Rede von Birgit Huneke (aus dem Wendland)
Ich freue
mich sehr, heute abend hier sein zu dürfen und möchte mich, mit
besonderen Grüßen von Marinne Fritzen, Lilo Wollny und Wolfgang Ehmke,
im Namen des Gorlebener Widerstandes für die Einladung bedanken.
Ein Protest der zur Volksbewegung
geworden ist, getragen von Hausfrauen, Pastoren, Lehrern, Schülern,
Studenten und Bauern. Kinder sind groß geworden mit diesem Protest. Und
hier wie auch in Gorleben sind kleine Menschen im Kinderwagen durch
Bauplatzschlamm geschoben worden, die heute Erwachsene sind. Wir haben
auch gemeinsam, daß wir jetzt das Problem des Generationswechsels
angehen müssen. Das ist keine leichte Aufgabe und ich dachte kurz, ob es
nicht besser wäre hier heute abend einen jungen Menschen aus Gorleben
sprechen zu lassen. Aber ich spüre, daß ich mich über das Reden und
Schreiben auch selbst ermutige weiter durchzuhalten, Kraft schöpfe immer
wieder die aktuelle Diskussion zu suchen und es nicht irgendwelchen
Historikern und Historikerinnen überlassen möchte unsere Geschichte
abstrakt zu interpretieren.
Geschichte ist gemacht worden, sie muß
weiter gelebt werden und ich bin sicher: Es ist die Mischung aus alten
Weisheiten und den selbst zu machenden Erfahrungen von jungen Leuten,
die uns bereichern und eine alte/neue Power geben werden. Und der
Gegenseite können wir mit dieser Power, ein echtes Problem bescheren.
Gemeinsamkeiten: Zwei Eichen symbolisieren die Wurzeln. Die Jasebecker
Eiche steht im Wyhler Wald und die Wyhler Eiche steht im Gorlebener
Wald. Und auch die trotzigen Parolen, kurz und bündig wie "Wat mutt dat
mutt" oder "Nai Hämmer gsaigt" drücken die Entschlossenheit der
freiheitsliebenden Badener und der dickköpfigen Wendländer aus. Wir
haben doch von Anfang an das getan, was eigentlich Aufgabe von
Politikern ist. Wir haben uns hineingearbeitet in eine hochkomplizierte
Materie, wir haben uns einer wichtigen Sache verschrieben, uns
organisiert und unsere Freizeit geopfert. Da liegt es doch nur in der
Logik der Sache nach so vielen Jahren, in denen wir zusätzlich noch
belogen und betrogen wurden, nicht zu verstummen. Auch weil sich die
Halbwertzeiten von politischen Hoffnungen drastisch verkürzt haben.
Schröder z.B., Bundeskanzler Schröder, unser Gerhard Schröder, der bei
der Bauplatzbesetzung 1004 in Gorleben das Mikrofon zur Hand nahm,
lauthals, eindringlich und wirklich sehr überzeugend den Ausstieg aus
der Atomenergie und vieles mehr forderte: Also jener Schröder hat die
Atompolitik zur Chefsache erklärt. Das dumme ist nur: Er ist nicht der
Chef. Atompolitik wird von der Industrie gemacht. Ihr Ziel: möglichst
lange Restlaufzeiten für die AKWs, die Fortsetzung der
Wiederaufarbeitung und ein Atomausstieg der keine Fristen kennt. Das
ganze würde dann Konsens heißen.
Und damit komme ich zum nächsten Hoffnungsträger in der Politik. Herr
Trittin, auch ein
Mann der ersten Stunden in der Diskussion zur Atomkraft, schleicht sich
davon wie ein Eierdieb.
Übrigens, Marianne Fritzen, Ehrenvorsitzende der BI Lüchow-Dannenberg,
hat vor zwei Wochen ihr Grünes Parteibuch abgegeben. Die Zeichen im
Wendland stehen auf Sturm, Herr Trittin und andere sind völlig fehl
beraten, wenn sie glauben, daß bei einer Atomausstiegsregelung die
Proteste der AtomkraftgegnerInnen abflauen.
