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Diskussions-Mailingliste von X-tausendmal quer - überall
Bald soll wieder ein Castor nach Gorleben rollen. Die Mobilisierung zu gewaltfreien Blockaden wird stark davon abhängen, wie wir
argumentieren können. Dabei wird das Argument, wir hätten eine (nationale) Verantwortung, "unseren" Müll aus Frankreich
zurückzunehmen, eine grosse Rolle spielen.
Dieser Text ist sehr lang. Das liegt vor allem an technischen Details, die bestimmt nicht jedeN in dieser Ausführlichkeit interessieren.
Deshalb gibt es auch eine Kurzfassung der Argumente am Anfang.
Die Argumentationslinie wurde von der Leipziger Gruppe
ALOA L.E. (Alles Läuft Ohne Atomkraft in Leipzig) entwickelt.
Datenquelle:
Ein Grossteil der Informationen stammt von der Homepage der BI Lüchow-Dannenberg.
Zu widerlegen ist v. a. Jürgen Trittins (sinngemässe) Aussage: "Wir haben eine nationale Verantwortung, unseren Müll zurückzunehmen und die
Franzosen nicht darauf sitzenzulassen."
Kurzfassung der Argumente:
Solange Atomanlagen weiterbetrieben werden und weiterhin Atommüll produziert wird, lehnt die Anti-Atom-Bewegung jede
Verantwortung für die und jede Beteiligung an der Entsorgung von Atommüll ab.
Neben dem generellen Ziel der sofortigen Stilllegung aller Atomanlagen fordert die Anti-Atom-Bewegung besonders vehement
die sofortige Beendigung der sog. Wiederaufbereitung aus folgenden Gründen:
Bei der Wiederaufbereitung wird u. a. Plutonium erzeugt, das in Atomwaffen zum Einsatz kommt.
Bei der Wiederaufbereitung wird die Menge des Atommülls vervielfacht und dessen Gefährlichkeit potenziert.
WAAs geben extrem viel Radioaktivität an die Umgebung ab, z. B. durch direkte Einleitung ins Meer.
Es ist nicht "unser" Atommüll, sondern Müll, der von den Betreibern der Atomkraftwerke produziert wurde.
Den Begriff der "nationalen Verantwortung" für Atommüll lehnen wir ab.
Wir lassen nicht "die Franzosen" auf dem Müll sitzen, sondern die Betreiberfirma der WAA in La Hague, die Cogema, die den
Müll haben wollte und braucht, um daraus Plutonium zu erzeugen. Die Cogema ist eng mit dem französischen Atomwaffenprogramm verbunden.
Atommülltransporte innerhalb von Deutschland sind wegen der Proteste kaum noch durchführbar. Diese Problematik soll
durch den "Umweg über Frankreich" umgangen werden. Darauf lassen wir uns nicht ein.
Jeder Atommülltransport ist gefährlich.
Atommülltransporte sind nicht sinnvoll, solange es kein Endlager gibt.
Die Blockade von Atommülltransporten ist ein wirksames Mittel, um die Öffentlichkeit auf die ungelösten
Probleme der Atomindustrie aufmerksam zu machen. Dies soll nicht nur bei Atomunfällen geschehen.
Das Argument, die bestehenden Verträge mit der Cogema müssten erfüllt werden, lehnen wir ab. Die Verträge
verstossen gegen Grundrechte wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
Ausführliche Fassung mit Hintergrundinformationen:
1. Grundsätzlich lehnt die Anti-Atom-Bewegung jede Verantwortung für Atommüll ab, solange weiterhin Atommüll produziert wird. Jedes
"Stillhalten", jeder Kompromiss vor der Abschaltung aller Anlagen dient deren Weiterbetrieb. Gerade bei den bevorstehenden Transporten von La
Hague nach Gorleben wird dieser Zusammenhang besonders deutlich: Bereits im Oktober waren mehrere Atommülltransporte von deutschen AKWs nach La Hague
geplant, u. a. von Philippsburg. Sie mussten abgesagt werden, weil die französische Regierung sich weigerte, den Müll anzunehmen, bevor die bereits seit zwei
Jahren transportbereiten HAW-Glaskokillen (HAW: High Active Waste = hoch- radioaktiver Abfall) nach Gorleben verfrachtet seien. Nun sind die Lagerkapazitäten in
mehreren deutschen Kraftwerken voll: neben Philippsburg auch in Biblis und Stade, die alle nach La Hague transportieren müssen, sowie in Neckarwestheim; von
dort sollen Transporte nach Ahaus und Sellafield stattfinden. Können diese Transporte nicht vor der nächsten Revision
(d.h. dem Auswechseln der Brennstäbe) im Frühjahr stattfinden, müssen diese Kraftwerke zumindest die Leistung vermindern, evtl. sogar
abgeschaltet werden. D.h., der Transport von La Hague nach Gorleben dient unmittelbar dem Weiterbetrieb mehrerer AKWs in Deutschland und der Produktion
von weiterem Atommüll.
