"L' âme n'a pas de sexe" war eine der Parolen der Aufklärung, die von den ersten feministischen Frauen - nach Ansicht mancher männlicher Aufklärungs-Philosophen - viel zu ernst genommen wurde. 'Unisex' war zeitweilig ein modischer Ausdruck dafür, dass
sich Frauen auch im Hinblick auf die Kleidung nicht mehr unpraktischen oder kindchenhaften Kleiderkonventionen beugen wollten. Alles Schnee von gestern?
Das Rad der Geschichte scheint sich zeitweilig zurück- zudrehen. In mancherlei Hinsicht bleibt es auch auf dem Stand vorwissenschaftlicher Zeiten stecken - so ist die deutsche Medizin anscheinend der Ansicht, dass sich Männer und Frauen physisch nicht unterscheiden...
Selbst die SPD-Bundestagsfraktion1 muss feststellen, dass in
Deutschland bisher nicht von einer frauenspezifischen
Gesundheitspolitik gesprochen werden kann. Folgende Zahlen
belegen beispielhaft die Geschlechtsblindheit von Medizin
und Forschung:
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Eine gross angelegte Untersuchung von über 1081
Publikationen im Arzneimittelbereich ergab, dass in
zwei Drittel der Fälle die an Männern gewonnen Ergebnisse
einfach auf Frauen übertragen wurden.
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Es bedarf dringend eingehender Forschung darüber,
warum Frauen mit 87 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit als Männer während einer Bypass-Operation sterben.
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In Deutschland werden 35.000 Eierstockoperationen pro
Jahr durchgeführt, die nicht notwendig sind.
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Im Bereich der Mammographie gibt es gravierende Mängel: Die Zahl der Falsch-Positiv-Befundungen liegt in
Deutschland mit mindestens 30 Prozent zu hoch. Anschliessende weitere Untersuchungen belasten unnötig sowohl die
Frauen als auch die Krankenkassen. In einer Reihe von Nachbarländer ist die Qualität der Mammographie wesentlich besser.
In Deutschland wächst die Sensibilität für dieses Thema.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat bereits 1998 als
Oppositions- partei den Missstand angeprangert. Damals war
die schwarz-gelbe Koalition aber noch auf diesem Auge
blind und lehnte den Antrag ab: Frauen und Männer hätten
gleichen Zugang zum Gesundheitswesen und die Frauen würden
ohnehin älter. (Manch einer sieht stattdessen hierin ein Problem...)
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion gelangte jetzt aber auch zu
der Erkenntnis, dass Erkrankungen von Frauen oft andere als
die von Männern sind und brachte
schnell noch einen Alibi-Antrag ein. Dieser verschweigt
allerdings, dass in der Kohl-Ära die Mortalitätsrate bei
Brustkrebs in Deutschland angestiegen, während in den
europäischen Nachbarländern die Mortalitätsrate und die
Zahl der Totalamputationen deutlich gesunken ist.
Zumindest einige Teilbereiche sollen nun "nachhaltig" verbessert werden:
Die Qualität der Mammographie
Die Richtlinien zur
Weiterbildung der ÄrztInnen sowie über die
Qualität der Befundung
Die Richtlinien über die
technische Ausstattung und Gerätesicherheit
Immerhin wäre dies ein Anfang...
1 Antrag der SPD-Bundestagskraktion (Bt-Drs. 14/3858)
und: angekündigte Anhörung der SPD-Bundestagsfraktion
mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Medizin,
Verbänden und Krankenkassen für den 7. März 2001
zum Thema "Frauenspezifische Gesundheitsversorgung"
Adriana Ascoli