Die für den Besuch des iranischen Präsidenten Khatami in Deutschland getroffenen Sicherheitsvorkehrungen übertreffen noch die der vorangegangenen Staatsbesuche des
amerikanischen und des russischen Präsidenten und ebenso die, welche anläßlich des
Besuchs des Schah von Persien, des damaligen Despoten im Iran, 1967 ein Todesopfer
unter den protestierenden deutschen Studenten zur Folge hatten.
Die Berliner Polizei durchsuchte mehrere Wohnungen von im
Exil lebenden Iranern und rund 50 weiteren Personen wurden auf den bloßen
Verdacht hin festgenommen, sie könnten "unfriedliche" Protestaktionen planen.
An den Grenzen zu den Nachbarländern wurde etwa 8000 Iranern die Einreise
nach Deutschland verwehrt. Das Schengen-Abkommen zum freien Personenverkehr
innerhalb der Mitgliedsstaaten war eigens außer Kraft gesetzt worden.
Auch auf den Autobahnen innerhalb Deutschlands waren Polizeisperren
errichtet. In der Nähe von Stuttgart, München und Nürnberg stoppten die
Beamten Busse, mit denen Iraner zu den Kundgebungen nach Berlin fahren
wollten, und nahmen mehrere Personen vorübergehend fest.
Selbst die Rheinfähre Kappel war permanent bewacht.
Die Berliner Innenstadt glich einem Polizeilager: allenthalben Beamte in Kampfausrüstung, Wasserwerfer, gepanzerte Fahrzeuge, Mannschaftswagen. Sogar spezielle, mit Farbeimern und Reinigungsmitteln
ausgerüstete Polizeiwagen waren im Einsatz, um unliebsame Parolen auf Wänden
oder Bauzäunen rasch zu entfernen oder zu überstreichen.
Khatami selbst bewegt sich auch innerhalb der Stadt nur per Hubschrauber
fort.
Die beispiellosen Sicherheitsvorkehrungen und die demonstrativ zur Schau
getragene Solidarisierung mit dem iranischen Präsidenten unterstreichen,
daß die Frage nach demokratischen Rechten und Freiheiten der heutigen
"rot-grünen" Regierung genauso gleichgültig ist wie ihren Vorgängerinnen,
die einst eng mit dem Schah - der als blutigster Despot des gesamten Nahen
Ostens galt - und später, in den achtziger Jahren, mit dem Regime unter
Ayatollah Khomeini zusammenarbeiteten. Im Zentrum von Khatamis Staatsbesuch
stehen die Geschäfte mit deutschen Konzernen. Im Haus der Wirtschaft wird
der iranische Präsident vor etwa 250 Managern sprechen. Agenturmeldungen
zufolge liegen eine Reihe von Verträgen zur Unterschrift bereit.
Der bedeutendste ist offenbar ein Rahmenkreditvertrag über 1,1 Milliarden
DM, den ein von der Deutschen Bank geführtes Konsortium der iranischen
staatlichen Ölgesellschaft National Petrochemical Company gewährt. Mit dem
Geld soll der Bau einer Anlage zur Ethylen-Produktion finanziert werden, die
zu den weltgrößten zählen wird. Der Auftrag ging an die Firma Linde.
Bereits im vergangenen Jahr hatte sich eine Delegation des Bunds der
Deutschen Industrie im Iran aufgehalten, um die Geschäftsmöglichkeiten
auszuloten. Die deutsche Wirtschaft, die bis in die achtziger Jahre
hinein glänzende Geschäfte mit dem Iran getätigt hatte, versucht ihre alten
Beziehungen möglichst rasch wieder aufzubauen, bevor US-Firmen zu weit in
diesen Markt vordringen. Auch etliche der europäischen Staaten, die sich
moralischer Skrupel schneller entledigen konnten, hatten sich bei lukrativen
Geschäften vorgedrängelt. Der Vorsitzende des Bundesverbandes des deutschen
Groß- und Außenhandels, Michael Fuchs, erklärte denn auch, das "Potenzial, das
im deutsch-iranischen Handel schlummert", sei "derzeit bei weitem nicht ausgeschöpft."
Auf der Hauptkundgebung gegen Khatamis Besuch, die am Brandenburger Tor
stattfand, prangerten die Demonstranten das Regime in Teheran
an. Sie verwiesen darauf, dass seit dem Amtsantritt des angeblichen
"Reformers" 560 Todesurteile ergangen und mindestens 11 öffentliche
Steinigungen erfolgt seien. Die Einladung Schröders, hieß es auf
Transparenten, "legitimiert Teherans Verbrechen am iranischen Volk".
Doch was ist von den "Grünen" zu hören? Fischer hofiert den Iran ebenso
wie er es bereits mit China getan hat, dessen Menschenrechtsverletzungen
ihm nichts bedeuten. Vor den TV-Kameras schüttelte er die Hand des
Dalai Lama und äußerte zugleich, nichts für Tibet tun zu können.
Von der "grünen" Bundestagsabgeordneten Rita Grießhaber, die nicht
mehr vorweisen kann, als daß sie Khatami kurz vorgestellt worden sei,
sind nur hohle Politikerphrasen zu vernehmen: Joschka Fischer habe
Khatami "sehr direkt auf Menschen- rechtsverletzungen angesprochen".
Wir dürfen uns darunter vorstellen, daß er ihn (hinter verschlossenen Türen)
mit gerunzelter Stirn und ernstem Blick zwischen die Augen Khatamis
gerichtet mit erhobener Stimme oder erhobenem Zeigefinger gemahnt hat...
Obwohl Khatami jetzt seit drei Jahren an der Macht ist und sich nichts zum
Besseren verändert hat, weiß Frau Grießhaber nichts anderes, als die altbekannten
Phrasen nachzubeten, Khatami gehöre zu den "Reformern" und es seien die
"Konservativen", die die Justiz beherrschten. Während des iranisch-irakischen
Krieges war Khatami Chef der Propaganda-Abteilung Khomeinis. Er hat Tausende
auf dem Gewissen. Nach dem Krieg arbeitete er als hoher Berater Khomeinis,
heute führt er die Sicherheitsdienste. All dies ist bekannt.
Doch Frau Grießhaber will uns weismachen, wir dürften "uns keine Illusionen
machen, daß Khatami tatsächlich etwas für die Gefangenen tun kann." Wozu
dann überhaupt Joschkas erhobener Zeigefinger? Damit erklärt sie doch selbst
dieses mickrige moralische Feigenblatt für wirkungslos!
Dann erzählt sie uns, "daß selbst Reformer aus dem engen Umkreis Khatamis
Ziel strafrechtlicher Verfolgung geworden sind." - Als sei dies z.B. bei Stalin oder
Chruschtschow anders gewesen.
Ich will mir kein Urteil anmaßen, wie diese Aussagen bei ihr, die ich in den 80-er
Jahren näher kannte, zu erklären sind. Insgesamt sind die "Grünen" heute ein
heuchlerischer Verein wie alle anderen Parteien. Angesichts Kriegsbeteiligung,
AKW-Bestandssicherung und Menschenrechtszynismus schäme ich mich,
einmal diese Partei 1979 mitbegründet zu haben.
Klaus Schramm
Ettenheim