Leserbrief an die Badische Zeitung vom 31.05.2000
- veröffentlicht am 2.05. als
'Das hat mit "Nachhaltigkeit" nichts zu tun'
Ein typisches Beispiel für die Art, wie der Begriff Nachhaltigkeit heute mißbraucht wird, ist im Artikel über die Expo 2000 v. 27.05. zu finden. Der Pavillon des Schweizer Architekten Peter Zumthor, den ich hier nicht bewerten möchte, wird mit folgendem Kommentar gerühmt und zum Besuch empfohlen: "Ein gewaltiges Lager von frisch geschlagenen Kanthölzern hat Zumthor zu sieben Meter hohen Wänden aufgetürmt und zu einem Labyrinth zusammengesetzt. Ein Bau, der das Konzept der Nachhaltigkeit perfekt einlöst - das Holz kann nach der Weltausstellung weiter benutzt werden."
Der Begriff der Nachhaltigkeit kommt nun zufällig aus dem Bereich der Forstwissenschaft und bedeutet, daß nur soviel Rohstoff (Holz) einem System (Wald) entnommen werden darf, wie im selben Zeitraum wieder nachwächst und daß dieser Gleichgewichtszustand aktiv aufrechterhalten wird. Nachhaltigkeit ist also grundlegend für das Verständnis einer Gleichgewichtswirtschaft.
Das Versprechen, einmal benutztes Holz einer zweiten Nutzung zuzuführen (, was nicht mal echtes Recycling ist), hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun, sondern hat - in diesem Zusammenhang - eher Alibicharakter. Noch schlimmer allerdings wird es, wenn in fast jeder Politikerrede das Wort 'nachhaltig'
auftaucht. Es ist in den letzten Jahren zu einem völlig inhaltsleeren Modewort verkommen, das im Kontext nicht mehr besagt als 'super', 'Mega-' oder 'geil'... Besonders beliebt ist z.B. die Floskel, dies oder jenes solle 'nachhaltig gefördert' werden.
Aber auf einer Ausstellung wie der Expo 2000, bei der sich expandierende Großtechnologien wie Atomkraft (China!) oder Gentechnologie zentral präsentieren, hat natürlich eine Idee wie die der Nachhaltigkeit nichts zu suchen.
Klaus Schramm
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