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'Schlechter Zustand der A5 hat zu Unfall beigetragen'
in der Badischen Zeitung
v. 28.01., S. 8, 'Aus der Region':
Die zensierten Passagen sind in roter Schrift wiedergegeben
Um kurz zusammenzufassen, welcher Unfallhergang einer zweimaligen gerichtlichen Beurteilung zugrunde lag, muß ich die Informationen, die, obwohl Zeugen vorhanden sind, im zentralen Punkt ausschließlich in der Darstellung des Angeklagten wiedergegeben sind, nach Plausibilität rekonstruieren:
Am 10. August 1998 gegen 13:40 Uhr wurde auf der Autobahn A5 auf der Höhe von Teningen in Richtung Offenburg eine junge Frau, die zusammen mit ihrem 11-jährigen Sohn in einem Kleinwagen unterwegs war, in einen Unfall verwickelt. Sie fuhr mit ca. 120 km/h in einer Kolonne. Alle Fahrzeuge fuhren wegen des schlechten Zustands der A5 in diesem Bereich auf der linken (Überhol-)spur. Außer einer infamen Andeutung aus dem erstinstanzlichen Urteil, die im Artikel unkritisch wiedergegeben ist, liegen keine Anhaltspunkte vor, daß die junge Frau für die Kolonne verantwortlich gewesen wäre, indem sie "andere Fahrzeuge aufgehalten" habe. Ein Rechtsüberholer verursachte nun, ob durch Berührung der Fahrzeuge oder lediglich dadurch, daß er plötzlich neben der nach rechts ziehenden jungen Frau auftauchte, daß deren Auto ins Schleudern geriet. Ihr Auto kam von der Fahrbahn ab. Sie fand den Tod und ihr Sohn ist bis heute ein Pflegefall.
Der Unfallverursacher stoppte kurz, fuhr dann aber weiter und meldete sich erst in Lahr bei der Polizei als Unfallzeuge.
Grauenhaft ist für mich, der ich weder mit dem Unfallopfer noch mit dem -verursacher persönlich bekannt bin, nicht allein der Tod und das Unglück zweier junger Menschen, sondern zwei Phänomene, die in diesem Fall exemplarisch erkennbar werden:
Zum einen eine verharmlosende Berichterstattung, die nicht nur an zentraler Stelle die Sichtweise des Unfallverursachers wiedergibt, ohne sie durch indirekte Rede oder Zitat kenntlich zu machen. Ich zitiere hier einen Satz, der im Artikel ohne Anführungszeichen steht: "Er war gerade mit geringer Geschwindigkeit an (...) vorbeigezogen, als ihm seine Beifahrerin berichtete,..." Ja, saß der Journalist der BZ etwa mit im Auto? Mehr noch, ja gilt im Autoland Deutschland denn heute eine Geschwindigkeit von mehr als 120 km/h als "geringe Geschwindigkeit"? Saß der Autor etwa auch im Auto, als er den Artikel verfaßte und vielleicht auf Band diktierte und war er gerade im Geschwindigkeitsrausch, frage ich mich da.
Zum anderen kommt´s noch schlimmer, wenn ich weiter in diesem Artikel lesen muß, der erstinstanzlich befaßte Amtsrichter in Emmendingen habe der jungen Frau "eine erhebliche Mitschuld gegeben, weil sie mit 130 Stunden- kilometern auf der Überholspur andere Fahrzeuge aufgehalten habe." Er verhängte eine Geldstrafe von 6.300 DM. Das ist doch geradezu eine Aufforderung zum Rechtsüberholen auf der Autobahn!
Nachdem dieses Urteil denn doch der Freiburger Staatsanwaltschaft als zu gering auffiel, wurde es in zweiter Instanz auf eine einjährige Bewährungsstrafe, einen zehnmonatigen Führerscheinentzug und eine Geldstrafe von 4.000 DM abgeändert. Ich möchte hier nicht dem Vorurteil das Wort reden, höhere Strafen würden die Kriminalität senken. Das übliche Strafmaß bei fahrlässiger Tötung ist jedoch allgemein bekannt; und wenn ein Urteil - wie hier auch das in zweiter Instanz - erheblich unter diesem Strafmaß bleibt, trägt es nach meiner Auffassung zur Verharmlosung der Raserei und Rücksichtslosigkeit auf deutschen Autobahnen bei!
Der Zustand der A5 ist (ich vermute, mit der Absicht, politisch Druck für einen weiteren Ausbau der Autobahnen machen zu können) tatsächlich miserabel. Im Gegensatz zur Einlassung des zweiten Richters - auch dies eine Verharmlosung der Tat - sehe ich jedoch keinen ursächlichen Zusammenhang zum Unfall. Da könnte ja jeder Totschläger im Bereich einer Baustelle einen Teil seiner Schuld auf die äußeren Umstände schieben. Typischerweise wurde dieser Nebenaspekt für die Überschrift des Artikels verwendet.
Zum Glück sind diese Tendenzen noch nicht überall in solcher Deutlichkeit zu sehen. Aber ich frage mich entsetzt, ob denn sowohl der Berichterstatter der BZ als auch die beiden Richter im Geschwindigkeitsrausch waren oder was sonst ihre Objektivität beeinträchtigt hat.