2. Neben dem generellen Ziel der sofortigen Stilllegung aller Atomanlagen fordert die Anti-Atom-Bewegung besonders vehement die sofortige
Beendigung der sogenannten Wiederaufbereitung. Der Transport von La Hague nach Gorleben dient jedoch der Fortsetzung der Wiederauf- bereitung. Neben Urananreicherungsanlagen
(z.B. Gronau), die sich innerhalb weniger Wochen in Anlagen zur Produktion von militärisch nutzbarem Uran (U-233,U-235) umrüsten lassen, bietet die WAA eine
Option auf Atombombenstoff (Pu-239, Pu-241).
Dies ist ein weiteres wesentliches Argument, die Wiederaufarbeitung sofort zu stoppen!
Die sogenannte "friedliche Nutzung der Atomenergie" läßt sich nicht von ihrem militärpolitischen Hintergrund trennen. Historisch
betrachtet sind AKW gewissermaßen Abfallprodukte aus der Entwicklung der Atombombe. Die ersten Atomreaktoren und Wiederaufbereitungsanlagen in den USA und
der Sowjetunion wurden ausschließlich für militärische Zwecke gebaut, um waffentaugliches Material zu erhalten. Diese Zusammenhänge zeigen sich
deutlich am Beispiel La Hague: Die Betreiberin COGEMA befindet sich zu 89% im Besitz des staatlich kontrollierten Commissariat a l'energie atomique (CEA). Dieses
Komissariat ist für die französische Atomwaffenproduktion und das gesamte Atomwaffentestprogramm verantwortlich.
Ausserdem wird bei der sog. Wiederaufbereitung die Menge des Atommülls vervielfacht. Von der Internetseite der BI Lüchow-Dannenberg;
Bericht von einem Besuch in La Hague:
Das in den abgebrannten Brennelementen enthaltene Uran und Plutonium könne man inzwischen zu über 99 Prozent zurückgewinnen
und dann daraus neue Mischoxid (MOX)-brennelemente fertigen. Bei der Wiederaufarbeitung von einer Tonnen Schwermetall blieben nur 1,2 Kubikmeter Atommüll
zurück. Bei der direkten Endlagerung der gleichen Menge entstünden dagegen 1,5 Kubikmeter Abfall. Da lügt Herr Ricaud, oder sagen wir, er
schönt mehr, als es auch einem Cogéma-Vizepräsidenten erlaubt ist. Selbst der GNS- Geschäftführer Klaus Janberg hat inzwischen
jedem fragenden Journalisten klargemacht, daß die bundes- deutschen EVU mit dem recycelten WAA-Uran gar nichts anfangen können. Das Material
gehört zwar den EVU als Anlieferern der Brennelemente, soll jedoch am besten den "Franzosen überlassen" werden, meint Janberg.
Die Fertigung neuer Brennelemente aus dem WAA-Produkt lohnt nicht, es enthält zu viele Störnuklide. Seine Verarbeitung
würde teure Schutzmaßnahmen bei der Herstellung neuer Brennelemente erfordern. "Gegenüber Natururan ist das Uran aus der Wiederaufarbeitung
leider nicht konkurrenzfähig", stellt der GNS-Geschäftführer lapidar fest. Daß nur 1,2 Kubikmeter Atommüll pro wiederaufgearbeiteter
Tonne Brennstäbe entstehen, darauf insistiert Herr Ricaud hartnäckig. Das Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter rechnet dagegen ganz
offiziell mit 13 Kubikmeter atomaren WAA-Müll pro Tonne.
