17.11.2002

AK End
Nichts anderes als eine weitere
Propaganda-Kommission

1. Ist eine "Endlagerung" überhaupt möglich ?

Abgebrannte Brennstäbe aus AKWs und anderer radioaktiver Müll kann niemals "endgelagert" werden. Die darin enthaltenen strahlenden Transurane machen diese Abfälle für erdgeschichtliche Zeitspannen gefährlich. Plutonium beispielsweise hat eine Halbwertszeit von über 25.000 Jahren. Das bedeutet konkret, daß von einem Kilogramm Plutonium beispielsweise nach 100.000 Jahren immer noch rund 63 Gramm unvermindert tödliche Strahlung aussenden. Ein einziges Milligramm dieses Stoffs in der Lunge ruft unweigerlich Krebs hervor. Radioaktive Abfälle müßten also für Zeiträume sicher vor der Biosphäre abgeschlossen werden können, die den Zeitraum der gesamten bisherigen Menschheitsgeschichte übertreffen.

Die ältesten bekannten Keilschriften hinterließen die Sumerer vor 5.000 Jahren. In 8.000 bis 12.000 Jahren spätestens wird der heutige Sprachschatz komplett verloren sein. Niemand wird mehr die Warnschilder vor atomaren "Endlagern" entziffern können. Als "Lösung" dieses Problems wurde schon ernsthaft vorgeschlagen, eine spezielle Priesterkaste zu begründen, um das Wissen um die Gefährlichkeit der "Endlager" zukünftigen Generationen zu übermitteln.

Seit dem Beginn der Nutzung der Atomenergie (leider nicht zuvor) wird weltweit nach einem geeigneten "Endlager"-Standort gefahndet, doch nirgendwo ist bisher ein "Endlager" für hochradioaktive, stark Wärme entwickelnde Abfälle in Betrieb. In Deutschland werden seit über zwanzig Jahren ehemalige Salzbergwerke "erkundet". Nach wie vor ist deren geologische Langzeitstabilität wissenschaftlich zumindest umstritten. In den USA und Kanada wurden Salzstöcke bereits vor Jahren aus geologischen Gründen als mögliche "Endlager" verworfen. Die US-Regierung propagiert inzwischen den Schelztuff des Yucca Mountain als "ideales Wirtsgestein", ein Standort in der Nähe des Atomtestgelände von Nevada. In Finnland und Schweden werden tiefliegende Granitformationen politisch favorisiert, Standorte in der Nähe bestehender Atomkraftwerke. In Frankreich sind wiederum Granitformationen aus dem Rennen und allein ein Standort im lothringischen Tonschiefer, unter dem Örtchen Bure im Departement Meuse, mit ähnlich dünner Bevölkerung und in Grenzlage wie ehemals Gorleben an der Grenze zur DDR, kommt noch in Frage. Ebenfalls an der Grenze (zu Deutschland) und in einem Gebiet, das politisch wenig Widerstand erwarten ließ, will die Schweizer Regierung den Ort Benken am Hochrhein mit einer Schicht Opalinuston im Untergrund zum optimalen "Endlager" erklären.

Keine der ins Spiel gebrachten geologische Formation ist wirklich sicher und über die unabdingbar langen Zeiträume geologisch inaktiv. Aber das ist auch gar nicht das eigentliche Kriterium. Die Gemeinsamkeiten aller diskutierten "Endlager"-Standorten sind offensichtlich nicht geologischer, sondern politischer Natur.

2. Warum ist die fehlende "Entsorgung" nach wie vor eines der Hauptargumente gegen Atomkraft?

Obwohl die "Entsorgung" des Atommülls laut § 9a Abs. 1 des Atomgesetzes vor der Genehmigungserteilung und während der gesamten Dauer des Betriebs nachgewiesen werden muß, ist dies bisher unterlaufen worden. Da kein Endlager vorgewiesen werden kann, wurde bisher die "Wiederaufarbeitung", die den Atommüll vervielfacht und das Hin- und Hergeschiebe von einem Standort zum nächsten als "Entsorgung" anerkannt. Was Wolfgang Roth am 21.10.02 in der Süddeutschen Zeitung in seinem Artikel "Atom-Endlager / Standortsuche: Reise ins Ungewisse" schrieb, darf immer wieder hervorgehoben werden: "Das stützt die These der Kernkaftgegner, die zivile Nutzung der Atomenergie gleiche einem Flugzeug, das schon gestartet sei, bevor die Landebahn gebaut ist."

Da es sich bei einem "Endlager" aus den bekannten Gründen niemals um eine echte Lösung des Problems, sondern nur um eine Not-Lösung wird handeln können, gilt in der Anti-AKW-Bewegung schon immer der Grundkonsens: Über die Frage "Wohin mit dem Atommüll?" wird erst diskutiert, wenn der Atomausstieg stattgefunden hat. Denn wenn es zu einer bundesweiten, "konstruktiven" Diskussion unter Beteiligung der Anti-AKW-Bewegung käme, wäre wohl unvermeidbar, daß die lokalen Anti-Atom-Initiativen gegeneinander ausgespielt würden. Alsbald könnte es heißen: "Wenn die Bevölkerung in Gorleben sich nicht als verantwortungsvoll erweist, müssen die armen Menschen im Schwarzwälder Menzenschwand, wo die geologischen Voraussetzungen nicht so optimal sind, das Opfer im Sinne nationaler Verantwortung auf sich nehmen..." (die nationale Verantwortung für die Profite der Atomindustrie, wäre allerdings zu ergänzen).

