Bürokraten planen einen Anschlag auf Deutschlands Straßen- bäume. Entlang der Landes- und Bundes- straßen sollen alle Bäume
gefällt werden, die nicht mindestens 10 Meter vom Fahrbahnrand entfernt stehen (in Kurven gar 26 Meter). Dies ist die
Konsequenz einer neuen Richtlinie, die von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen im Auftrag des
Bundesverkehrsministeriums erarbeitet wird.
GANZ KLAR, DASS DIES DEN TOD VIELER STRASSENBÄUME UND GANZER ALLEEN BEDEUTEN WÜRDE.
Obwohl diese Richtlinie bislang erst im Entwurf vorliegt, üben sich schon jetzt einige Bundesländer in vorauseilendem Gehorsam.
Brandenburg beispielsweise erklärte die Richtlinie zu geltendem Recht und erließ einen Pflanzstopp.
Das Potsdamer Ministerium für Straßenentwicklung, Wohnen und Verkehr verkündete unlängst das Ende für baumbestandene
Straßen und ließ verlauten, daß Alleen in Zukunft nur noch in Gebieten mit geringem und langsamem Verkehr vorgesehen seien.
An Strecken, an denen die Bäume abgeholzt werden, sollen Neu- und Nachpflanzungen in den genannten Abständen vorgenommen
werden. Doch selbst dies erscheint mehr als zweifelhaft:
Allein 1998/99 sind in Märkisch-Oderland 2.520
«Gefahrenbäume» an Bundes-, Landes- und Kreisstraßen
gefällt worden. Das brandenburgische
Gesetz zum Schutz der Alleen wird einfach außer Acht gelassen.
Die Ämter sind auch gar nicht in der Lage, die vom
Gesetzgeber geforderten Ausgleichsmaßnahmen
umzusetzen: Ihnen ist das Geld ausgegangen. «Eine
Fällung kostet zwischen 1000 und 5000 Mark», so Klaus
Spornberger vom Straßenbauamt in Frankfurt (O.), das für
Märkisch-Oderland und Oder-Spree zuständig ist. Für den
gesamten Straßenunterhalt in beiden Kreisen stünden dem
Amt jährlich acht Mio. Mark zur Verfügung, davon würden
allein schon vier Millionen für Bäume aufgewendet - vor
allem für Baumfällungen. Eine Neupflanzung koste bis zu
2000 Mark. Doch dies ist bei Neuanpflanzungen im Abstand von
15 Metern der geringste Kostenpunkt, da in der Regel
von Landwirten Grundstücke aufgekauft werden müßten.
Es werden also Alibi-Ausgleichsmaßnahmen propagiert,
die praktisch kaum durchführbar sind.
Angesichts der globalen CO2- Problematik und der
drohenden Klimakatastrophe wäre es sicher weit eher angebracht,
durch Neupflanzungen den Baumbestand zu mehren, statt durch
Fällen zu reduzieren. Doch nicht nur diese unsichtbaren Vorzüge
bieten unsere Bäume. Alleen haben einen hohen Erlebnis- und Aufmerksamkeitswert
und sind ein ästhetischer Genuß. Baumlose Straßenabschnitte wirken dagegen
eintönig und einschläfernd; sie animieren zu überhöhter Geschwindigkeit. Alleen bieten
Schutz vor Witterung, spenden im Sommer Schatten und entwässern die Straßen
durch ihre Feuchtigkeitsaufnahme. Außerdem sind sie Lebensraum für viele
Tierarten.
Als Begründung für den teils geplanten und teils schon verwirklichten Kahlschlag
an deutschen Straßen, dienen die Unfallstatistiken laut denen 1998 1.800 Menschen
durch die Kollision mit einem Baum ums Leben kamen. Doch dies sind 23 Prozent
aller Verkehrstoten. Und: Baumunfälle gehen seit Jahren kontinuierlich
zurück. Die Ursachen, warum Autos von der Straße abkommen, liegen zeitlich vor dem
Aufprall am Baum und sind unabhängig von dessen Existenz: Alkohol, Unaufmerksamkeit,
riskante Überholmanöver oder überhöhte Geschwindigkeit.
SICHER GIBT ES NOCH ANDERE MÖGLICHKEITEN, UM UNFALLVERURSACHENDE BÜRGER VOR
DEM TODFEIND BAUM ZU SCHÜTZEN.
"Bäume am Straßenrand verursachen keine Unfälle", meint Gerhard Küppersbusch, Leiter der KfZ-Schadensabteilung der
Allianz-Versicherung. Die wirksamste Waffe im Kampf gegen Baumunfälle sei die Einsicht der Autofahrer.
Warnhinweise für waldreiche Gebiete oder Alleen, Tempolimits und regelmäßige Verkehrskontrollen, sowie der Aufbau von
Leitplanken, werden vielfach als wirkungsvollere Mittel eingeschätzt.
Ob von Seiten der Politik Maßnahmen zum Schutz von Straßenbäumen und Alleen erwartet
werden dürfen, erscheint angesichts dieser Richtlinie und dem sukzessiven Abholzen der letzten Jahre mehr als zweifelhaft.
Die Umweltorganisation Robin Wood kündigte bereits an, zum Stop dieser Entwicklung zu den für sie typischen Mitteln
greifen zu wollen.
Jana Pelzer