Aus der vertraglich vereinbarten Aufarbeitung von rund 5.500 Tonnen Brennelementinhalt, hat die Bundesrepublik nach den amtlichen
Berechnungen gut 75.000 Kubikmeter WAA-Abfälle zurückzunehmen. Das wertlose Uran noch nicht mitgerechnet. Ein Grund für die schöne
Kalkulation Ricauds mag sein, daß Atommüll, der in Deutschland in das Atommüllendlager Schacht- Konrad kommen soll, bei der Cogéma
auf großen Halden gleich neben der Anlage unter schwarzen Folien und Erde verbuddelt wird. Jean-Louis Ricaud würde niemals zugeben, daß er
Chef einer Atommüllvervielfachungsanlage ist.
Die WAAs in Sellafield (Grossbritannien) und La Hague leiten jedes Jahr Millionen Liter radioaktiv verseuchtes Wasser ins Meer. Die radioaktiven
Nuklide sind auch in grossen Entfernungen noch nachweisbar.
Die HAW-Kokillen, die nur bei der sog. Wiederaufbereitung entstehen, sind extrem gefährlich und keineswegs sicher handhabbar. Dazu einige Details:
Für die Langzeit-Zwischenlagerung von HAW-Kokillen in Behältern gab es weltweit keine Erprobung und bisher wenig Erfahrungen.
Vor diesem Hintergrund ist es um so erstaunlicher, daß diese Lagerung in der BRD ohne Überwachung von der und ohne Rückhaltemöglichkeit
für die Umgebungsluft im TBL genehmigt wurde. (TBL = Transportbehälter-Lager, die "Castor-Halle" in Gorleben)
Selbst die Anforderungen, die von der obersten Genehmigungsbehörde BMU (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit) und der Aufsichtsbehörde NMU (Niedersächsisches Ministerium für Umwelt) in der Vergangenheit erhoben wurden, wurden
nicht umgesetzt.
Im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz ist die Produktkontrollstelle in Jülich (PKS) als unabhängiger
Sachverständiger mit der Produktkontrolle beauftragt worden. Die Prüfungen der PKS umfassen das Handbuch zur Verfahrensqualifikation,
die von der COGEMA sowie Bureau Veritas erstellten Unterlagen einschließlich der Datenblätter zur Herstellung der einzelnen Kokillen und
Inspektion der Anlagen in La Hague. Es erfolgen keine eigenen Messungen oder Probenahmen. Auf dieser Grundlage werden von der PKS die Daten in den Begleitdokumenten
zu den einzelnen Kokillen bestätigt. Für die Verfahrensqualifikation gab und gibt es keine direkte Beteiligung der PKS an aktiven oder inaktiven Testläufen
für den Herstellungsprozeß der HAW-Kokillen. Die Durchführung von Testläufen im Beisein des unabhängigen Sachverständigen nennt
jedoch das Bundesamt für Strahlenschutz selbst als Teil der Verfahrensqualifikation. Die PKS bestätigt in ihrem Gutachten nur die grundsätzliche Eignung
der Verfahrensabläufe und Kontrollen auf Grundlage der Angaben der COGEMA. Diese Feststellungen können aber nur gelten, wenn als Voraussetzung eine
im üblichen Umfang durchgeführte Verfahrensqualifikation stattgefunden hat. Dazu gehört die Feststellung des tatsächlichen Zustandes des
Originalproduktes bei Variation bestimmter Verfahrens- parameter. Genau dies hat nicht stattgefunden. Daher ist eine grundsätzliche Feststellung der Eignung, wie im
PKS-Gutachten, nicht ausreichend. Nach bundesdeutschen Anforderungen muß eine uneingeschränkte Prüfung und Kontrolle von radioaktiven
Abfallprodukten durch unabhängige bundesdeutsche Sachverständige möglich sein. Zu einer solchen Kontrolle gehören die Möglichkeiten
eigener Messungen und Probenahmen (mindestens Anwesenheit bei entsprechenden Tätigkeiten des Betreibers) sowie eine eigenständige Analyse der Proben.