Wir wissen doch alle: Atomkraft ist immer noch ein Riesengeschäft.
Niemand der Betreiber nagt am Hungertuch und keiner der Angestellten muß
mit der betrüblichen Aussicht auf ewige Arbeitslosigkeit leben. Diese
Diskussionen sind Ablenkungsmanöver und zudem ein riesengroßer Quatsch.
Die Manager der Atomindustrie setzen alles daran, daß Politik in ihrem
Sinne gemacht wird. Es geht um Geld - um viel Geld und überhaupt nicht um
unsere Gesundheit. Die Wahrheit läßt sich dann auch nicht durch 30.000
Polizisten außer Kraft setzen. Die Wahrheit ist: Atomkraft tötet.
Schleichend leise und in großen Katastrophen. Und kein Reaktor wird
sicherer wenn irgendein Politiker oder Betreiber verspricht, daß er in
25 Jahren abgeschaltet wird. Es gilt deshalb weiterhin: Für jeden
verantwortungsvollen Menschen gibt es einen Punkt an dem er NEIN sagen
muß. An diesem Punkt stehen wir immer noch und wir können immer noch
selbstbewußt sagen: wir stehen auf der richtigen Seite.
Das Wort Widerstand hat freilich keinen guten Klang in Deutschland.
Widerstand? Das klingt gefährlich und wird oft immer noch mit Aufruhr
und Revolution verbunden. Aber ist es nicht auch Widerstand aus einem
Taxi auszusteigen, indem der Fahrer ausländerfeindliche Parolen von sich
gibt ? Ruhe und Gehorsam ist die erste Bürgerpflicht der Deutschen und
es werden heute mit dem Slogan "Ruhe, Ordnung und Sicherheit" Wahlkämpfe
gewonnen. Doch wie Hannah Arendt schon sagte: "Niemand hat das Recht zu
gehorchen." Unser gemeinsamer Protest über die vielen Jahre haben es der
Politik und der Energiewirtschaft nicht erlaubt, die ungelösten Probleme
der Entsorgung des Atommülls zu verdrängen. Und hier handelt es sich
eben nicht um einen Angriff auf die repräsentative Demokratie, sondern
es ist eine gesunde Form des Widerstandes von unten gegen eine Politik
von oben. Wenn nämlich an die Stelle der alten Grundrechte ein einziges
neues Grundrecht tritt, das Grundrecht auf ungestörte
Investitionsausübung, wenn zur Durchsetzung des Rechts der
Atomkraftbetreiber der Rechtsstaat Recht und Gesetz bricht, dann müssen
wir handeln! Die Anti-AKW-Bewegung hat in den letzten 25 Jahren
gehandelt. Couragiert, Kompetent, unermüdlich.
Aber bevor wir unser Ziel nicht erreicht haben, wird uns nichts anderes
übrig bleiben, als weiterhin die gesellschaftliche Rolle des Wächters zu
behalten, müssen wir weiterhin unangenehm und hartnäckig bleiben und den
Ausstieg aus der Atomenergie selber in die Hand und gegebenenfalls auf
den Frontlader nehmen. Wenn wir erkennen, das wir uns mitten in einer
der positivsten und erfolgreichsten Bürgerbewegungen der letzten
Jahrzehnte befinden, wenn wir das NEIN zur Atomenergie weiterhin mit
einem JA zum Leben koppeln, dann werden wir die Kraft haben uns auch an
einem nächsten Tag X selbstbewußt quer zu stellen. In Gorleben,
Fessenheim oder anderswo.
Die Ruhe auf dem Land ist oft stille Wut ..... Und es gibt sie immer
noch. Die Ruhe, die herrliche Natur und die liebenswürdigen Menschen.
Wir haben immer noch viel zu verlieren. Deshalb gibt es auch immer noch
die Wut, die uns weiter kämpfen läßt. Ich wünsche uns allen Kraft und
Mut für den Erhalt einer lebenswerten Zukunft ohne Atomkraft.
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