Nach 'Enron' und einer ganzen Reihe weiterer Energie-Konzerne hat es nun auch 'Mirant' erwischt. 2,4 Milliarden Dollar
Außenstände. Die Banken verloren die Nerven.
Die Liberalisierung frißt ihre Propheten. Der Konzentrationsprozeß schreitet munter voran. Letztes Jahr brach der
Energiehandel in der USA zusammen. Sehr kostengünstig produzierende Gas- und Kohlekraftwerke in der USA
sind eine enorme Konkurrenz für die AKWs. Zu Beginn der Präsidentschaft von Bush junior wurde der
Atom-Industrie in der USA ein "Renaissance" prophezeit, die Akzeptanz der US-amerikanischen Bevölkerung
zum Neubau von AKWs sei noch nie "so hoch" gewesen - kein einziges AKW wurde in der USA seit 1979 gebaut,
die letzte Auftragsvergabe für ein AKW datiert von 1973 und auch unter Bush junior wurde kein einziges neues
AKW in Auftrag gegeben.
Übrigens war Enron an den katastrophalsten Liberalisierungsentscheidungen in der USA, besonders in Kalifornien,
aber auch in vielen anderen US-Bundesstaaten maßgeblich beteiligt. Bereits 1996 erklärte Kenneth Lyle, Präsident
von Enron, vor dem Handelsausschuß des US-Repräsentantenhauses, daß bei einer Liberalisierung des
Strommarktes die Preise um 30 bis 40 Prozent sinken würden. Kalifornien hat die Dummheit am weitesten
getrieben: Pete Wilson, der damalige republikanische Gouverneuer, führte im selben Jahr eine besonders
hemmungslose Deregulierung ein. Die großen Staatsunternehmen wurden verpflichtet, ihre Produktionsgesellschaften
an private Konzerne (Aktiengesellschaften) abzutreten. Damit wurde der Bau neuer Kraftwerke dem privaten Sektor
überlassen. Da Aktiengesellschaften aber nur an kurzfristigen finanziellen Gewinnen interessiert sind, kann nichts
auf der Welt sie dazu bewegen, veraltete Infrastruktur zu erneuern. Im Gegenteil: Das ist der reale Hintergrund,
warum die Laufzeit der US-amerikanischen Schrott-AKWs reihenweise von den Behörden von 40 auf 60 Jahre
aufgestockt wird. Um ihre Gewinnmargen zu verbessern, haben die Produktionsgesellschaften sogar absichtlich
Strom vom Markt genommen, damit die Preise steigen.
Noch 1999 gab es bei einer Nachfrage von 45.000 MW keine einzige Abschaltung. Bereits im Jahr 2000 erfolgte
die erste bei einem Anforderung von 30.000 MW Leistung. Enron steigerte dabei seinen Umsatz im Vergleich zum
Vorjahreszeitraum um 281 Prozent entsprechend 50 Milliarden Dollar. Bei den Elektrizitätspreisen lag die jährliche
Inflationsrate in Kalifornien bereits 2001 bei 1000 Prozent. In dieser Situation verbot Gouverneur Wilson, der die
Verteilwerke zum Verkauf ihrer Stromproduktion verpflichtet hatte, per Gesetz die Preissteigerungen. Die Folge
war, daß die beiden größten Verteiler Kaliforniens pleite gingen, weil sie Milliarden von Dollar Verluste machten.
Kapital wird von den US-amerikanischen Konzernen nur noch dazu eingesetzt, andere Konzerne aufzukaufen
oder zu Spekulationszwecken. So ist zwar einerseits sicher, daß keine neuen AKWs gebaut werden, da hierzu
enorme Investitionen nötig wären. Andererseits verkürzt der Weiterbetrieb alter Schrottreaktoren an der Kante der
Auslastung und mit drastisch reduziertem Personal die Wartezeit bis zum nächsten GAU. Und allzu lange wird
es auch nicht dauern, bis der nächste Energie-Konzern pleite geht.
Harry Weber