Das Gesamtinventar eines HAW-Behälters entspricht etwa 20% des bei der Tschernobylkatastrophe freigesetzten Inventars. Im Gorlebener
TBL dürfen nach der neuen Genehmigung insgesamt 2 x 1020 Bq eingelagert werden. Das ist das 2000-fache radioaktive Inventar eines HAW-Behälters, d.h.
etwa 400 mal das bei der Tschernobylkatastrophe freigesetzte Inventar.
Etwa eine Minute Aufenthalt in 1 m Entfernung von einer unabgeschirmten HAW-Kokille würde beim Menschen eine tödliche Dosis
verursachen.
Die Abschirmung des Lagerbehälters soll nach der Lagergenehmigung die Dosis im Mittel auf 0,325 mSv/h abschwächen. Als
Vergleichszahl kann hier die nach Strahlenschutzverordnung zulässige Dosis von 0,3 mSv pro Jahr für die Bevölkerung unter ungünstigen
Rand- bedingungen herangezogen werden.
Bezüglich der Eigenschaften der HAW-Kokillen ist vertraglich jedoch nur deren Transport- und Zwischenlagerfähigkeit nach
internationalen Maßstäben vereinbart. Die bundesdeutschen Endlageranforderungen, die nach gegenwärtigen Stand in Salz stattfinden soll, werden
also nicht unbedingt berücksichtigt. Dies ist auf jeden Fall für Sellafield zu erwarten, da die dortige Glaszusammensetzung an den britischen Vorgaben
ausgerichtet wird. In Großbritannien soll die Endlagerung in Granit stattfinden. Auch für La Hague ist nicht von einer Optimierung auf bundesdeutsche
Gegebenheiten auszugehen.
Die experimentellen Prüfungen zur quantitativen Ermittlung der Glaseigenschaften wurden überwiegend nicht mit der jetzt
aktuellen Glaszusammensetzung und zum Teil mit Glas ohne Aktivitätsbeladung durchgeführt. Im Zusammenhang mit der nicht erprobten Zwischenlagerung
von HAW-Kokillen in Behältern gibt es daher Zweifel, ob die Abfälle nach ca. 40 Jahren noch wie heute vorgesehen gehandhabt werden können.
Sie müssen aber zur Endlagerung auf jeden Fall aus den Lagerbehältern ausgeladen werden.
Glastransformationstemperatur TG = 502°C (Veränderung von Glaseigenschaften); Glasdeformationstemperatur TD = 546°C
(Verschlechterung der Formstabilität des Glaskörpers); Glaskristallisationstemperatur TC = 610°C (Nachlassende Einbindung der Radionuklide in die Glasstruktur);
Flüssigglastemperatur T = 1.160°C (Glas ist flüssig) (Angaben von der COGEMA);
Die mittlere Temperatur der HAW-Kokillen beim Abtransport in La Hague soll 400°C betragen. Nach Angaben der BLG im Sicherheitsbericht
zum Transportbehälterlager soll die maximale Temperatur bei der Zwischenlagerung 370°C betragen. Die sicherheitstechnisch zulässige Temperatur wird
mit 510°C angegeben. Damit gibt es für das TBL keinen Sicherheitsabstand zwischen zulässiger Temperatur und der Temperatur, ab der sich die Glaseigenschaften
verändern. Sie liegt sogar über der von der COGEMA angegebenen Temperatur (502°C), ab der Veränderungen stattfinden. Das heißt, mögliche
Veränderungen werden billigend in Kauf genommen.
Ein wichtiger Parameter für die Berechnung, die Wärmeleitfähigkeit des Glases, kann von der COGEMA nur mit einer Genauigkeit
von ±20% angegeben werden. Der Glaskörper ist, technisch bedingt, nie ideal homogen, d.h. es wird Risse und Ausscheidungen geben, die die nicht genau
berechenbare Wärmeleitfähigkeit zusätzlich beeinflussen.
Die Wärmeabfuhr aus dem Glaskörper durch die Stahlkokille an die Behälteratmosphäre und von dort durch die
Behälterwand an die Umgebungsluft in der TBL-Halle ist nur mittels sehr komplizierter Modellierungen zu berechnen, die zwangsweise Rechennäherungen
enthalten.