3. divide et impera

Alle paar Jahre wird versucht, eine solche nationale Diskussion über "Endlager"-Stätten anzuschieben - bisher ohne Erfolg. Gorleben als deutsches "Endlager" konnte bisher nur soweit verhindert werden, weil AtomkraftgegnerInnen aus dem gesamten Bundesgebiet sich mit dem wendländischen Widerstand solidarisiert haben. Die "rot-grüne" Bundesregierung hatte es nun ganz originell mit einer Kommission, dem "AK End", versucht. ExpertInnen wurden berufen, die - völlig "ergebnisoffen" - Kriterien für einen nationalen Endlagerstandort ausarbeiten sollten. Damit solle der Endlagersuche eine "neue Qualität" verliehen werden, hieß es.

Was wäre nun aber, so ist zu fragen, wenn diese Kommission zum Schluß gekommen wäre, daß die erarbeiteten Kriterien - zumindest in Deutschland - an keinem Ort zu erfüllen sind. Die Frage ist einfach zu beantworten. In einem Sitzungsprotokoll des "AK End" vom 10.05.01 ist zu lesen: "Der Arbeitskreis ist der Überzeugung, daß eine sichere Endlagerung in Deutschland möglich ist. Ohne diese Überzeugung wäre die Arbeit des Arbeitskreises sinnlos." Die Kriterien müssen also erfüllbar sein. Notfalls müssen eben die Kriterien aufgeweicht werden, damit das mögliche Ergebnis "Kein Standort in Deutschland erfüllt wissenschaftlich fundierte Kriterien an ein atomares Endlager" auszuschließen ist. Soviel zum Anspruch "ergebnisoffen".

Im Juni dieses Jahres (2002) haben sich nun mehrere Umweltverbände, die sich zunächst auf dieses Trittinsche Spielchen eingelassen hatten, aus dem "AK End" verabschiedet und kündigten die Zusammenarbeit auf. Begründet wurde dies in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit der Genehmigung von Schacht Konrad als Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle durch die niedersächsische Landesregierung. Trittin hätte diese Genehmigung, wenn denn seine Politik ehrlich wäre, verhindern können. Den Umweltverbänden dämmerte nun, daß "die Ankündigung der Bundesregierung unglaubwürdig (geworden sei), der Endlagersuche eine neue Qualität zu verleihen."

"Wie schon im Fall Gorleben gelten auch bei der Auswahl von Schacht Konrad als Endlager erneut nur politische und nicht fachliche Kriterien", bemerkte nun endlich auch die Atomexpertin im BUND-Bundesvorstand Renate Backhaus. Schacht Konrad wurde nur ausgewählt, weil sich das stillgelegte Eisenerzbergwerk zufällig anbot. Minimalvoraussetzung für eine sachgerechte Standortauswahl wäre eine vergleichende Suche gewesen. Diese fand nie statt. Die Genehmigung beruht auf nahezu 20 Jahre alten Sicherheitsnachweisen, die bereits damals umstritten waren und durch neuere wissenschaftliche Erkenntnisse völlig obsolet geworden sind.

Bettina Dannheim, Energiereferentin von ROBIN WOOD, kritisierte das doppelte Spiel von Trittin. Auf der einen Seite habe er immer wieder betont, dass er am Ein-Endlager-Konzept festhalte, daß also sowohl schwach- und mittelradioaktive als auch hochradioaktive Abfälle in ein einziges Endlager kommen sollten, und Schacht Konrad nicht notwendig sei. Auf der anderen Seite hatte die Bundesregierung den Energieversorgungsunternehmen aber schon mit dem so genannten "Atomausstieg" zugesichert, Schacht Konrad zügig zu genehmigen.

4. Was bringt die Zukunft ?

Es ist nur zu hoffen, daß die Umweltverbände insgesamt aus dieser Geschichte die nötigen Lehren ziehen. Trittin hatte ja ganz unverhohlen damit argumentiert, daß nun doch der Atomausstieg vollzogen sei und also "unverkrampft" über die Endlagerung diskutiert werden könne. Wir sollten einmal ein paar Jahre in die Zukunft denken: 2006 steht die nächste Bundestagswahl an. Als einziges AKW wird Stade abgeschaltet sein; allein aus Gründen der Rentabilität. Aber unverdrossen wird wird "Rot-Grün" versuchen, uns dies als Beweis für den "Atomausstieg" zu verkaufen.

Vorausgesetzt einmal, es hat in den Jahren bis 2006 eine Diskussion über Endlagerstandorte stattgefunden, wird es dann heißen: "Jetzt ist lange genug diskutiert, jetzt muß entschieden werden." Auch eine Diskussion, die (für die AKW-GegnerInnen) öffentlich aufgezeigt hat, daß es keinen geeigneten Standort gibt, wird als Legitimation für eine Entscheidung mißbraucht werden können. Haben wir erst ein "Endlager" in Deutschland, ist die Anti-Atom-Bewegung nicht nur eines unserer wichtigsten Argumente beraubt, sondern auch einer der wichtigsten praktischen Widerstandsmöglichkeiten. Nur wegen eines nicht vorhandenen Endlagers müssen die WAAs und die Zwischenlager als "Entsorgungsnachweise" gegenüber den Gerichten herhalten - aber das ist nur eine zeitlich befristete Zwischenlösung für die Atomindustrie und mit zunehmender Atommüllmenge wird ihre Lage immer prekärer. Und mit zunehmender Finanzknappheit wird es für die Bundesregierung immer schwieriger, die für den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke notwendigen Transporte mit Millionen Euro teuren Polizeieinsätzen zu finanzieren. Ob es also zu einer gesellschaftlich relevanten öffentlichen Diskussion über "Endlager"-Standorte in Deutschland kommen wird, dürfte sich als eine entscheidende Weichenstellung für die Zukunft erweisen.

 

Ute Daniels

 

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