Tod durch Abschiebung
Beim Prozeß gegen drei Beamte des Bundes-"Grenz"-Schutzes (BGS) in Frankfurt a.M. kamen diesen Monat einige Details ans Tageslicht, die einen Lufthansa-Kapitän schwer belasten. Bei diesem Prozeß soll der Tod von Amir Ageeb aufgeklärt werden, der beim Versuch, ihn abzuschieben, ums Leben gekommen war.
Am Dienstag, 16. März, reichte die Münchner Rechtsanwältin Gisela Seidler im Namen des 'Aktionsbündnisses gegen Abschiebungen, Rhein-Main' bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige gegen Eike R., den Piloten des Fluges LH 588 ein. Neben die BGS-Beamten gehört nach Auffassung der MenschenrechtsaktivistInnen auch dieser Lufthansa-Pilot auf die Anklagebank. Ihn wird fahrlässige Tötung durch Unterlassen vorgeworfen.
Die Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht Frankfurt a.M. ergab, daß Aamir Ageeb unter den Augen des Kapitäns bereits gefesselt und mit Helm auf dem Kopf ins Flugzeug getragen wurde. Der Pilot wurde darüber informiert, daß mit erheblichem Widerstand Ageebs zu rechnen sei. Schon hier hätte er einschreiten und einen Transport verweigern müssen. Eike R. war zugegen als Aamir Ageeb an den Sitz fixiert wurde und billigte diese Fesselungsmethode, die nach den Regeln der Luftverkehrssicherheit untersagt ist. Der Pilot hatte sich im direkten, persönlichen Kontakt mit Aamir Ageeb überzeugen können, daß dieser seine Abschiebung nicht hinnehmen werde. Und trotz der ihm gegenüber geäußerten Bedenken der Chef-Stewardess stimmte der Kapitän dem Zwangstransport zu.
Es wurde vom Gericht bereits festgestellt, daß Aamir Ageebs Tod in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Fesselung und Fixierung im Flugzeug steht. Dem Kapitän, der nicht nur für die Sicherheit des Fluges sondern auch aller Passagiere verantwortlich ist, kommt eine besondere Verantwortung im strafrechtlichen Sinne zu. Er hätte den Transport von Ageeb in gefesseltem Zustand unter allen Umständen ablehnen müssen. Sein Unterlassen war kausal für Ageebs Tod.
"So etwas darf nie wieder passieren", begründet Hagen Kopp vom 'Aktionsbündnis gegen Abschiebungen, Rhein/Main' den Schritt zur Anzeige wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung durch Unterlassung. "Kein Flugzeug-Kapitän, nicht bei Lufthansa und bei keiner anderen Airline, darf Menschen gegen ihren Willen transportieren."
Die Pilotenvereinigung Cockpit hatte ihre Mitglieder bereits im Jahr 2000 aufgefordert, das Kriterium "willing to travel" jeder Entscheidung über einen Transport zu Grunde zu legen - wie dies auch der Policy der internationalen Pilotenvereinigung IFALPA entspricht. Aber das ist bis heute nicht der Fall: bei Lufthansa wie
auch bei anderen Fluggesellschaften wird weiter abgeschoben. Und ein erheblicher Anteil ihrer Einnahmen basiert auf diesem "Geschäft".
Harry Weber