25.03.2001

Artikel

AKWs und Naturzerstörung
- weitgehend unbekannt

Im Gegensatz zur Unfallgefahr, der völlig ungeklärten Endlagerung des Atommülls oder den Krebsfällen infolge des ganz "normalen" Betriebs von AKWs sind Umweltzerstörungen, die durch AKWs bedingt sind, wie beispielsweise der Bau von Talsperren zur Wasserversorgung von AKWs, weitgehend unbekannt.
Ein solcher Fall von Umweltzerstörung ist nun südlich von Heilbronn zu konstatieren.

AKWs wurden fast immer an Flüssen gebaut. Deren Wasser wird als Kühlmittel mißbraucht. Denn die Stromerzeugung in AKWs ist physikalisch eine völlig antiquierte Methode. Uranbrennstäbe können nur dazu benutzt werden, um Wärme zu erzeugen. Diese Wärme kann nicht zu Heizzwecken eingesetzt werden, da AKWs nicht in der Nähe von Siedlungen gebaut werden können. Deshalb wird die im Rohstoff Uran relativ billig zur Verfügung stehende Energie über Dampfturbine und Generator in Strom umgewandelt. Diese Umwandlung ist entsprechend den Gesetzen der Physik recht verlustreich: Nur rund ein Drittel der eingesetzten Wärmeenergie kann zu Strom "veredelt" werden. Zwei Drittel der freigesetzten Energie sind unnütze "Abwärme" und müssen irgendwo hin. Dazu wird das Wasser der Flüsse benötigt, das in den riesigen Kühltürmen verdunstet wird und somit die lästige Abwärme in die Atmosphäre trägt.

Der Mißbrauch der Flüsse durch die AKW-Betreiber hat jedoch neben der Aufheizung der Atmosphäre durch AKWs noch andere gravierende Natur- zerstörungen zur Folge.

AKWs sind Grundlastkraftwerke. Dieser Begriff suggeriert einen Vorzug und verschleiert einen großen Nachteil dieser Art von Stromerzeugung. Ähnlich wie Supertanker sind AKWs sehr reaktionsträge und somit schwer zu lenken. Um sie "herunterzufahren" müssen die Brennstäbe mit Uran aus dem Reaktordruckgefäß herausgezogen werden. Ebenso langwierig ist es, einen Reaktor wieder "hochzufahren". Dies wird von den Betreibern nach Möglichkeit vermieden und soll auf die Zeiten des unabdingbaren Wechsels der Brennelemente beschränkt werden. Öl- oder Gaskraftwerke beispielsweise sind im Gegensatz hierzu sehr flexibel einsatzfähig, da sie schnell ein- und abgeschaltet werden können - je nachdem, wenn im Stromnetz gerade hoher Bedarf besteht.

Um nun AKWs möglichst rund um die Uhr und zu jeder Jahreszeit unter Vollast betreiben zu können, muß immer eine bestimmte Mindestmenge Kühlwasser zur Verfügung stehen. Niedrigwasserstände der Flüsse bedeuten für die Betreiber hohe Verluste und deshalb haben die Energieversorgungs- unternehmen (EVU) immer alle Hebel in Bewegung gesetzt, um an den Flüssen und Nebenflüssen Stauseen und Speicherbecken bauen zu lassen - ohne Rücksicht auf die Folgen für die Natur.

Die Kraftwerke am Neckar verdampfen täglich hundert- tausende Tonnen Kühlwasser. Der Neckar gerät deshalb bei niedrigem Pegelstand häufig an den Rand des biologischen Zusammenbruchs. Wenig bekannt ist, daß am Neckar und seinen Zuflüssen etliche naturzerstörerische Staudamm- projekte von Bürgerinitiativen zu Fall gebracht werden konnten. Zu den gescheiterten Plänen der EVUs zählt eine auf 100 Millionen Mark veranschlagte Talsperre im nördlichen Schwarzwald, eine Talsperre, die am Rand des Schwäbischen Alb geplant war, eine auf 150 Millionen Mark taxierte Pipeline vom Rhein zum Neckar, Pläne, die Seitenarme des Neckars auszubaggern und diese zu Speicherseen zu machen und Pläne, die Donau anzuzapfen oder einen Stollen vom Bodensee zum Neckar zu bauen. Hartnäckige Bürger- initiativen verteidigten das Eyachtal auf der Alb, das Waldach-, das Kleine Enz- und das Kleine Kinzigtal im Schwarzwald, ebenso gegen den Zugriff der EVUs wie das Mettertal bei Vaihingen/Enz und das Bühlertal zwischen Tübingen und Rottenburg. 1986 verhinderte der Volkszorn den Versuch der EVUs, den Kinzigtalstausee zu erweitern und durch einen neun Kilometer langen Stollen unter dem Schwarzwald hindurch mit dem Neckar zu verbinden.

Doch dieses Jahr mußte eine Niederlage hingenommen werden. Über zehn Jahre lang führte die 'Schutzgemeinschaft Ehmetsklinge' im südlichen Landkreis Heilbronn einen ungleichen Kampf gegen die Betreiber der AKWs Neckarwestheim und Obrigheim. All die Jahre hatte sie sich dagegen gewehrt, daß die Fläche des beliebten Badesees im Unterland auf knapp 14 Hektar verdoppelt und die Wassermenge auf 590.000 Kubikmeter verdreifacht wird. Doch das Stuttgarter Verwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Baustopp ab. Die Bauarbeiten sind inzwischen fertig und im April soll der neue See geflutet werden. Anfang März zog die Bürgerinitiative ihre Klage gegen den Bau des Speicher- beckens zurück: "Wir haben juristisch keine Chance mehr", begründeten die Mitglieder der 'Schutzgemeinschaft Ehmetsklinge' ihren Rückzug.

Mit den in Zukunft zur Verfügung stehenden 590.000 Kubikmeter des nun bald nicht mehr als Ehmetsklinge wiederzuerkennenden Staubeckens können die Atomstromer dann für zehn Tage dem Neckar in Trockenzeiten Frischwasser zuführen. Rund zehn Millionen Mark hat das AKW Neckarwestheim hierfür bezahlt. Offensichtlich lohnen die gewonnenen zehn Tage Investitionen in dieser Größenordnung. Im Verhältnis zu den Größenordnungen der Verdunstungsverluste von täglich hunderttausenden von Tonnen Wasser bedeutet dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

In den 80-er Jahren hat das Land Baden-Württemberg mit den EVUs eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung getroffen, wonach die Konzerne zum "vollen Ausgleich" der Verdunstungsverluste auf eigene Kosten verpflichtet wurden. Aber wie so oft: Papier ist geduldig. Denn die einzig machbare Konsequenz wäre die Abschaltung der in vielfacher Hinsicht naturzerstörerischen AKWs.

 

Klaus Schramm

 

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