahre unbewohnbar.
Das Erdbeben der Stärke 5,4 auf der Richterskala mit Epizentrum St. Dié, das
die Gegend um Fessenheim erschütterte, war nicht mal eines der für den
Rheingraben typischen Erdbeben. Der Rheingraben ist deshalb ein ausgesprochenes
Erdbebengebiet, weil hier zwei tektonische Platten der Erdkruste
aneinanderstoßen und sich unter hoher Spannung gegenseitig verschieben. Nicht
zufällig folgen große Flüsse häufig solchen Grabenbrüchen, da sie ein bequemes
Flußbett bieten. Und nicht zufällig sind viele AKWs gerade auf solch
gefährliche Nahtstellen plaziert worden, weil bei der im Grunde antiquierten
Stromgewinnung per Dampfgenerator rund zwei Drittel der erzeugten Energie als
Abwärme "entsorgt" werden muß und große Flüsse daher als Kühlwasserlieferanten
herhalten.
Umweltschützer von beiden Seiten des Rheins hatten bereits vor dem Bau des
AKW Fessenheim auf die Gefahr durch Erdbeben im Rheingraben hingewiesen. Leider
ließ sich Fessenheim im Gegensatz zum in unmittelbarer Nähe geplanten AKW bei
Wyhl nicht verhindern. Und der Konzern EdF, der mehr als 58 Reaktoren an 19 Standorten in Frankreich
betreibt, ist nicht leicht zu erschüttern. Obwohl das Ausmaß des Bebens nicht
vorherzusehen war, wurde der Reaktor in Fessenheim nicht heruntergefahren.
Da es "weder Schäden gegeben (habe), noch auch nur die Alarmanlage
angesprungen" sei, so die Unternehmenssprecherin Anne Laszlo, habe kein
Anlaß zu einer Abschaltung bestanden. In Strasbourg hingegen wurde die Oper
evakuiert, in Colmar ein 14-stöckiges Hochhaus und in den Vogesen
ein Ferienlager geräumt. In Baden wurden zahlreiche Häuser beschädigt und
selbst im weiter entfernten Karlsruhe lassen sich neue Risse im Straßenbelag
bewundern.
Das rund 40 Kilometer Luftline von Fessenheim entfernte Basel war das Zentrum des
stärksten überlieferten Erdbebens in Mitteleuropa. Die Erschütterungen,
die dieses Beben 1356 auslöste, würde das AKW Fessenheim mit Sicherheit
nicht überstehen.
Klaus Schramm