Rudolf Scharping, Verteidigungsminister:
"In einem solchen, nennen wir es mal Krieg, in einer solchen Auseinandersetzung, gibt es leider in gewissem Umfang auch Opfer, die man gar nicht beabsichtigt
und die man unbedingt vermeiden will."
Klaus Bednarz: "Recht hat er, der Minister Scharping - es ist Krieg. Und da leiden eben auch mal Zivilisten. "Kollateral-Schäden" nennen das die
Militärs. Zu deutsch: Ein bißchen Schwund ist immer.... Guten Abend, meine Damen und Herren, willkommen bei MONITOR. Seit 30 Tagen bombardiert
die NATO Jugoslawien und legt dabei militärische wie zivile Ziele in Schutt und Asche. Doch keines der ursprünglichen Kriegsziele wurde - nach Aussage
der NATO selbst - erreicht: Die Vertreibungen wurden nicht gestoppt, sondern erst richtig in Gang gesetzt, keine einzige Greueltat im Kosovo verhindert. Und Milosevic
scheint politisch stärker als je zuvor.
Nun heißt das neue Kriegsziel: Rückkehr der Flüchtlinge in das Kosovo. Doch selbst wenn dies - irgendwann einmal - politisch möglich
sein sollte, was niemand weiß, wird das Kosovo in weiten Teilen unbewohnbar sein - zerstört von Serben, aber auch von Albanern und der NATO.
Jetzt will die NATO sogar Waffen einsetzen, die Teile des Landes auch radioaktiv verstrahlen könnten. Uran-Granaten, abgefeuert von Flugzeugen und
Hubschraubern. Sie wurden bereits im Golfkrieg eingesetzt und verstrahlten tausende irakische Zivilisten und US-Soldaten. Viele von ihnen sind inzwischen an
Krebs erkrankt oder sogar tot. Ein Bericht von Jo Angerer, Johannes Höflich und Mathias Werth."
Dreitausend Schuß pro Minute kann der Pilot aus der Bordkanone des amerikanischen Kampfflugzeugs vom Typ A-10 abfeuern - dreitausend Schuß einer
Spezialmunition, die im Kosovo serbische Panzer stoppen und zerstören soll. 22 dieser A-10-Bomber setzt die NATO im Kampf gegen die Serben ein. Sie starten
und landen im italienischen Stützpunkt Aviano. Diese äußerlich unscheinbar wirkende 30mm-Spezialmunition der A-10 hat eine furchtbare Wirkung.
Sie ist deshalb so wirkungsvoll, weil in ihrem Innern ein Metallkern aus radioaktivem Uran-238 eingeschlossen ist, sogenanntes abgereichertes Uran. In diesem
Hochsicherheitstrakt der amerikanischen Armee wird die radioaktive Uran-Munition getestet und hergestellt. Das Uran ist so hart, daß es die Panzerung
durchschlägt. Weil es auch brennbar ist, entzündet es sich durch die Reibung und verschmort den Panzer von innen. Radioaktive Partikel werden
als Staubwolke freigesetzt. Mit verheerender Wirkung: Schon 1991 im Golfkrieg gegen den Irak hatten die USA diese Uran-Granaten eingesetzt - vor allem in der
Gegend um Basra. Die Folgen: Die Krebsrate hat sich nach amerikanischen Untersuchungen in dieser Region vervielfacht, und besonders Kinder erkranken hier
an Leukämie, also Blutkrebs, oder sie leiden häufiger unter schweren Nieren- und Leberschädigungen. In der Region um das zerstörte
Basra sind diese Schäden in den Krankenhäusern auch bei den Kindern zu beobachten, die nach dem Golfkrieg geboren wurden. Der kanadische
Chemiker Dr. Hari Sharma hat in seinem Universitätsinstitut in Toronto in den letzten Jahren die Folgen der amerikanischen Uranmunition bei irakischen
Kindern dokumentiert. Auch heute findet er immer noch meßbare Spuren in den Körpern der Bevölkerung von Basra. Nach seinen Berechnungen
werden nach dem Golfkrieg bis zu 35.000 Menschen zusätzlich daran sterben.
Dr. Hari Sharma, Chemiker, Toronto: "Abgereichertes
Uran geriet dort über Staubpartikel in die Lungen. Dort akkumuliert sich dieses Uran und wird nur sehr langsam abgebaut und ausgeschieden. Während
sich das Uran im Körper befindet, strahlt es in kleiner, radioaktiver Dosis aus. Und deshalb registrieren wir dort eine deutlich wachsende Krebsrate."
Mike Stacey war als US-Soldat im Golfkrieg. Jetzt ist er 29 und lebt hier als schwerkranker Mann mit seiner Ehefrau. Er und einige seiner Kameraden erkrankten nach
dem Kontakt mit Splittern von freigesetzter Uranmunition. In seinem Körper wurden radioaktive Spuren des Urans festgestellt. Er wird seitdem in einem
medizinischen Spezialprogramm der US-Armee betreut. Damals wußte er nichts von möglichen Folgen der radioaktiven Granaten.
