05.11.2000

Leserbrief

veröffentlicht am 15.11.2000, Badische Zeitung

Was ist los mit der Abtreibungspille
Mifegyne?

Im Wahlkampf 1998 hatte "rot-grün" die Abtreibungspille versprochen. In anderen europäischen Ländern wie Frankreich oder Schweden wurde sie bereits in den 80er Jahren eingeführt. Jede dritte Abtreibung ist dort inzwischen ein Abbruch mit der Pille. Doch die neue deutsche Bundesregierung brauchte bemerkenswert lange. Erst seit dem 19.11.99 ist sie in Deutschland legal erhältlich. Aus feministischen Kreisen ist zu hören, frau habe dem Kanzler erst kräftig auf die Füße treten müssen. Doch was ist mit Gesundheitsministerin Andrea Fischer ?

Die bekennende Katholikin ("mit persönlichem Beichtvater") war mehr Bremserin, denn Förderin. Und inzwischen ist es nahe daran, daß das Medikament Mifegyne in Deutschland "mangels Absatz" wieder verschwindet. Es werden hierzulande weniger als 5 Prozent aller Abtreibungen mit Mifegyne, der unbestritten schonenderen Methode, vorgenommen.
Die Gründe:
1. Ärzte erhalten nach den derzeitigen Abrechnungsmethoden von den Krankenkassen für Mifegyne-Abtreibungen nur ungefähr halb soviel wie bei der Anwendung von Absaugmethode oder Ausschabung. Und dies, obwohl bei der Überwachten Einnahme der Pille eher mehr als weniger Arbeitszeit anfällt.
2. Selbsternannte "Lebensschützer", die sich auf den Papst berufen, üben durch "Mahnwachen" vor "Abtreibungspraxen" Druck aus - jedoch ausgerechnet vor Praxen, die die Methode mit Mifegyne anwenden. Die sanfte und risikolose Methode wird aus ideologischen Gründen bekämpft, weil Frauen durch das Risiko bei Absaugung oder Ausschabung bestraft werden sollen.

Was tut Frau Gesundheitsministerin Fischer ? Auf einen Brief der Pro-Familia-Vorsitzenden Eva Rühmkorf antwortete sie äußerst knapp: "Für eine Einflußnahme auf die Entscheidung der Selbstverwaltung sehe ich keinen ausreichenden Raum." Ihre Kolleginnen auf Landesebene, die Gesundheits- ministerinnen von Schleswig-Holstein und Berlin, Heide Moser und Gabriele Schöttler hingegen beweisen, daß Abhilfe möglich ist: Sie geben zu jeder Abtreibung per Pille den Ärzten eine Pauschale von 341 DM hinzu. Das ist sicher nur eine Notlösung, die bundesweit angewandt das 'Aus' für die Abtreibungspille stoppen könnte. Letztlich stellt sich die Frage, wofür Millionen Frauen ihre Beiträge in die Krankenkassen einzahlen ? Die "Kassenärztliche Bundesvereinigung" muß veranlaßt werden, die Abrechnungstarife angemessen und nicht nach ideologischen Gründen auszurichten.

Manchmal sind Männer die besseren Vertreter von Frauenrechten als eine "grüne" Gesundheitsministerin: "Wenn die Firma Femagen tatsächlich Mifegyne vom Markt nehmen würde, wäre das ein deutlicher Rückschlag - vor allem für die betroffenen Frauen. Denn der Schwangerschafts- abbruch mit der Pille ist das modernste und schonendste Verfahren, das wir kennen." So Dr. Armin Malter, der Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Frauenärztinnen und Frauenärzte.

Bis hierhin stammt der Text dieses Leserbriefs vom 5.11.2000.
Ergänzung vom 8.11.00:

Wenige Tage darauf wurde bekannt, daß die Firma Femagen definitiv aufgibt. Ein anderer Anbieter für den deutschen Markt ist nicht in Sicht. Viele werden sich erinnern, daß die großen Pharmakonzerne aus Imagegründen in Deutschland schnell in Deckung gingen und die Vermarktungsrechte vor der Einführung wie die sprichwörtliche heiße Kartoffel weitergereicht wurden. Nun legt die FDP einen Gesetzentwurf vor und Gesundheitsministerin Fischer will plötzlich "noch im November" aktiv werden. Die Frage muß erlaubt sein: Wurde hier mit Absicht ein Zeitpunkt abgewartet, zu dem das eigene Handeln garantiert folgenlos bleibt und lediglich der Alibibeschaffung dient ?
Ergänzung vom 5.03.01:
Wie inzwischen bekannt wurde, wird die Abtreibungspille Mifegyne auch künftig in Deutschland zur Verfügung stehen. Der französische Hersteller Exelgyn hat nach eigenen Angaben eine neue Firma für den Vertrieb gefunden: Die Firma Contragest aus Hessen übernimmt den Vertrieb, obwohl sie weiss, dass es schwer werden wird. Zum Beispiel deswegen, weil Mifegyne nicht über Apotheken bezogen werden kann, sondern als Erschwernis von der vertreibenden Firma an die ÄrztInnen direkt geschickt werden muss - ein SONDERVERTRIEBSWEG, der eigens für die Abtreibungspille erfunden wurde!

 

Klaus Schramm

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