Krötensammlers Zwiesprache
mit dem ...

Als ich letzten Sonntag morgen bei der Amphibienrettung war, bekam ich doch tatsächlich hohen Besuch. Unvermittelt und ohne sich vorzustellen ("Please allow me to intoduce myself..."), sprach er mich von hinten an:

"Hah, heute schaust du ja nicht so genau in jeden Eimer!"

Ich: "Ist auch so kalt heute; da wird eh keine Kröte unterwegs sein..."

Er: "Stell dir vor, ich falte einen 10-Mark-Schein ganz klein und verstecke ihn in einem der Eimer - würdest du dann nicht genauer nachsehen?"

Ich: "Okay, du hast recht. Aber damit du nicht Recht behältst, schaue ich jetzt wieder genauer nach. Und deine 10 Mark kannst du dir sonstwohin stecken! Aber begleite mich ruhig ein Stück: Dir fällt doch sicher noch besseres ein. Wie heißt es noch in Goethes 'Faust': >Des Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen,...<"

Er: "Komm, gib ruhig zu: Die Kröten sind dir doch nicht soviel wert. In Wahrheit machst du das ganze aus irgendwelchen Alibigründen, um dein Gewissen zu beschwichtigen; wahrscheinlich, weil du mal als Kind etwas angestellt hast..."

Ich: "Also zuerst mal: Jede einzelne Kröte ist mir tausend mal mehr wert als Deine 10 Mark. Und bist du nicht derjenige, welcher schon um den Baum der Erkenntnis herum- geschlängelt ist. Dann wirst du auch wissen, was ich als Kind alles angestellt habe!"

Er: "Nun stell dir mal vor: In 20 Jahren bekommst du sicher eine Ehrenmedaille für heroische Krötenrettung. Wird dir da nicht warm ums Herz - bei dieser Saukälte! Wer weiß da schon, ob du heute in jeden einzelnen Eimer geschaut hast?"

Ich: "Ich werd mich grad auf ein Podest stellen lassen! Das sind doch deine Methoden: das Normale zum Besonderen zu erheben, damit es für den Durchschnittsmenschen unerreichbar 'edel' erscheint..."

Er: "Die Menschen brauchen Vorbilder, damit sie zum 'Guten' emporerzogen werden."

Ich: "Komm gib zu, du willst doch nur ein schlechtes Gewissen machen, um die Menschen damit herunterzuziehen. Außerdem: Wenn 70 Prozent heute Fußpilz haben und ich hab keinen, bin ich auch nicht besonders stolz drauf. Und wenn jemand seinen Fußpilz ein dutzend mal mit Fungiziden abgetötet und sich dann doch wieder eingefangen hat und sieht mich im Schwimmbad mit Badelatschen herumlaufen und nimmt das als Vorbild, muß ich mich mit meinen Latschen doch deswegen nicht auf ein Podest stellen lassen..."

Er: "Du machst dich ja lächerlich..."

Ich: "Als Galilei sagte, die Erde drehe sich um die Sonne, war das für die Mehrheit damals auch lächerlich! Das Richtige wirkt immer lächerlich, solange es in einer Minderheitsposition ist. Eine psychologisch einfach zu erklärende Abwehrreaktion..."

Er: "Galilei war dann doch klüger und hat den Mund gehalten - Giordano Bruno ist für diese Rechthaberei auf dem Scheiterhaufen gelandet!"

Ich: "Naja, für's Krötensammeln werd ich nicht gleich hingerichtet werden..."

Er: "Was findest du eigentlich an diesen lächerlichen Kröten so großartiges - es sind doch nicht deine Kröten, oder?"

Ich: "Ach, wenn ich zum Beispiel von 'meinen Kindern' oder 'meiner Frau' rede, muß das ja auch nicht unbedingt im Sinne von 'besitzanzeigend' gemeint sein. Wenn ich irgendwo einen Acker 'besitze', kann ich den auch nicht in meine Tasche stecken. Und da fällt mit eine großartige Szene aus dem Film 'Harold and Maud' ein. Maud bekommt einen Ring von Harold geschenkt, wirft ihn ins Meer und sagt: >Da weiß ich immer, wo er ist und kann ihn nie verlieren.< Jede Kröte, jeder einzelne Frosch und jeder Molch, den ich mal in der Hand hatte, ist meine Kröte und mein Frosch und mein Molch! Nein, überhaupt alle! Die ganze Erde! Sie ist schließlich mein Heimatplanet."

Er: "Du bist schließlich auch schon so weit herum- gekommen... Das war doch gerade sentimentales Gewäsch! Du bist doch wohl nicht so naiv, zu glauben, daß du hier mit diesem Aktionismus den Planeten retten oder auch nur eine Amphibienart vor dem Aussterben bewahren kannst?"

Ich: "Aktionismus? Für die paar Stunden pro Jahr ist das aber ein bißchen übertrieben... Im übrigen wirst du ja wohl wissen, daß ich auch im engeren Sinne politisch aktiv bin. Im eigenen Bereich etwas zu tun und gesellschaftsverändernd zu wirken muß sich ja nicht ausschließen, oder? Ich kann das eine Richtige tun, ohne das andere zu lassen..."

Er: "Diese Gesellschaft zu verändern? Jetzt triftest du völlig ins Phantastische ab!"

Ich: "Über das Thema Politik können wir ein andermal diskutieren. Ich bin jetzt am Ende der Strecke angekommen. Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder..."

Er: "Also gut: du hast mich überzeugt! Ich werde dir helfen. Das nächste mal brauchst du nicht zu kommen. Ich werde dafür sorgen, daß es wieder so kalt ist und kein Lurch unterwegs sein wird. Du kannst mir vertrauen."

Ich: "Haaa, haaa, guter Witz!"

 

Klaus Schramm

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