Mike Stacey, Golfkriegs-Veteran: "Ich habe
chronische Gedächtnisstörungen, Atemprobleme, ich habe Hautausschläge, es sind ganz verschiedene Symptome bei mir festgestellt worden.
Ich habe auch ein Geschwür in der Brust. Oft habe ich Herzrhythmusstörungen und häufig solche Herzattacken, daß ich glaube, sterben
zu müssen."
Sharon Stacey, Ehefrau: "Ich kenne so viele Opfer
dieses Krieges. Der ist nun schon seit neun Jahren vorüber, aber wir müssen die Folgen unser ganzes Leben lang ertragen."
"Abgereichertes Uran - Die Gefahr erkennen" - ein internes Aufklärungs-Video der US-Armee, mit dem die eigenen Soldaten vor der radioaktiven Uran-Munition
gewarnt werden. Gefahr für Leib und Leben drohe, so heißt es, "wenn man mit dem radioaktiven Material innerhalb oder außerhalb des Körpers"
in Kontakt komme. Gefahr drohe sogar beim Essen und Trinken, wenn der Uranstaub auf die Mahlzeit riesele. Er dürfe weder in den Magen noch in die Lunge
geraten, warnt die US-Armee. In Schutzkleidung müsse kontaminiertes Material, wie zum Beispiel getroffene Panzer, unmittelbar versiegelt und fortgeschafft
werden. Beachte man diese Vorsichtsregeln beim Umgang mit der Uran-Munition nicht, dann sei dies lebensgefährlich, so warnt die US-Armee ihre Soldaten.
Anders als nach außen dargestellt, sind die amerikanischen Militärs, hier im Pentagon in Washington, über die Folgen ihrer Uran-Munition sehr
beunruhigt. Mit großem Aufwand setzten sie Spezialisten zur Untersuchung der Folgen für Mensch und Umwelt ein.
Professor Doug Rokke war Direktor dieser Expertengruppe des US-Verteidigungs- ministeriums. Er ist Arzt und Umweltphysiker am medizinischen Institut der renommierten
Universität von Jacksonville, Alabama. Im Irak hat er über Jahre mit seinem Team die Folgen der radioaktiven Uran-Munition untersucht.
Prof. Doug Rokke, Arzt und Umweltphysiker:
"Es ist festzustellen, daß dieses radioaktive Material dort noch immer herumliegt und auch dort bleiben wird. Es gibt keinerlei Möglichkeit, es wegzuschaffen
oder aufzulösen. Das einzige wäre, es Stück für Stück aufzusammeln und es irgendwo anders sicher endzulagern. Es ist wirklich sehr viel
gefährlicher als zum Beispiel Landminen."
Später leitete Professor Rokke die gesamte Forschung der US-Armee zur Uran-Munition und verfaßte auch die militärischen Dienstanweisungen
für US-Soldaten. Während seiner wissenschaftlichen Untersuchung im Irak waren auch Mitglieder des Expertenteams erkrankt, zwei von ihnen starben.
Obwohl der Urankern dieser Granaten nur schwach radioaktiv strahlt, waren die Folgen so schlimm, daß die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen
reagierte. Sie hat in einer Resolution alle Waffen als menschenverachtend geächtet, die abgereichertes Uran enthalten.
Die Gefährlichkeit der Uran-Munition ist umfassend dokumentiert. Nur der grüne deutsche Außenminister Joschka Fischer will dies offenbar nicht
wahrhaben. Auf Anfrage schrieb er noch vor zwei Wochen:
Dem Auswärtigen Amt ist bekannt, daß solche Munition im Kosovo-Konflikt zum Einsatz kommen kann... [Es] ist jedoch davon
auszugehen, daß Gefährdungen der von Ihnen beschriebenen Art für Mensch und Umwelt nicht auftreten.
So protestierte Fischer auch nicht dagegen, daß seit gestern 24 amerikanische Apache-Hubschrauber an der Grenze zum Kosovo eingesetzt werden.
Wie die A-10-Bomber können sie ebenfalls Uran-Granaten abschießen. Die Uran-Munition gehört zur Standardbewaffnung der Apaches.
Prof. Doug Rokke, Umweltphysiker:
"Die Apaches und die A-10 feuern in jeder Minute tausende Uran-Geschosse ab. Jedes Geschoß enthält rund ein halbes Pfund Uran-238.
Wir bekämpfen die Serben, damit die vertriebenen Kosovaren zurückkehren können. Aber wie sollen die Kosovaren in diese Gegend
zurückkehren können, in eine radioaktive Wüste, wo ihr Land, ihre Städte mit Uran-Geschossen übersät sind?"
Klaus Bednarz: "Die NATO hat inzwischen den geplanten Einsatz dieser Waffen zugegeben. Sie seien, so ein NATO-Sprecher, ganz harmlos.
Gefährlich sei es nur, wenn man ein paar Granaten essen würde. Informationspolitik im Krieg... Übrigens: Auch in Deutschland sind
derartige radioaktive Waffen stationiert - unter anderem auf dem US-Flughafen Spangdahlem in der Eifel."
1999 Westdeutscher Rundfunk
Stand: 17.05.1999 00:02