Zusätzlich wird die Modellierung durch die unterschiedliche Wärmeentwicklung der einzelnen Kokillen in einem Behälter
erschwert. Damit muß korrekterweise von Abschätzungen und nicht von Berechnungen gesprochen werden. Welche Bedeutung die nicht genau
bestimmbare Temperatur einer HAW-Kokille im Zusammenhang mit dem nicht not- wendigerweise vorhandenen Sicherheitsabstand zwischen der zulässigen und
der eigenschaftsverändernden Temperatur hat, wird daran deutlich, daß die Diffusionsrate bzw. Freisetzungsrate bei einer Temperaturerhöhung der
HAW-Kokille von 400 auf 650°C um den Faktor 100 steigt.
Kommt es zu einem Störfall, bei dem die Wärmeabfuhr aus der TBL-Halle für längere Zeit unterbrochen ist, so kann die
Temperatur der HAW-Kokillen auf über 510°C ansteigen. Bei einem schweren, durch äußere Einwirkungen wie Erdbeben oder Flugzeugabsturz
verursachten Störfall, kann es zum Einsturz der Hallenkonstruktion und zur Verschüttung von Behältern kommen. Die Temperaturen im
Behälterinnenraum können dann durch die nicht mehr mögliche Wärmeabfuhr soweit steigen, daß das Glas stellenweise flüssig
wird. Für diesen Fall können auch größere Freisetzungen aus den Lagerbehältern nicht mehr ausgeschlossen werden.
Wird bei Anlieferung eines Behälters eine für die Langzeit-Zwischenlagerung nicht ausreichende Dichtheit des Primärdeckels
festgestellt, so gibt es derzeit keine Möglichkeit, diese Dichtung zu ersetzen. Was dann mit dem Behälter geschehen soll, ist völlig unklar.
3. Wer ist "wir"? Eine nationale Verantwortungsgemeinschaft? Ist es "unser" Müll? Spätestens seit Tschernobyl 1986 ist eine
Mehrheit der Bevölkerung Deutschlands gegen die Nutzung der Atomenergie. Produziert wurde der Müll nicht von der Bevölkerung, sondern
von den Betreibern der AKW. Und das, obwohl sie wissen, dass es kein schlüssiges Entsorgungs- konzept gibt.
4. Was heisst "nationale Verantwortung"? Bei diesem Argument müssen alle Alarmglocken schrillen - in der Geschichte wurde damit
schon viel Unheil angerichtet. Wenn der Staat schon Verantwortung zeigen will, dann sollte er alle Atomanlagen stilllegen! Bemerkenswert, dass gerade die
Grünen hier die nationale Verantwortungsgemeinschaft bemühen und damit die Grenzen instrumentalisieren. Im Zuge unserer Verantwortung
sollen wir akzeptieren, dass die Grenzen einerseits für Flüchtlinge weitgehend dicht sind, andererseits Atommüll mit ähnlich grossem
Aufwand staatlich geschützt über Grenzen geschafft wird. Atommüll ist ein weltweites Problem; Radioaktivität macht vor Grenzen nicht
halt; deshalb lehnen wir "nationale Argumente" auch in diesem Zusammenhang ab.
5. Wer sind "die Franzosen"? Ist es der Müll des französischen Volkes, der französischen Regierung? Oder nicht doch
der Müll der privaten Betreiberfirma von La Hague, der Cogema? Zu deren Zielen siehe Punkt 2.
6. Atommülltransporte innerhalb von Deutschland sind wegen der Proteste nur noch in sehr begrenzter Zahl und mit enormem Aufwand durchführbar.
Dieses Problem soll dadurch umgangen werden, dass der Müll zuerst von deutschen Kraftwerken in eine WAA im
Ausland gebracht wird. (Neben La Hague in Frankreich liefert Deutschland auch Atommüll an die britische WAA in Sellafield.) Diese Transporte fanden in der
Vergangenheit wenig Beachtung. Beim Rücktransport wird uns dann eingeredet, wir dürften aus "nationaler Verantwortung" nicht dagegen protestieren.
