Christian Semmler sprach mit Klaus Schramm
Vorbemerkung:
Klaus Schramm ist seit über fünf Jahren Mitglied im Vorbereitungsteam der alljährlichen 'Tour de Fessenheim'. Im Zentrum steht nach wie vor die Forderung der elsässischen, Nordschweizer und badischen AnwohnerInnen nach sofortiger Stillegung des ältesten französische AKWs.
Christian Semmler:
Das französischen Atomkraftwerk Fessenheim ist nun seit 28 Jahren in Betrieb. Haben sich die Menschen im "Dreyeckland" nicht längst daran gewöhnt?
Klaus Schramm:
Durch den Kampf gegen das geplante AKW in Wyhl am Kaiserstuhl und gegen Kaiseraugst in der Nordschweiz hatte sich das "Dreyeckland" einen ähnlich widerständigen Nimbus wie das Wendland erworben. Doch vor einigen Jahren schien es tatsächlich so, als ob sich hier Resignation breit machte. Seit fünf Jahren wächst der Widerstand aber erneut und es engagieren sich auch immer mehr junge Menschen. Jahr für Jahr konnten wir bei der 'Tour de Fessenheim' so eine zunehmende Teilnahme verzeichnen.
Das AKW Fessenheim findet überregional kaum Beachtung - und wenn, dann wie dieser Tage durch die Verleihung einer Medaille als angeblich sicherstes französisches AKW...
Diese Medaille, die übrigens vom früheren Chef des AKW Fessenheim Massart-Serge übergeben wurde, stammt vom französischen Energie-Monopolisten EdF, dem Betreiber des AKW Fessenheim. Das Ganze ist also ein schlechter Witz - zumal, wenn wir daraus schließen müssen, daß sämtliche französischen Atomkraftwerke also in einem noch desolateren Zustand als das in Fessenheim sind.
Leider müssen wir feststellen, daß eine aktuelle Serie von "Pannen" im AKW Fessenheim kaum in den überregionalen Medien registriert wird. Über deren Gefahrenpotential können wir nur spekulieren, da die Definitionshoheit zur Einordnung in eine Risiko-Skala beim Betreiber liegt und keine unabhängige Kontrolle möglich ist.
Warum ist so selten von den Störfällen zu lesen oder zu hören?
Wie überall wollen sich die Medien, die von Anzeigen anhängig sind, nicht mit den Mächtigen anlegen. Manchmal aber sind die Ereignisse nicht vor der Öffentlichkeit zu verbergen: So wurde die Region um Fessenheim erneut am 5. Dezember aufgeschreckt, als ein Erdbeben der Stärke 5,4 auf der Richterskala den Südschwarzwald und das angrenzende Elsaß erschütterte. Das Epizentrum dieses Erdbebens lag nur 35 Kilometer von Fessenheim entfernt - und das 28 Jahre alte AKW ist trotz Nachrüstung nach wie vor nur unzureichend gegen Erdbeben geschützt. Auch im Frühjahr 2004 geriet das AKW in die Schlagzeilen: Insgesamt zwölf Arbeiten waren an verschiedenen Tagen radioaktivem Dampf ausgesetzt und einer der beiden Blöcke mußte mehrere Monate abgeschaltet bleiben.
Auf der neuen, offiziellen Internet-Seite der EdF ist nun zu lesen, der "letzte" Störfall, ein Rohrbruch, hätte vor Ostern durch die Schließung eines Absperrhahns behoben werden können. Die Reparatur des Rohres sei im Gange. Nicht erwähnt wird dabei, daß laut Augenzeugen am 23. März drei Feuerwehrzüge - unter anderem aus dem mehrere Kilometer entfernten Mulhouse - nach Fessenheim gerufen worden waren. Auch von der großen Dampfwolke, die an diesem Tag über dem AKW zu sehen war und von AnwohnerInnen fotografiert wurde, nahmen die lokalen Medien keine Notiz.
Lediglich das 'Saar-Echo' berichtete über Fessenheim und dort war auch zu erfahren, daß es sich um den "dritten Störfall innerhalb eines Monats" handelte. Seit diesem Bericht gab es nach Angaben einer nur mit wenigen Kompetenzen ausgestatteten Kontrollkommission drei weitere Störfälle. Während die Lokalpresse schweigt, sprechen die lokalen Anti-AKW-Initiativen von einer "schwarzen Serie".
Wie durch Veröffentlichungen geheimer Dokumente über die deutschen AKWs in den letzten Jahren bekannt wurde, bieten deren Betonkuppeln ausnahmslos gegen den gezielten Absturz eines Passagierflugzeugs keinen ausreichenden Schutz. Wie steht es mit der Sicherheit des AKW Fessenheim vor Terrorangriffen, die ja seit dem 11. September 2001 nicht mehr als Hirngespinste abgetan werden können?
Die Beton-Kuppeln über den beiden Reaktoren des AKW Fessenheim sind ebenfalls wenig stabil und selbst der Absturz eines Sportflugzeuges könnte eine Katastrophe wie in Tschernobyl auslösen.
Was unternimmt die Anti-AKW-Bewegung?
Elsässische, Nordschweizer und badische Anti-AKW-Initiativen haben im vergangenen Herbst eine Koordination und regelmäßige gemeinsame Treffen vereinbart, um ihre Arbeit besser zu koordinieren. Dabei wird auch auf eine Unterstützung der Initiativen gegen die geplanten atomaren Endlager in Gorleben im Wendland, in Bure in Lothringen und in Benken in der Nordschweiz besonderen Wert gelegt. Auch Kontakte zu Gruppen aus dem CASTOR-Widerstand werden gepflegt.
Und an der jährlichen 'Tour de Fessenheim' kommen die lokalen Medien nicht vorbei. Dieses Jahr findet sie nun zum fünften Mal statt. Am Samstag, den 23. April, nehmen RadfahrerInnen an einer Sternfahrt mit Fahrrad-Corsos aus vier verschiedenen Richtungen teil und auf drei Kundgebungen sprechen VertreterInnen von französischen, Schweizer und deutschen Anti-AKW-Gruppen. Musikgruppen treten auf und sorgen dafür, daß die Veranstaltung nicht zu kopflastig wird. Auch für Verpflegung ist gesorgt und wie immer wird auch an vielen Ständen einiges geboten.
Neu kommt in diesem Jahr ein Wettbewerb um die originellsten und witzigsten Kostümierungen hinzu. Preise wie beispielsweise ein Party-Korb mit atomstrom-frei erzeugten Produkten oder ein Aufstieg auf ein Windkraftwerk warten auf die GewinnerInnen.
Danke für das Gespräch.
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