IPPNW veröffentlicht Chronologie von Notstrom-Fällen
Während in Schweden oder Japan Atomkraftwerke zumindest vorübergehend abgeschaltet werden, wenn in der Öffentlichkeit deren Unsicherheit allzu offensichtlich wird, produziert der deutsche Atom-Minister Gabriel kümmerliche, aber von Tag zu Tag längere Pressemitteilungen. Darin heißt es unter anderem: "Wir können es uns auf Grund des hohen Risikopotentials der Atomkraft weder national noch international leisten, Fehler erst dann zu erkennen, wenn Sie mehrfach aufgetreten sind und zu ernsten Sicherheitsbeeinträchtigungen führen." Doch diese Fehler - und schlimmere - sind längst erkannt und bekannt. Doch statt Konsequenzen zu ziehen, veranlaßt er Untersuchungen, um Klärungen zu veranlassen und so weiter.
Die atomkritischen ÄrztInnenvereinigung IPPNW veröffentlichte heute eine Chronik von Störfällen in deutschen AKWs, die beweisen, daß auch diese keineswegs gegen Überspannung und Blitzschlag ausreichend gesichert sind. Die Organisation wirft in ihrer Pressemitteilung Gabriel als auch den AKW-Betreibern wie dem in Schweden und Deutschland agierenden Vattenfall-Konzern vor, sie lenkten "geschickt von dem grundlegenden und ungelösten Problem ab, daß Unwetter und Kurzschlüsse in Atomkraftwerken jederzeit zur Katastrophe führen können. Die derzeitig häufigen Sommergewitter mit Blitzschlägen stellen eine akute Gefahr dar."
Chronologie
Am 13. Januar 1977 kam es offiziellen Angaben zufolge in den beiden abführenden Stromleitungen des AKW Gundremmingen nach einem Kälteeinbruch und einem Blitzschlag zu Kurzschlüssen, so daß das Atomkraftwerk seinen Strom nicht mehr ableiten konnte. Aufgrund von mehreren Fehlern in der Steuerung des AKW kam es zur Schnellabschaltung, was zu einem schnellen Druckanstieg und zur Dampfabblasung ins Reaktorgebäude führte und in Folge dessen zu Rissen in Sicherheitsventilen und Rohrleitungen. Schon nach rund zehn Minuten stand im Reaktorgebäude das Wasser drei bis vier Meter hoch, die Temperatur war auf brisante 80 Grad Celsius angestiegen. Das AKW erlitt einen Totalschaden und ging nie wieder in Betrieb.
6. Juni 1982
AKW Neckarwestheim 1
Blitzschlag in das 220-kV-Hochspannungsnetz, Abfangen auf Eigenbedarf mißlingt, die automatische Umschaltung auf das Reservenetz mißlingt, Notstromfall
29. Mai 1983
AKW Isar 1
Blitzschlag, Ausfall mehrerer Elektronikkarten und der Speisewasserbehälterfüllstandsanzeige, Reaktor und Turbinenschnellabschaltung
4. August 1984
AKW Krümmel
Blitzschlag, Ausfall von Meßkreisen, Leistungsreduzierung
4. Mai 1986
AKW Biblis B
Blitzschlag während der Revision, Abschaltung der Reservenetzeinspeisung, Notstromfall
19. April 1988
AKW Biblis
Explosion eines 220-kV-Stromspannungswandlers, Kurzschluss, Ausfall des Reservenetzanschlusses, Doppelter Notstromfall in Biblis Block A und Block B
23. Februar 2003
AKW Brokdorf
Sturm, Kurzschlüsse in Freileitungen des 400-kV-Netzes in Kraftwerksnähe, Abschaltung von AEG-Gleichrichtern im Notspeisegebäude; Teilausfall der Notstromversorgung
8. Februar 2004
AKW Biblis B
Sturm, Kurzschluss im 220-kV-Netz, fehlerhafte Netztrennung, Abfangen auf Eigenbedarf mißlingt, Notstromfall, Schnellabschaltung, Teilausfall der Notstandsstromeinspeisung für Block A
23. August 2004
AKW Brunsbüttel
Kurzschluss in einer Kabelverbindung des Eigenbedarfs vermutlich aufgrund von Alterungserscheinungen und nachgerüsteten Blitzschutzmaßnahmen, Kabel verschmorte auf ein Meter Länge, Reaktor- und Turbinenschnellabschaltung, Nichtverfügbarkeit eines Notstromdiesels
Harry Weber
Anmerkungen
Siehe auch unseren Artikel
Schwedisches AKW 7 Minuten vor GAU
Versagte eine Komponente »Made in Germany«?
(3.08.06)