Durch diese Konstruktion soll ein Weiterbetrieb der Atomanlagen in Deutschland ohne grosse Proteste möglich gemacht werden. Auf das Spiel wollen wir uns
nicht einlassen. In Zukunft sollen auch Transporte von deutschen AKWs in die WAAs noch stärker blockiert werden. Beim geplanten Transport von
Philippsburg nach La Hague im Oktober 2000, der dann wegen der Weigerung der französischen Regierung, den Atommüll anzunehmen, nicht
stattfand, waren bereits über 1000 Menschen vor Ort, um dagegen zu protestieren.
7. Jeder Atommülltransport ist gefährlich. Auch ohne Unfall geben die Behälter Strahlung ab. Mit den Behältern
wurden keine umfassenden Tests gemacht; vieles wurde nur in Computersimulationen erprobt. Falltests wurden aus einer maximalen Höhe von 9m
durchgeführt; viele Brücken auf den Transportstrecken sind jedoch wesentlich höher. Es gibt keine Grenzwerte, unterhalb derer radioaktive
Strahlung unbedenklich ist. Die in Deutschland gültigen Grenzwerte beruhen zudem auf äusserst fragwürdigen wissenschaftlichen Methoden:
Es wurden Daten von den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki ausgewertet, bei denen die Menschen kurzzeitig extrem hohen
Strahlenbelastungen ausgesetzt waren. Daraus Rückschlüsse auf langfristige niedrige Strahlenbelastungen zu ziehen, ist schlicht unwissenschaftlich.
Inzwischen liegen wesentlich verlässlichere Daten vor, die auf mehrfach höhere Gefährdungen hindeuten.
Würden die Grenzwerte an diese Erkenntnisse angepasst, müssten alle Atomanlagen in Deutschland stillgelegt werden. Darüber
hinaus sind die Grenzwerte auch nichts wert:
sie können nicht durchgesetzt oder eingeklagt werden. Der "Castor-Kontaminationsskandal" von 1998 hatte keine
juristischen Konsequenzen für die Verursacher. Beim Erörterungstermin in Philippsburg, als die Einwendungen gegen das Zwischenlager
am AKW verhandelt wurden, argumentierten die Betreiber: "Die Kontaminationen hatten keine nachweislichen gesundheitlichen Schäden zur Folge".
Strahlenschäden zeigen sich jedoch nicht sofort, sondern oft erst nach Jahren. Dann ist ein direkter Zusammenhang mit der Verstrahlung kaum noch
nachweisbar. Und selbst wenn ein solcher Nachweis gelänge, könnte er dem Betroffenen nicht mehr helfen.
8. Solange es kein Endlager gibt, sind die Transporte grundsätzlich nicht sinnvoll; die sog. "Castorhalle" in Gorleben bietet nicht
mehr Sicherheit als die Stellplätze in La Hague. Die Kühlung der Behälter erfolgt durch ungefilterte, frei zirkulierende Umgebungsluft. Ein Endlager
im Gorlebener Salzstock ist unwahrscheinlich; der Standort ist offensichtlich als Endlager ungeeignet. Im Salz wurden Spalten und Wassereinbrüche entdeckt.
Überdies bietet auch das Deckgestein keine Sicherheit. D.h., der Atommüll kann langfristig auch nicht in Gorleben bleiben,
weitere Transporte werden in Zukunft notwendig sein.
9. Die Blockade von Atommülltransporten bringt Öffentlichkeit; Atomkraft soll nicht erst dann in den Blickpunkt der
Öffentlichkeit geraten, wenn ein Störfall vorkommt; die Probleme sind immer da.
10. Das Argument, die bestehenden Verträge mit der Cogema müssten erfüllt werden, lehnen wir ab. Die
Verträge verstossen gegen Grundrechte wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Zudem ist das Pochen auf Gesetze und
Verträge von Seiten der Atomkraftbefürworter unglaubwürdig.
So zeigte sich beispielsweise beim Castor-Kontaminations- skandal von 1998, dass die Atomindustrie jahrelang wissentlich
gegen geltendes Recht verstiess; Grenzwerte wurden dabei z.T. um mehrere Grössenordnungen überschritten.
Diese Rechtsverstösse hatten keinerlei juristische Konsequenzen