Angeblicher Streit in schwarz-roten Verhandlungen ist reine Farce
Der Treibstoff der Atomkraftwerke, Uran, wird immer teurer, denn die weltweiten Vorräte gehen zur Neige. Die atomkritische ÄrztInnenvereinigung IPPNW erklärt aktuell vor dem Hintergrund der "schwarz-roten" Koalitionsverhandlungen, längere Laufzeiten für Atomkraftwerke als die im sogenannten Atomausstieg beschlossenen seien Unsinn. Denn den Betreibern geht bald das Uran aus.
IPPNW weist darauf hin, daß der Uranbedarf für die weltweit über 440 kommerziellen Atomkraftwerke bei rund 62.000 Tonnen pro Jahr liege. Allein in der EU werden nach öffentlich verfügbaren Angaben jährlich rund 20.000 Tonnen Uran zur Stromerzeugung in Atomkraftwerken benötigt.
Bekanntlich bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis. Während jedoch die Nachfrage ohne einen weiteren Ausbau der Atomenergie konstant bleibt, verkleinert sich das Angebot. Laut Angaben der 'Internationalen Atomenergieorganisation' (IAEO) ebenso wie der 'Nuclear Energy Agency' (NEA) in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem Jahr 1999 lag die Menge des - je nach Höhe der unterstellten Förderkosten - des mehr oder weniger "wirtschaftlich" abbaubaren Urans bei insgesamt noch 1,25 bis vier Millionen Tonnen.
Dabei handele es sich nur zum Teil um gesicherte, zum Teil jedoch um nur vermutete Uranvorkommen, so IPPNW. Die Gesamtmenge des - immer aufwendiger und entsprechend teuerer zu gewinnenden - Urans reicht demnach aufs Jahr 2005 berechnet nur noch 14 bis maximal 59 Jahre. Auch IPPNW verweist darauf, daß knappe Güter im allgemeinen immer teurer werden. Demzufolge dürfte der Uranpreis in den kommenden Jahren drastisch ansteigen. IPPNW stellt dies in den Gesamtzusammenhang unvermeidlich steigender Energiepreise wegen der zunehmenden Verknappung der fossilen Energieträger. Bei Erdöl war das weltweite Fördermaximum bereits in den Jahren 2000 oder 2001 erreicht und seitdem schrumpft das Angebot.
Vor diesem Hintergrund sei es verwunderlich, so IPPNW, wenn der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in seiner jüngsten Studie mit dem Titel "Ökonomische Auswirkungen alternativer Laufzeiten von Kernkraftwerken in Deutschland" annimmt, die Brennstoffkosten für Atomkraftwerke würden den kommenden 25 Jahren konstant bleiben. Es seien daher Zweifel am ökonomischen Sachverstand des 'Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln' erlaubt, das die Studie im Auftrag des BDI federführend erstellt hat.
"Angesichts des knappen Urans und der knappen fossilen Energieträger können wir es uns nicht leisten, noch mehr Zeit mit absurden Diskussionen um die Atomenergie zu verschwenden", erklärte Henrik Paulitz, Energieexperte der IPPNW, am Wochenende in Berlin. "Alle Kraft ist nun einzusetzen für eine drastische Reduktion des Energieverbrauchs und für die zügige Umstellung des Strom-, Wärme- und Verkehrssektors auf erneuerbare Energien. Ein solcher Umbau der Energiewirtschaft ist auch erforderlich, um Kriege um knappe Energierohstoffe wie Öl, Erdgas und Uran zu verhindern."
Im Hinblick auf die in den Mainstream-Medien zur Zeit lancierte Diskussion um einen "deutschen Atomausstieg" ist zudem daran zu erinnern, daß der Vertrag der "rot-grünen" Bundesregierung vom Jahr 2000 nicht allein eine Bestandsgarantie für die 17 gewinnträchtigen Atomkraftwerke darstellte, sondern darüber hinaus mit einer Reihe "geldwerter Vorteile" verknüpft war. So erklärte der SPD-Energieexperte und Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer dieser Tage: "Der Ausstiegskonsens war mit Gegenleitungen verknüpft. Wir haben auf eine wirkungsvolle Haftpflicht verzichtet. Wir haben als einziges Land in Europa keine Regulierungsbehörde geschaffen, bis uns die EU im Sommer dazu gezwungen hat. Die Konzerne dürfen ihre steuerfreien Rückstellungen für die atomare Entsorgung nach belieben verwenden. Sie hatten vom Atomkonsens einen jährlichen Vorteil von fünf bis sieben Milliarden Euro."
Zur Zeit kursiert ein Witz in der Anti-Atom-Bewegung: "Was ist der Unterschied zwischen dem rot-grünen Atomausstieg und einer schwarz-roten Laufzeitverlängerung? Antwort: Merkel ist Physikerin - sie kann die Laufzeit der AKWs auch dann noch verlängern, wenn das Uran zu Ende ist."
Adriana Ascoli