Leserbrief an die Badische Zeitung vom 18.04.2000
- nicht veröffentlicht
Zum Artikel 'Schröder warnt vor Streit in der SPD' in der Badischen Zeitung v. 18.04.2000
und zu den neuesten Äußerungen von Wirtschaftsminister Müller
Bundeskanzler Schröder hat noch nie irgendein Thema Ernst genommen und so ist es in doppelter
Hinsicht vergebliche Liebesmüh, wenn ein paar übriggebliebene Halblinke in der SPD ihn an sein
Wahlversprechen erinnern, Arbeitsplätze zu schaffen. Schröder interessiert sich für nichts anderes
als seine Wirkung in den Medien.
Es ist in der einen Hinsicht vergebliche, weil es Schröder (mit der zeitweiligen Unterstützung
Lafontaines) geschafft hat, die SPD in einen stromlinienförmigen Tanker umzuformen, dessen
Besatzung nur noch von ihm vorgegebenes Sangesgut trällern darf. Blairs Labour Party bzw.
deren Überreste stand Pate. Der Vergleich mit dem Gesangsverein und dem Dirigenten ist im
übrigen auch an der Parteibasis eine liebgewonnene Metapher, um Diskussion abzuwürgen.
Bezeichnend ist allein schon, daß das Disharmonie verbreitende Grüppchen in der SPD sich wie
weiland CDU-Linke, laut eigener Benennung mit Arbeitnehmer-Fragen beschäftigt.
In zweiter Hinsicht ist diese Bemühung vergeblich, weil es schlicht unmöglich ist, das Ziel zu
erreichen. Immer noch hängt eine überwiegende Mehrheit in allen politischen Lagern dem Trugbild
nach, mit Prosperität und Wirtschaftswachstum ließe sich die Gesamtsumme der zu verteilenden
Arbeitszeit wieder vermehren. Manche meinen auch, im Umweltsektor ließen sich mehr Arbeitsplätze schaffen als durch den Wegfall umweltzerstörerischer Produktion verloren gehen würde.
Wir werden uns damit abfinden müssen, daß die Gesamtsumme der zu verteilenden Arbeitszeit
weiter abnehmen wird. Und solange der in dieser Gesellschaft auch in der Arbeitnehmerschaft
dominierende Egoismus weiter zunimmt, wird es auch nicht - zumindest nicht in merklichem
Umfang - möglich sein, Arbeitsplätze durch Einführung von mehr Teilzeitarbeit zu vermehren.
Allenfalls besteht ein Weg darin, die Arbeitslosenstatistiken (weit krasser als dies unter Kohl
schon geschah) zu beschönigen und zu fälschen, indem unsere Regierung dem Beispiel der USA
folgt und einen entsprechend hohen Teil der Bevölkerung (und der entsprechenden Schichten)
in die Gefängnisse verfrachtet. Dieser Weg dürfte hierzulande allerdings nicht ganz so einfach
sein und da Schröder das Thema sowieso nicht Ernst nimmt, wird bis zur nächsten Bundestagswahl
schlicht gar nichts geschehen. Da aber eben dieses Thema der Hauptgrund war, warum Kohl
abgewählt wurde, nachdem die Deutschen ihm das Arbeitsplatzversprechen mit bewundernswürdiger
Glaubensinbrunst sechzehn Jahre lang abgekauft haben, und ihr Vertrauen diesmal Schröder
schenkten, wird es bei der kommenden Bundestagswahl über den Fortbestand von "rot-grün"
und insbesondere über die Kanzlerschaft von Schröder entscheiden.
Wer die Historie zu Rate zieht, wird schließlich mit mir in der Einschätzung übereinstimmen,
daß die Deutschen den Konservativen einen Betrug weit großzügiger nachsehen als einem
SPD-Bundeskanzler. Und ich wage die Prognose, daß die hohe Arbeitslosenquote Schröder
bei der nächsten Bundestagswahl das Genick brechen wird.
Klaus Schramm
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